Ritter, Trommler, Haudegen

21.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:05 Uhr
Kämpfer aller Couleur geben sich auf und neben dem Turnierplatz die Ehre. −Foto: Oliver Frank

Hilpoltstein (HK) Die Sonne folgt dem Regen. Der hohe Wahrheitsgehalt dieser Binsenweisheit lässt sich beim 15. Mittelalterfest auf der Burganlage Hilpoltstein trefflich spüren. Nach einem ins Wasser gefallenen Auftakt am Freitagabend ist den Tausenden Besuchern ein herrliches Wochenende beschert.

Zuerst kommt der Pflasterzoll, doch dann ist man schon mittendrin im Marktgetümmel. Wuchtige Streitäxte baumeln da von den Zeltdächern, prächtige Gewänder lassen sich von edlen Damen gerne einmal anprobieren. Von der Arbeitsteilung von damals kündet der Stand eines Drechslers: Hölzerne Kochlöffel stecken hier im geflochtenen Korb neben dem mit den Holzschwertern. Auch ein Mädchen im Kinderwagen bekommt eines in die Hand gedrückt. Raue Zeiten.

Als einer Gewandeten ihr Kind des Öfteren davonläuft, besorgt sie sich beim Stand nebenan einen Strick, um es buchstäblich an sich zu binden. „Wir sind eben im Mittelalter“, sagt Ritter Bertram von Eickstedt dazu schmunzelnd. Er selbst ist eifrig am Stricken – aber keinen Pullover, sondern ein Kettenhemd. Eine echte Geduldsarbeit. Eines der Prachtstücke prangt vor dem Zelt des kämpfenden Kunsthandwerkers: 18 Tage hat er dafür gebraucht und genau 17 874 Maschen verarbeitet. Der aus Ueckermünde angereiste will dafür gerade mal 250 Euro haben, das Mindestlohnalter ist eben noch nicht angebrochen.

Ein paar Meter weiter klirrt und scheppert es gewaltig. Auf dem Tunierplatz sind Schwertkämpfe und ein Ritterturnier zu erleben. Mit allem Drum und Dran: dem Hand anhalten um die Prinzessin, spannenden Wettkämpfen und einem guten Ausgang. Für diejenigen zumindest, die sich auf die Seite des gnadenlosen Spaniers Don Rodríguez Conde de Iscar geschlagen haben. Doch es gibt auch einen „Publikumspreis“. Und hier ist die Entscheidung klar: Mit lautem Beifall küren die Besucher Lady Svenja zur „Ritterin der Herzen“.

Was sich im Umfeld des Turnierplatzes so tummelt, hätte statt eines spielerischen Wettstreits auch für eine echte Schlacht getaugt. Doch weit gefehlt: Barbar „Michl“ etwa ist nicht nur frei und fränkisch, wie es die Visitenkarte ausweist, sondern auch recht friedlich. Auch wenn er aussieht, als könnte er jeden Zeitgenossen ungespitzt in den Boden stampfen.

Das „fränkische Fußvolk“ weiß auch kulinarisch zu verwöhnen – es gibt andalusisches Huhn mit Hirse, frisch vom gemauerten Herd mit Dreibein. Krüge und Karaffen stehen für Wasser und Wein parat. Es darf auch selbst Hand angelegt werden: Beim Weben oder Drachenkopf schmieden, Schießen mit Bogen oder Armbrust. Die fünfjährige Nimue weiß sich schon adrett als Burgfräulein zu kleiden, die junge Allersbergerin schleift tapfer einen kleinen Speckstein, aus dem ein Herz für die Mama wird.

Mitten im Gewimmel plötzlich ein Herr, den man nichtsahnend ob der Krone für König Artus halten könnte. Doch weit gefehlt, es ist Alfons von Mühlberg mit einem „mittelalterlichen Ritterhut“, wie er um das Jahr 1300 modern war. Was Trugbild ist und was nicht, ist hier nicht immer eindeutig. Die Warnung vor Falschgeld, die mittendrin Marktvogt Manfred Seitz ausspricht, erweist sich allerdings als kein Witz – es sind tatsächlich falsche Zehn-Euro-Scheine im Umlauf.

Anderes wiederum scheint doch sehr illusorisch: Die „Brustvergrößerung durch Handauflegen“ etwa, für die in der Nähe des Heidecker Trommlerhaufen geworben wird und wohl eher das Wohl des Quacksalbers im Sinn hat. Das standesgemäße „Duell“ jenes Haufens mit den Hilpoltsteiner Fanfarenbläsern darf nicht fehlen. Die haben aber diesmal mit zwei Tänzerinnen klar die besseren Trümpfe. Irgendwie muss das Mittelalter also doch ganz schön gewesen sein. Auch wenn ein neuzeitliches T-Shirt auf Englisch mahnt: „Schau dort hin, wo Du hingehst – nicht in die Vergangenheit.“