Hilpoltstein
"Da müssen wir reinwachsen"

Leoni-Produktionsmanager Thoma sieht Industrie 4.0 als laufenden Prozess Mitarbeiter bleibt wichtigste Größe

28.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Foto: DK

Hilpoltstein/Roth (rok) Parksensor, Reifendrucksensor, autonomes Fahren - die Digitalisierung im Auto wächst rasant. Sehr zur Freude des Kabel- und Bordnetzherstellers Leoni mit Stammsitz in Roth. "Das ist ein Trend, der für Leoni sehr vorteilhaft ist", sagt Markus Thoma, als Chief Operating Officer zuständig für Produktion und Technik im Unternehmensbereich Wire & Cable Solutions. "Denn an jedem Sensor hängt ein Kabel." Und das ist gut fürs Geschäft von Leoni. "Eine riesen Wachstumschance - nicht nur im Automobil", sagt Thoma.

Denn der Kabelhersteller aus Roth beliefert fast alle großen Autohersteller weltweit. Die Autoindustrie ist mit Abstand der größte Absatzmarkt. In jedem Mittelklassewagen verstecken sich heute rund drei Kilometer Kabel, ausgelegt sind das fast acht Stadionrunden. Wobei Kabel ein untertriebener Begriff dafür ist, was da in einem Auto verbaut wird. "Es geht ja nicht nur um An- und Ausschalten, wie vor 20 Jahren, Sie müssen zunehmend Daten transportieren. Dazu braucht es immer anspruchsvollere Leitungen", sagt Thoma. Denn gerade beim autonomen Fahren müssen die Daten immer in Echtzeit geliefert werden, ohne Störungen.

Auch das Motoren- und Elektronikmanagement wird immer ausgefeilter. Sensoren melden, wenn Kühlwasser fehlt, Bremsbeläge abgefahren sind oder der Abgaskatalysator Probleme macht. Im Auto längst selbstverständlich, will Leoni diese Systeme immer mehr für andere Industriezweige und auch in der eigenen Produktion nutzen.

"Wie wir Industrie 4.0 in unsere eigenen Produkte einbauen, da sind wir erst ganz am Anfang", sagt Markus Thoma. Die Auswirkungen könne man noch gar nicht abschätzen. Leoni hat dafür eine neue Abteilung geschaffen. Ein Chief Solution Officer (CSO), ein strategischer Innovativmanager, wird sich um dieses Thema kümmern. Natürlich gebe es intern bereits viele computergestützte Produktionshilfen, aber viele Abläufe lassen sich durch die Digitalisierung noch verbessern. "Einen Lagerschaden kann es zum Beispiel auch künftig geben", sagt Thoma. Nur habe man bisher nicht genau erkennen können, wann das der Fall sein wird. Stattet man die Lager der Maschinen zum Beispiel mit Sensoren aus, die hitze-, druck- und ölbeständig sind, könne man genau erkennen: Jetzt läuft das Lager heiß, oder jetzt zieht der Motor zu viel Strom.

"Das wird sich in der Industrie voll durchsetzen", sagt Thoma. Denn immerhin ließen sich so teure Produktionsausfälle und hohe Reparaturkosten verringern. Leoni testet bereits ein solches System, das Manufacturing Execution System (MES), ein Produktionsleitsystem, bei dem laufend Produktionsdaten über Energie- und Anlagenmanagement gesammelt und ausgewertet werden. "So kann der Mitarbeiter die Produktion besser steuern", sagt Thoma.

Wichtig sei bei aller Digitalisierung aber der Mensch, betont Markus Thoma: "Ich kann mir keine Fertigung ohne Mitarbeiter vorstellen. Doch Systeme wie MES erfordern, dass der Mitarbeiter weitere Fähigkeiten braucht." Heute bilde man Kabeljungwerker aus, künftig brauche man aber vielleicht einen "Produktionstechnologen" - ein Beruf, den es noch gar nicht gibt. Bei der Leoni AGB denke man aber über eine solche Ausbildung oder Qualifizierung nach, sagt Thoma. "Wichtig ist, dass wir unsere Mitarbeiter heranführen." Denn auch wenn ein Sensor einen Lagerschaden erkenne, "am Ende muss ein hoch qualifizierter Spezialist das Lager tauschen". Es werde keine Leoni-Kabelfabrik geben, in der nur Roboter herumfahren.

Dennoch wird Leoni auch in die "Fabrik der Zukunft", die das Unternehmen in den nächsten Jahren an der Rother Lände erreichten will, das Thema 4.0 einbringen, damit es ein topmodernes Kabelwerk wird. "Aber das Arbeitsumfeld ändert sich nicht in einem Jahr. Da müssen wir reinwachsen", sagt Thoma. Und noch eine Gewissheit gibt es für den COO: "Ganz am Ende werden wir trotzdem Kabel fertigen."