Hilpoltstein
Ohne Wohnung keine Familie

Zwei syrische Jungs sehnen sich nach ihrer Mutter, die mit Zwillingen in Jordanien festsitzt Visum nur mit eigener Bleibe

19.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:18 Uhr

Deeb Taer und seine beiden Jungs Mammon (links) und Malek sehnen sich seit einem Jahr nach ihrer Ehefrau und Mutter und den vierjährigen Zwillingen. Damit die ausreisen dürfen, braucht die Familie aber unbedingt eine Wohnung. Das 18-Quadratmeter-Zimmer im Burggrafen müssen sie verlassen. - Foto: Kofer

Hilpoltstein (HK) Für Familien ist es heutzutage schwer, eine Wohnung zu finden. Für Deeb Taer und seine zwei Jungs Mammon, 9, und Malek, 6, ist eine Wohnung aber fast lebensnotwendig. Denn ohne eine Wohnung kann der 38-jährige Syrer seine Frau und die beiden vierjährigen Zwillinge nicht nachholen. Sie sitzen seit einem Jahr in Aman fest.

"Ich bin mit allem zufrieden. Ein Zimmer, zwei Zimmer? Kein Problem. Ich möchte nur meine Familie zusammenhaben", sagt Deeb Taer. Seit einem Jahr ist der Mann aus Syrien in Deutschland. Mit seinen beiden Jungs lebt er in einem kleinen Zimmer im Hilpoltsteiner Burggrafen. Malek ist am Dienstag eingeschult worden, Mammon besucht eine Übergangsklasse in Roth. Auch Vater Deeb lernt fleißig Deutsch. An vier Tagen die Woche büffelt er für das zweite Modul. In den Ferien hat er sechsmal pro Woche freiwillig Nachhilfe genommen. Besteht Deeb Taer im Dezember die Prüfung, hat er einen Arbeitsplatz schon so gut wie sicher. Das Jobcenter in Roth bescheinigt ihm beste Chancen. Denn Deeb Taer ist gelernter Lkw- und Omnibusfahrer - und die werden in Deutschland gesucht.

Doch die Erfolgsgeschichte hat auch eine dunkle Seite: Auf der Flucht aus Syrien musste Taer eine Hälfte der jungen Familie in Jordanien zurücklassen. Seine Frau und die vierjährigen Zwillinge warten in Amman auf ein Visum für die Ausreise nach Deutschland. Im Juni 2015 flüchtete die Familie unter Bombenhagel aus ihrem Haus in einem Vorort von Damaskus. Außer ihrem Leben und ein paar Plastiktüten konnten sie nichts retten. Das Haus ist zerbombt, dem Erdboden gleichgemacht, wie Deeb Taer mit einer eindeutigen Handbewegung erzählt.

Auf der Flucht trennte sich die Familie schweren Herzens in Jordanien. Denn der weitere Weg über die Türkei, mit dem Schlauchboot nach Griechenland und dann knapp 2000 Kilometer zu Fuß über die Balkanroute nach Deutschland war mit den damals dreijährigen Zwillingen nicht zu schaffen.

Seit März dieses Jahres ist Deeb Taer anerkannter Flüchtling. Seither versucht er, seine Frau und die Zwillinge nach Hilpoltstein zu holen.

"Die beiden Kinder leiden sehr unter der Trennung von der Mutter", erzählt Josef Lerzer, Sprecher des Asylhelferkreises im Burggrafen. "Auch für die Mutter in Jordanien ist es schwer." Sie weint oft, wenn sie abends mit ihrem Mann übers Internet skypt. Lerzer hat deswegen seinen "Genossen Frank Walter", also Außenminister Steinmeier, im Auswärtigen Amt in Berlin angeschrieben und um Unterstützung gebeten. Denn Taers Ehefrau braucht zur Ausreise ein Visum. Das bekommt sie aber nur, wenn Deeb Taer alle bürokratischen Hürden meistert. Er muss einen Pass haben, die Anerkennung durch das Bundesamt für Flüchtlinge und einen elektronischen Aufenthaltstitel.

Im Mai scheiterte die Familie bei einem ersten Termin in der deutschen Botschaft in Amman noch. Am 1. August gab diese dann grünes Licht - unter einer Bedingung: Taer muss nachweisen, dass er eine Wohnung hat. Die Gemeinschaftsunterkunft müsste er eigentlich verlassen. Doch es ist schwer, eine Wohnung zu finden. "Ich bin seit drei Wochen unterwegs und schaue nach Häusern ohne Vorhänge", sagt Josef Lerzer. Der stellvertretende Bürgermeister und SPD-Stadtrat kommt viel herum in Hilpoltstein, eine Wohnung hat er trotzdem nicht gefunden. "Wir suchen eine Wohnung oder ein leerstehendes Haus. Es darf auch renovierungsbedürftig sein", sagt er. Auch ein zeitlich befristeter Mietvertrag wäre in Ordnung. Dann könne man in Ruhe suchen.

Maximal 120 Quadrater würden der vereinten, sechsköpfigen Familie zustehen. Miete und Heizung bezahlt - wie auch bei Sozialhilfeempfängern - das Jobcenter, wenn die Wohnung im erlaubten Rahmen liegt. Sorgen um die Mieteinkünfte müsse sich ein Vermieter nicht machen, das Jobcenter sei ein absolut zuverlässiger Zahler, sagt Lerzer. Er und der Helferkreis suchen im gesamten Landkreis nach einer geeigneten Unterkunft, am liebsten aber in Hilpoltstein. Denn hier hat der Helferkreis schon viele alltägliche Dinge wie Hausaufgabenbetreuung oder Behördengänge organisiert. Es gibt oft enge persönliche Beziehungen zu einzelnen Helfern.

Gerade für Mammon und Malek sei das sehr wichtig, sagt Eva Strobel. Sie war bei Maá †leks Einschulung dabei und geht mit Deeb Taer zum ersten Elternabend. "Ich kann die Mutter nicht ersetzen, aber ich bin eine weibliche Bezugsperson", sagt Strobel, die fast jeden Tag einmal im Burggrafen ist, mit den Kindern spielt oder bei den Hausaufgaben hilft. "Das ist alles ganz, ganz wichtig", sagt Gisela Schmitz, die schon als "Oma" bereitsteht, wenn Taers Frau und die Zwillinge kommen. Es fehlt ja nur noch eine Wohnung.