Hilpoltstein
"Aus Big Data wird das vorausschauende Netz"

Ewald Wessling malt beim S-Gespräch im Schwabacher Markgrafensaal eine rosige Digitalzukunft

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Seine digitale Welt ist eine heile: Ewald Wessling beim S-Gespräch im Markgrafensaal. - Foto: Schmitt

Hilpoltstein/Schwabach (HK) Kommunizierende Maschinen, vernetzte Autos, Ersatzteile vom 3 D-Drucker verblüffen uns längst nicht mehr. Pakete, die Amazon vor der Bestellung abschickt. Fahrzeuge, die freie Parkplätze errechnen und sich dorthin bewegen. Taxis, die das Ziel kennen, ehe der Kunde Platz genommen hat. Die Vorhersage eines drohenden Herzinfarkts. Das sind Prognosen, bei denen wir uns erheblich schwerer tun.

Ewald Wessling glaubt nicht nur an diese Entwicklungen. Er ist von ihrem Eintreten überzeugt. Beim Gespräch der Sparkasse Mittelfranken-Süd im Schwabacher Markgrafensaal erklärte der Professor für neue Kommunikationsformen an der Hochschule Hannover, warum.

Daten sammeln, sie analysieren und daraus Schlüsse ziehen. Das ist es, was laut Ewald Wessling eines der bedeutendsten Geschäftsmodelle der Zukunft sein wird. Dabei hat er mit Blick auf große Unternehmen wie Google, Amazon oder Apple nicht allzu große Befürchtungen in Sachen Datenschutz und Datenmissbrauch. "Google hat ein Prinzip: Tu nichts Böses", anderenfalls wäre die Suchmaschine seiner Einschätzung nach schnell weg vom Fenster. "Die Nutzer würden sich abwenden, wenn Google Kinderpornografie oder Kriminalität stützen würde." Den Staat hält er mit Blick auf seine Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem Individuum für die gefährlichere Datensammelmaschinerie. Alles in allem sieht Wessling in der Digitalisierung und in der Nutzung Neuer Medien indes große Chancen.

Ausgangspunkt der digitalen Revolution und damit Wegbereiter zunehmender Digitalisierung in der Zukunft ist für den promovierten Volkswirt ein "disruptiver Wandel" in der Wirtschaft. Darunter sind innovative Marktmodelle zu verstehen, die so revolutionär sind, dass sie völlig neue Wege eröffnen und damit bisher dominierende Unternehmen verdrängen. "Disruptive Innovationen zerstören Geschäftsmodelle", so Wessling. Als Beispiele nannte er die Musik und die Fotografie. "Downloads, Streaming und Instagram" hätten die Branche revolutioniert. Seiner Meinung zufolge sei das ausrechenbar gewesen. "Denn nach dem Moore'schen Gesetz verdoppelt sich alle 18 Monate die Leistungsfähigkeit der Rechenchips."

Firmen wie Apple und Google hätten in diesem Umfeld früh die Zukunft erkannt und entsprechend gehandelt. Angebote, die Uber und AirBNB geschaffen hätten, veränderten ganze Branchen. Den Erfolg von Amazon, Ebay und Co sah er in Grenzkosten, die bei null liegen. "Alles läuft ausschließlich digital, also über virtuelle Nullen und Einsen, so dass jede zusätzliche Bestellung nichts kostet, sondern nur Gewinn produziert", erklärte Wessling. Zugleich machte er auf einen Trend aufmerksam, vor dem Kritiker seit langem warnen. "Sie bezahlen auch immer mit ihren Daten", so Wessling in Richtung der Sparkassenmitarbeiter und -kunden. "Aus Big Data wird dann das vorausschauende Netz", so Wessling.

Durch die Analyse des Einkaufsverhaltens von Frauen könne man erkennen, ob sie schwanger seien. Facebook sage ziemlich genau voraus, wann sich ein Paar trenne. Amazon schicke individualisierte Buchtipps und erhöhe seine Preise, wenn aus der IP-Adresse hervorgeht, dass am anderen Ende der Datenleitung ein Apple-User sitzt. Denkbar sei sogar, dass Amazon künftig jedem Kunden einen bestellenden Kühlschrank schenke. "Als Lieferant würde man dann nämlich sehr schnell Gewinn machen", schilderte er die Motivation für diese Großzügigkeit. Als einen Grund für den Erfolg solcher Neuerungen nannte er die Bequemlichkeit der Nutzer. "Sie ist für viele bedeutender als die Privatsphäre." Dennoch werde die Richtung aller Entwicklungen positiv sein. "Denn Menschen nutzen die Angebote zu ihrem Vorteil", sagte der Kommunikationsforscher.

Ewald Wessling ging auch auf das Thema der "geborenen Digitalisten" ein, also der Generation, die mit der vernetzen Welt und ihren Geräten aufgewachsen ist, und brach eine Lanze für sie. "Sie werden mehr Bildung konsumieren", war er überzeugt. Durch Tablets und entsprechende Anwendungen werde auch das Lernen in der Schule revolutioniert. "In zehn Jahren sieht das völlig anders aus", prognostizierte Wessling. "Digitale Projekte, Gruppenerlebnisse und individualisiertes Lernen", all das werde "einen Riesenschub in der Bildung" bringen. "Schulformen, die Schüler das lernen lassen, woran sie Spaß haben, gehört die Zukunft", fasste Wessling zusammen.

Zugleich hielt er es für erforderlich, Kindern gegenüber beim Einsatz ihrer Geräte anstrengende Erziehungsarbeit zu leisten. Letztlich ziemlich rigoros. Seine Tochter habe sich selbst ein iPhone erspart, schilderte er das Handling in der eigenen Familie. "Das Handy gehört dir, aber die Nutzung bestimme ich", habe er ihr erklärt. Man könne es nicht 13-Jährigen überlassen, welche Dienste sie nutzen oder welche Fotos sie posten. "Kinder und Süchtige muss man kontrollieren und regulieren."

Daniela Heil, Vorstandsmitglied der Sparkasse Mittelfranken-Süd, hatte in ihrer Begrüßung vor dem Hintergrund wachsender Digitalisierung im Bankenwesen auf ein wichtiges Prinzip der Sparkasse im Umgang mit ihren Kundinnen und Kunden hingewiesen. "Wir bieten alle Kommunikationswege über die Netze an und bauen das auch aus", erklärte sie, "unser Königsweg ist aber nach wie vor die persönliche Beratung und das wird sich auch nicht ändern", versprach Heil.