Hilpoltstein
Aus dem Altersheim zum Challenge-Sieg

Die Gewinnerin des Rother Triathlons, Weltmeisterin Mirinda Carfrae, wohnte zehn Tage im Hilpoltsteiner AWO-Gebäude

21.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:26 Uhr

Eine Wohnung mit Burgblick hat die neue Challenge-Siegerin in den vergangenen Tagen genossen. Nur ein voller Kühlschrank ist in dem Preis von 110 Euro pro Nacht nicht enthalten. „Aber ansonsten fehlt es hier an Nichts“, sagt AWO-Heimleiter Frank Krebel beim Rundgang durch eine der Ferienwohnungen, wie sie auch Mirinda Carfrae bewohnte - Fotos: Burgstaller (2), R. Münch

Hilpoltstein (HK) Für Stars und Prominenz, da ist das Beste oft gerade gut genug. Da wird im Privatjet gereist, Champagner geschlürft und in Fünf-Sterne-Luxushotels abgestiegen. Die neue Challenge-Siegerin und amtierende Ironman-Weltmeisterin Mirinda Carfrae scheint genügsamer zu sein. Sie wohnte in den vergangenen Tagen im Hilpoltsteiner AWO-Pflegeheim.

 

Dass Mirinda Carfrae nicht pflegebedürftig, sondern vielmehr eine der fittesten Frauen der Welt ist, das dürfte nach ihrem Challenge-Sieg am Sonntag wohl auch der letzte mitbekommen haben. Bereits dreimal heimste sie einen Weltmeistertitel ein und unterbot im vergangenen Jahr sogar die Hawaii-Rekordzeit der großen Chrissie Wellington. Nein, keine Frage, diese Frau ist überall besser aufgehoben als in einem Pflegeheim und ist außerdem mit ihren 32 Jahren noch weit vom Seniorenalter entfernt.

Des Rätsels Lösung um die ungewöhnliche Unterkunft der Australierin liegt woanders. Besser gesagt im fünften Stock des erst ein Jahres alten Hochhauses in der Sankt-Jakob-Straße in Hilpoltstein. Hier wurden pünktlich zum Challenge zwei Ferienwohnungen fertig, die normalerweise von Angehörigen pflegebedürftiger Heimbewohner gemietet werden können. Diese Mietwohnungen stehen einer Suite eines Mittelklassehotels allerdings in nichts nach. Statt in einer Pflegeeinrichtung wähnt man sich, steht man erst einmal mitten in den 75 Quadratmetern, in einer Penthousewohnung mit Blick auf die Burgruine und die Altstadt. „Alles ist hier nagelneu“, bestätigt der Pflegeheimleiter Frank Krebel. „Miss Carfrae genoss hier Erstbezug“, sagt er lachend und öffnet die weiße schwere Tür zum zweiten, baugleichen Apartment.

Dann eröffnet sich ein Blick, der neidisch macht. Modern, einladend und vor allem hell und lichtdurchflutet ist es. Man steht in einer kombinierten Wohnessküche, in der alles da ist, was man zum Leben braucht – und sogar noch ein bisschen mehr: Da sind eine Sitzecke aus gepolstertem schwarzen Leder, ein moderner Flachbildfernseher, eine helle Küchenzeile mit Kaffeemaschine und ein Glastisch, der mit sechs Lederstühlen. Und dann ist da natürlich noch der Balkon mit Holzboden und rotem Geländer.

„Außerdem gibt es ein Bad mit großer Dusche, einen kleinen Nebenraum mit Waschmaschine und ein helles Schlafzimmer mit großem Schrank“, zählt Krebel auf. „Es fehlt an Nichts“, stellt er zufrieden fest. Nur den Kühlschrank müsse man sich selbst füllen, fügt er grinsend hinzu. Und glaubt man Frank Krebel, habe Mirinda Carfrae das ebenfalls so gesehen. „Es ist ein Traum hier“, waren ihre exakten Worte. Besonders die Ruhe und gleichzeitige Zentrumsnähe hätten ihr gefallen, so ganz „ohne den üblichen Medienrummel“ habe sie hier entspannen können.

„Wenn sie mal da war“, ergänzt der Heimleiter. Denn seinen prominenter Gast habe er selbst nur vier Mal zu Gesicht bekommen. „Ja, die war ständig auf Achse, hat viel trainiert“, sagt er. Auch das habe ihr sehr gut an ihrer Unterkunft gefallen: die Nähe zur Schwimm- und Rennstrecke. „Obwohl sie ein wenig verwundert war über die ländliche Struktur mit den vielen kleinen Dörfern“, erzählt Krebel kichernd. Wer allerdings weiß, dass Carfrae nicht nur das erste Mal in Hilpoltstein, sondern auch das erste Mal in Europa war, dazu in Boulder, einem Ort im US-Bundesstaat Colorado mit über 100 000 Einwohnern lebt und außerdem aus der australischen Millionenmetropole Brisbane stammt, der wird ihr dieses anfängliche Misstrauen schnell verzeihen.

Überhaupt kann Krebel nur Gutes von seinem Stargast berichten: „Sie hat alles selbst erledigt, war ruhig und sehr nett.“ Das einzige, nach dem sie ihn gefragt habe, sei ein Adapter für ihr iPhone-Ladegerät. Den habe Krebel zufällig zu Hause gehabt, und so sei dieser Wunsch schnell erfüllt gewesen. „Ansonsten keinerlei Starallüren“, attestiert er der Athletin.

Und hätte sie die gehabt, wären sie bei Krebel wahrscheinlich zunächst einmal auf Unverständnis gestoßen. „Bei mir hat die Challenge-Verwaltung angefragt, ob ich zwei Athleten unterbringen könnte.“ Kein Problem für Krebel, schließlich habe er auch schon vorher einige von den kleineren Ein-Zimmer-Apartments der Pflegeeinrichtung an Challenge-Teilnehmer vermietet. Als er also hörte, dass eine gewisse Mirinda Carfrae während der Triathlonhochsaison zu seinen Gästen zählte, „da dachte ich mir überhaupt nichts, ich hatte nie von ihr gehört“, erzählt Frank Krebel schmunzelnd. Erst ein Besuch und ein aufklärendes Gespräch mit Challenge-Veranstalter Felix Walchshöfer, der Carfrae als Topfavoritin auf den Sieg bezeichnete, brachte dem Leiter des AWO-Heims die nötige Erleuchtung. Selbstverständlich habe er dann auch das Rennen seines hochkarätigen Gastes verfolgt. „Sie war auf jeden Fall ein Gast, wie man ihn gerne hat“, lautet Krebels Fazit, nachdem die Profisportlerin heute Früh ihre Zelte in Hilpoltstein abgebrochen hat.

Und auch Carfrae selbst schwärmt in den höchsten Tönen von der Gastfreundschaft, den netten Leuten und der tollen Atmosphäre im Landkreis: „Überall hier spürt man so viel Unterstützung und jeder ist so freundlich“, sagte sie nach sechs Tagen Aufenthalt. Am Tag vor dem Rennen outete sie sich schließlich als wahrer Fan des Landkreises und wünschte ihren Facebook-Fans außerdem in fehlerfreiem Deutsch „eine gute Nacht“. Es wäre also kein Wunder, wenn Mirinda Carfrae auch im nächsten Jahr ihre Grüße aus dem AWO-Pflegeheim in Hilpoltstein sendet.