Hilpoltstein
Der ewige Vorsitzende

Ludwig Sothmann hat in 35 Jahren den LBV zu einem ökologischen Schwergewicht geformt

19.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:20 Uhr

Mit einem Feldstecher am Kauerlacher Weiher begann Ludwig Sothmanns Einsatz für die Natur. Als Vorsitzender des LBV kämpft der Hilpoltsteiner Apotheker seit 1978 vor allem auf politischer Ebene für Nachhaltigkeit und den Erhalt der Arten. - Foto: Leykamm

Hilpoltstein (HK) Einst war er das jüngste Mitglied im Landesvorstand des Bund Naturschutz (BN). Heute kann der 74-Jährige auf über dreieinhalb Jahrzehnte als Vorsitzender des LBV zurückblicken: Ludwig Sothmann hat die Institution zu einem ökologischen Schwergewicht geformt.

Vielleicht haben die Gene etwas nachgeholfen. Denn väterlicherseits entstammt der in Nordhausen im Harz geborene Aktivist einer „Apothekerecke“ wie er selbst sagt, in der der Umgang mit den Schätzen der Natur eine große Rolle spielt. In der Familie seiner Mutter hingegen gibt es eine Vielzahl von Pfarrern, für die der Erhalt der Schöpfung einen verbrieften Wert an sich darstellt.

Für Tiere hat sich Ludwig Sothmann schon immer interessiert und so ruft den Teenager zu Beginn der 1950er Jahre ein Gerücht auf den Plan. Am Kauerlacher Weiher soll auf einen Graureiher geschossen worden sein. Der junge Ludwig legt sich mit einem alten Feldstecher auf die Lauer – allerdings zur Mittagszeit. Und so kommt ihm weder Vogel noch Schütze vors Glas. Sothmann muss heute noch schmunzeln, wenn er an die eher von Unwissenheit geprägte Anfangszeit denkt. Doch bald nimmt ihn der Lehrer und Ornithologe Alfred Reinsch an die Hand. Beide beobachten den Neuntöter oder machen sich auf die Spur des Habichts.

Nach dem Studium übernimmt Sothmann die Apotheke des Vaters in Hilpoltstein. Parallel dazu gelingt ihm sein erster großer Coup. Als ausgerechnet auf den Schwarzachwiesen bei Freystadt, wo Reinsch und Sothmann ihre Untersuchungen anstellen, ein Flugplatz entstehen soll, startet Sothmann eine Unterschriftenaktion, an der sich 3000 Menschen beteiligen. „Damals war so etwas noch völlig unüblich“, sagt Sothmann. Es gelingt ihm, das Bauvorhaben zu stoppen – auch weil er fehlenden Bedarf und mangelnde Legalität nachweisen kann.

Das lässt den Bund Naturschutz (BN) auf den Aktivisten aufmerksam werden. Er wird Kreisvorsitzender und Mitglied im Landesvorstand. Dann stolpert Sothmann über ein „kleines, schlafendes Geschöpf“ – das sei der LBV damals gewesen. Der Verband möchte ihn 1978 gern zum Vorsitzenden. Er willigt ein und beginnt die Organisation umzukrempeln. „Wenn ich hier Schwung reinbringen will, dann muss die Geschäftsstelle nach Hilpoltstein umziehen“, fordert er. 1980 siedelt sie von Garmisch an den Gänsbach um. Auch eine enge Kooperation zum BN wird vom ersten Tag an gepflegt.

Unter Sothmann treibt der LBV das Projekt Schwarzach weiter voran und beginnt Stück für Stück mit deren Renaturierung. Gemeinsam mit dem neuen Landesgeschäftsführer Gerhard Koller macht der Vorsitzende aus dem „schlafenden Geschöpf“ einen hellwachen, einsatzfreudigen und strukturstarken Verband. Die Mitgliederzahlen schnellen in die Höhe, die Finanzkraft steigt. Das nutzt man für Flächenankäufe. Heute verfügt der LBV über knapp 2800 Hektar Schutzgebiete, was etwa 4000 Fußballfeldern entspricht. Es könnten mehr sein. „Das Angebot ist immer noch größer als das Geld, das uns hierfür zu Verfügung steht“, sagt Sothmann. Denn Bauern verkaufen gerne schlecht nutzbare Flächen, die für den Naturschutz aber besonders wertvoll sind.

Den Freistaat weiß der LBV dabei auf seiner Seite, gibt es in Bayern doch eine Biodiversitätsstrategie. Auch ein Erfolg für den Verband, der lange um den Erhalt der Artenvielfalt als politisches Ziel kämpfte. Nun aber „soll aus der Strategie auch ein Programm werden, denn Papier haben wir schon genug“, moniert Sothmann. „Dafür will ich im Parlament für Sympathie werben.“ Hier helfen ihm seine vielen Posten. Im Deutschen Naturschutzring sitzt er im Präsidium, als Fachbeirat kümmert er sich um die Belange der Nationalparks Berchtesgaden und Bayerischer Wald und als Sprecher des Obersten Naturschutzbeirats im Bayerischen Umweltministerium kennt er dei Entscheidungsträger. Von Ministerpräsident Horst Seehofer wurde Sothmann zudem in den Zukunftsrat der Staatsregierung berufen.

„Eigentlich bin ich ein Outdoor-Mensch“, sagt Sothmann nachdenklich lächelnd. Aber das Funktionärsdasein hat auch seine Sonnenseiten. Er habe die Diskussionen „im politischen Raum nicht ungern austragen“, sagt Sothmann. Die seien auch dringend nötig, weil von nachhaltiger Ökologie und Biodiversität langfristig nichts Geringeres abhänge als „die Bewohnbarkeit des Planeten“, erklärt Sothmann: „Artenvielfalt sorgt für die Stabilität des Systems Erde“.

Deswegen kämpfte der LBV zum Beispiel für den Wanderfalken, der in Bayern in den 1970er Jahren schon fast ausgestorben war. Der Verband startete ein intensives Schutzprogramm: Nester wurden bewacht, Jungvögel beringt, Abschüsse angezeigt, neue Brutmöglichkeiten geschaffen. Mittlerweile ist der Wanderfalke nicht mehr gefährdet, dafür aber sogar „Allerweltsarten“, wie Sothmann sagt.

Um seine Ziele zu erreichen, macht er keinen Bogen um heikle Themen, sucht aber nicht den Konflikt, sondern den Konsens. „Die Energiewende ist ohne Windkraft nicht umsetzbar“, betont Sothmann. Aber Windräder dürfen auch nicht Flora, Fauna und dem Menschen schaden. Auch beim Thema Stromtrasse zeigt er sich „in Verfahrensfragen eingeübt“ und fordert nichts Absolutes, sondern dass eine Trasse zu 80 Prozent für den Transport regenerativer Energien bestimmt sein müsse.

Die Zahl der Themen, die Sothmann beackert, ist schier unerschöpflich. An eine Ära nach Sothmann will deswegen keiner denken: Er selbst nicht und auch der LBV nicht. Zu sehr liegt dem Vorsitzenden der Naturschutz am Herzen: „Wir haben nicht das Recht, Arten auszurotten – aber die Pflicht, sie zu erhalten.“ Dieser Leitsatz hat sich in seine Seele eingebrannt. Manchmal zwickt ihn deswegen das eigene Gewissen. Wenn er etwa zum Semmeln holen mit dem Auto fährt. Bei vielen Zeitgenossen bleibt die innere Stimme in einem solchen Fall schlafend still. Doch Sothmann versteht sich ja darauf, „kleine schlafende Geschöpfe“ zu wecken. Es gibt also noch Viel für ihn zu tun.