Hilpoltstein
Der Kampf um die Auszubildenden

30.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Veranstaltungen wie die Nacht der Ausbildung werden immer wichtiger für die Unternehmen im Landkreis Roth. Denn hier können sich die interessierten Jugendlichen von Lehrlingen für den vielleicht künftigen Beruf begeistern lassen. Arch - foto: Tschapka

Hilpoltstein (HK) „Die fetten Jahre sind eindeutig vorbei“, sagt Ute Ernst. Die Expertin von der Arbeitsagentur Ansbach-Weißenburg meint damit aber nicht etwa die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis Roth, der generell ganz gut dastehe, sondern speziell die Lage auf dem Ausbildungsmarkt. „Der Azubi ist längst ein rares Gut geworden“, so die Beobachtung von Ute Ernst vor dem Beginn des neuen Lehrjahrs.

„Jeder Jugendliche, der einigermaßen gut und motiviert ist, hat quasi die freie Wahl.“ Denn während die Zahl der Ausbildungsstellen im Landkreis Roth in den vergangenen Jahren immer größer geworden ist, stagniert die Zahl der gemeldeten Bewerber und Schulabgänger werden immer weniger. Der jüngsten Statistik der Arbeitsagentur zufolge waren im Juli noch 241 Schulabgänger im Landkreis Roth auf der Suche nach einen Ausbildungsplatz. Ihnen standen allerdings noch 357 freie Lehrstellen gegenüber.

Die offiziellen Zahlen der Arbeitsagentur zum Beginn des neuen Lehrjahrs werden zwar erst Ende September veröffentlicht. Doch Ute Ernst ist sich sicher, dass sich an diesem Missverhältnis grundsätzlich nicht mehr viel ändern wird. „Die beiden Zahlen sind jetzt sicher niedriger, aber dass es mehr Stellen als Bewerber gibt – diese Aussage bleibt.“ Beim Start ins neue Lehrjahr werden deshalb viele Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben.

„Ich kenne Handwerksbetriebe, die haben keine einzige Bewerbung auf ihren Ausbildungsplatz erhalten“, so Ernst. Allerdings mache die Entwicklung nicht nur dem Handwerk und speziell den kleineren Unternehmen zu schaffen. Auch beliebte Arbeitgeber wie etwa die Sparkasse, denen die Auszubildenden in den vergangenen Jahren geradezu die Tür einrannten, registrieren zunehmend weniger Bewerbungen. „Nicht von ungefähr gibt es inzwischen so viele Ausbildungsmessen, bei denen die Unternehmen im Wettbewerb um den Nachwuchs das Rennen machen wollen“, so Ernst.

Als positiven Nebeneffekt im Kampf um die Auszubildenden sieht die Expertin von der Arbeitsagentur, dass das gesamte Thema Ausbildung seit geraumer Zeit immer professioneller behandelt wird. Zum Nutzen der jungen Menschen, die eine immer bessere Basis für ihr Berufsleben erhalten. Aber auch zum Schaden der kleinen Betriebe. „Die großen Unternehmen haben da einfach mehr Potenzial und inzwischen auch schon eigene Abteilungen dafür, die sich um den Nachwuchs der Firma kümmern und oft auch mit großem Aufwand um die Azubis werben.“ Nicht von ungefähr habe sich die Nacht der Ausbildung in Roth, die in den vergangenen Jahren zu einer echten Großveranstaltung geworden sei, aus einer firmeninternen Initiative von Leoni heraus entwickelt.

Immer schwerer haben es deshalb die eher ungeliebten Berufe, in denen schon zu Zeiten von raren Ausbildungsplätzen viele Stellen frei blieben und für die sich inzwischen kaum noch Interessenten finden. Auf einen Bewerber oder eine Bewerberin als Verkäufer in der Bäckerei oder Metzgerei kommen aktuell mehr als 20 freie Stellen. Nicht viel besser sieht es im Tiefbau aus mit 11 Stellen pro Bewerber, bei den Kunststoffberufen mit 8 Stellen pro Bewerber und bei den Bäckern und Metzgern mit 7 Stellen pro Bewerber.

Aber es gibt auch Bereiche, in denen die Nachfrage der Bewerber aktuell noch größer ist als das Angebot, wie Ute Ernst betont: Bei den IT-Berufen kommen beispielsweise rund vier Bewerber auf eine Lehrstelle. Im Verkauf von Bekleidung, Elektro oder Kraftfahrzeugen streiten sich rund drei Bewerber um eine Stelle. Und bei den Sekretariatsberufen im Büro kommen im Schnitt immer noch gut zwei Bewerber auf eine angebotene Lehrstelle.