Hilpoltstein
"Ich habe Wasser in den Augen gehabt"

Unterstützung für Flüchtlingshilfe gesucht Beschäftigung gegen Trauma und Angst

13.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:39 Uhr

Den Kindern mit Spielen etwas die Ängste zu nehmen, versucht Antje Freudling (links) von der Diakonie Roth-Schwabach zusammen mit allen ehrenamtlichen Helfern Tag für Tag. Das kleine Mädchen (rechts) trägt eine Maske, da man ihr Gesicht nicht sehen soll. - Foto: Fischer

Hilpoltstein/Roth (HK) Es ist der Versuch, schlimme Erfahrungen mit Spielen und Beschäftigung beiseitezuschieben. Jeden Donnerstag findet in der Rother Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Kaserne eine zweistündige Kinderbetreuung statt. Nun suchen die Helfer Unterstützung.

Rund 20 Kinder sitzen um die großen Tische in der Mensa der Flüchtlingserstaufnahmeeinrichtung in der Rother Bundeswehrkaserne. Um die Tische laufen vier ehrenamtliche Helferinnen herum. Obwohl hier fast jeder eine andere Sprache spricht, funktioniert die Kommunikation - ganz ohne Worte. Die Kinderbetreuung gibt es seit etwa einem Dreivierteljahr jeden Donnerstag von 14 bis 16 Uhr. Da den Helfern kein anderer Raum zur Verfügung steht, muss die Nachmittagsbereuung notgedrungen in der Mensa stattfinden.

Seit 2014 hilft auch die Hilpoltsteinerin Christa Brunner, wo sie nur kann. "In den letzten Tagen haben wir zum Beispiel Legosteine gesammelt. Die kommen unglaublich gut an", sagt sie stolz. Das liegt vor allem daran, dass es dafür keiner Sprache bedarf. So sitzen sich an den eckigen Tischen Kinder aus zahlreichen Nationen gegenüber und können gemeinsam spielen.

Die oft tragischen Erfahrungen und Schicksalsschläge, die die Kinder in ihrer Heimat und auf dem Weg nach Europa erlebt haben, spielen hier kaum eine Rolle. "Wir versuchen dieses Thema etwas wegzuschieben", sagt Antje Freudling. Sie arbeitet als Sozialwissenschaftlerin für die Diakonie Roth-Schwabach. Je länger die Kinder und Erwachsenen nichts zu tun hätten, desto mehr würden die vielen schrecklichen Erfahrungen der Vergangenheit und die Ängste vor der Zukunft wieder hochkommen. Am schlimmsten sei für die Menschen die Ungewissheit, wie es weitergehen werde. "Die Kinder spüren die Ängste der Eltern", sagt Brunner. Um gegen die Langeweile etwas zu tun, suchen die Helfer aktuell Puzzle und andere Spiele, die sich auch ohne die deutsche Sprache zu beherrschen, spielen lassen. Auch über Puzzle für Erwachsene würde man sich sehr freuen.

Während sich die freiwilligen Helferinnen mit den Kindern beschäftigen, lernen die Eltern in zwei anderen Räumen Deutsch. Besonders schwer gestaltet sich der Unterricht, da die Menschen hier "kommen und gehen", meint Freudling. Oft hingen in der Rother Beratungsstelle Namenslisten aus. Darin enthalten: die Namen der Zuwanderer, die in den nächsten Tagen in eine andere Einrichtung transportiert werden. Dann müssen die Menschen, die sich gerade ein Stück weit in der Rother Erstaufnahmestelle eingelebt haben, ihre Wohnung umgehend verlassen. "Das ist schon oft sehr schade. Man baut in der Zeit ja doch eine Beziehung zu den Leuten auf", sagt Freudling.

Doch auch in solchen Situationen versucht sie zusammen mit allen Ehrenamtlichen zu helfen. "Woran es uns im Moment mangelt, sind Koffer und große Reisetaschen", erklärt Elisabeth Sippel. Auch sie ist von Beginn an ehrenamtlich fast rund um die Uhr im Einsatz.

Als die ersten Flüchtlinge Einzug in die Erstaufnahmeeinrichtung in der Rother Kaserne gehalten haben, hat sie gemeinsam mit den anderen Helfern einen großen Aufruf für Kleiderspenden gestartet. "Die Resonanz war gigantisch", sagt Sippel. Wochenlang habe man Kleiderspenden in den Büroräumen gestapelt, da es zu diesem Zeitpunkt keinen anderen Platz gab. Mittlerweile hat man eine eigene Kleiderkammer eingerichtet.

Vor dieser habe vor einiger Zeit auch ein irakischer Mann gestanden und den Helfern verzweifelt versucht zu erklären, was er sich so sehr wünscht, erzählt Sippel. Der Mann wollte keine schöne warme Kleidung: Er fragte nach einer Violine.

"Also habe ich zu Christa gesagt: Ich brauche eine Geige", fährt Sippel fort. Und Christa habe noch am selben Tag ein solches Instrument aufgetrieben und dem Iraker mitgebracht. Auf der Violine hat dieser dann zur eigenen Weihnachtsfeier gespielt. "Ich habe Wasser in den Augen gehabt. Das geht runter wie Öl", sagt Brunner und hat noch beim Erzählen feuchte Augen. Der musikalische Iraker spielt mittlerweile sogar in einem Kammerorchester im Landkreis. Es sind Geschichten wie diese, die den Helfern Kraft geben und sie für all die Mühe entlohnen. "Deshalb machen wir das", sagt Sippel und unterbricht, weil zwei kleine Mädchen angelaufen kommen.

In ihren Händen halten sie jeweils ein Blatt Papier, auf das sie mit Buntstiften eine Figur und ein Muster gemalt haben. Sie legen es behutsam in die Hände von Christa Brunner und Elisabeth Sippel. "Wow. Das ist ja toll!", freut sich Sippel und den Mädchen huscht ein vorsichtiges Lächeln über die Lippen. Dann drehen sie sich etwas schüchtern um und laufen zurück zu dem Tisch mit den vielen Legosteinen.

Da es den Helfern an einigen Dingen fehlt, haben diese einen neuen Aufruf gestartet. Benötigt werden neben Koffern und großen Reisetaschen auch Jogginganzüge (kleine Größen), Herrenschuhe bis Größe 43, Puzzle und Spiele für Kinder und Erwachsene. Wer etwas abzugeben hat, kann sich unter (09174) 520 bei Christa Brunner oder unter (0170) 7 17 42 85 bei Elisabeth Sippel melden. Freiwillige, die sich als Betreuer engagieren möchten, können sich per E-Mail an antje.freudling@diakonie-roth-schwabach.de wenden.