Hilpoltstein
"Arzt ist Aufgabe und Berufung zugleich"

Hilpoltsteiner Mediziner denken mit 60 oder 65 Jahren noch lange nicht an den Ruhestand

30.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:14 Uhr

Siegfried Ernst ist mit 71 Jahren der älteste Arzt in Hilpoltstein und denkt noch lange nicht ans Aufhören. Doch er ist damit nicht allein: Kaum einer der Allgemeinärzte in der Stadt möchte mit 60 oder 65 Jahren schon in Rente gehen. Damit ist die Hausarztversorgung in Hilpoltstein über die nächsten Jahre hinaus gesichert, auch wenn die spätere Suche nach Nachfolgern schwer werden wird. - Foto: Bader

Hilpoltstein (HK) Knapp ein Drittel der Hausärzte in Hilpoltstein, Heideck, Thalmässing, Greding und Allersberg ist laut der Kassenärztlichen Vereinigung über 60 Jahre alt. Vor verschlossenen Türen werden die Patienten zumindest in Hilpoltstein auf absehbare Zeit aber nicht stehen: Kaum ein niedergelassener Arzt will demnächst in den Ruhestand gehen.

Daran, seine Praxis abzugeben, denkt nicht einmal Siegfried Ernst, der mit bereits 71 Jahren der älteste praktizierende Allgemeinmediziner Hilpoltsteins ist. Für ihn steht außer Frage, dass er noch vier oder fünf Jahre in seiner Praxis bleibt. "Arzt zu sein, ist Aufgabe und Berufung zugleich", sagt er. "Eine so große Verantwortung kann man nicht einfach ablegen." Zudem ist er sich sicher, "dass man die Zeit nicht einfach mit Hobbys füllen kann". Wenn er trotzdem in einigen Jahren in den Ruhestand geht, soll die Praxis aber nicht leerstehen. Er wünscht sich auf alle Fälle einen Nachfolger, räumt aber ein, dass es schwer werden wird, einen solchen zu finden. "Wenn die Praxis auf dem Land ist und zudem viele Patienten hat, gibt es kaum Bewerber. Da gebe ich mich keinen Illusionen hin." Grund sei, dass man als Hausarzt auf dem Land "eigentlich immer verfügbar und werktags wie feiertags für die Menschen da sein sollte".

Nach Ernsts Einschätzung wird die Zahl der selbstständigen Vollzeitärzte zudem deutlich sinken. "Rund 70 Prozent der Studienabgänger in der Medizin sind Frauen. Und die meisten haben zu dieser Zeit ihre Familienplanung noch vor sich, wollen oftmals lieber nur eine Halbtagsstelle." Ein Grund dafür, warum Ernst nach wie vor für ein Ärztehaus in Hilpoltstein kämpft. "Dann könnten mehrere Ärzte in Teilzeit eine Stelle gemeinsam besetzen."

Auch Maria Heide nähert sich mit 62 Jahren dem von vielen Arbeitnehmern angestrebten Rentenbeginn mit 65 Jahren. "Aber ich denke gar nicht ans Aufhören", sagt sie. Auch sie hofft wie Ernst, dass ihre Praxis später einmal weitergeführt wird. "Ich möchte einen Nachfolger, weiß aber, dass das nicht leicht sein wird."

Auch Rainer Sandrock möchte seinen Beruf noch Lange nicht an den Nagel hängen. Er geht davon aus, dass er auch mit 70 Jahren noch auf dem Chefsessel seiner Praxis sitzen wird. "Ich bin 59 und fest davon überzeugt, dass ich auf alle Fälle noch zehn Jahre weitermache." Der Grund? "Was mache ich denn daheim, da komme ich nur auf dumme Gedanken." Sandrock ist jedoch zuversichtlich, wenn es um die Weiterführung seiner Praxis geht. "Wir haben doch bis hin zum Kindergarten am Ort alles, was sich ein Interessent wünschen kann - und Hilpoltstein ist schließlich auch als Stadt nicht garstig." Er ist überzeugt, zum gegebenen Zeitpunkt einen Bewerber zu finden: "Sich zwei Jahre vorher zu kümmern, dürfte reichlich Zeit sein."

Ans Aufhören denkt auch Anton Fischer nicht. Der 59-Jährige betreibt seine Praxis mit Sandrock und Ernst zusammen im Fürstenhof. "Ich habe erst mit 46 Jahren das Medizinstudium absolviert, war 2011 fertiger Arzt und habe jetzt im Februar meine Facharztprüfung zum Allgemeinarzt abgelegt", sagt er. Da kann ich doch nicht in einem halben Jahr aufhören, da werde ich noch zehn Jahre weitermachen."

Der 47-jährige Rolf Eichinger, der seine Praxis im Auhof betreibt, denkt nicht daran, mit 60 in Rente zu gehen. "Ich mache es, solange ich stehen kann und solange es Spaß macht", sagt er. Er räumt aber ein, "dass ich vielleicht irgendwann nicht mehr in Hilpoltstein bin, sondern mir eine andere Aufgabe suche". Er sieht aber durchaus einige Probleme, einen Nachfolger zu finden. Vor allem die zunehmende Bürokratie mache die Suche immer schwieriger.

Die Situation in Hilpoltstein ist für Jürgen Büttner vom Bayerischen Hausärzteverband außergewöhnlich. "Heute ist bei den meisten Ärzten im Landkreis die Tendenz erkennbar, dass sie sich mit 60 Jahren verabschieden", sagt er. Ein Arzt wie Siegfried Ernst, "der wohl auch der älteste Arzt im Landkreis sein dürfte, ist damit die große Ausnahme". Auch, dass viele Hilpoltsteiner Allgemeinärzte weit über das 65. Lebensjahr hinaus ihre Praxis weiterführen wollen, sei doch ungewöhnlich.

Für die, die sich bald in den Ruhestand verabschieden wollen, werde es nach seiner Erfahrung immer schwieriger, einen Nachfolger zu finden. "Wir müssen einfach das Interesse für den Allgemeinarzt wecken", sagt er. Oft werde an den Universitäten der wissenschaftliche Charakter in den Vordergrund gestellt. So dass sich immer mehr spezialisieren, immer kleinere Nischen abdecken und "die Generalität ihres Berufes" aus den Augen verlieren. "Dabei ist doch gerade der Beruf des Allgemeinarztes das Schöne. Da hast du in einer Stunde acht ganz unterschiedliche Krankheitsbilder", sagt er.

Hindernisse seien für viele Nachfolger sowohl die geforderten Bereitschaftsdienste als auch die gefühlte Überforderung. "Die Patienten werden immer älter und jedes zusätzliche Jahr bringt ganz mannigfaltige Erkrankungen mit sich", so Büttner. Seiner Ansicht nach könne man deshalb einen Arzt schon lange nicht mehr 1:1 ersetzen: Für einen gewöhnlichen Hausarzt, der geht, müsste man eigentlich 1,6 neue Stellen schaffen", sagt er.

Büttner stimmt mit Ernst zudem überein, dass vor allem durch die zunehmende Zahl von Medizinerinnen der Bedarf von Teilzeitarbeitsplätzen größer werden wird. "Dass sich zwei Ärzte eine Praxis teilen, also jeweils eine halbe kassenärztliche Zulassung haben, ist inzwischen gang und gäbe." Trotzdem biete nicht jede Arztpraxis genau diese Chance.

"Wir werden jedoch alles tun, damit eine Stelle nicht ohne Nachfolger bleibt", sagt Hans-Dieter Moritz von der Bezirksstelle Mittelfranken der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Und er hat wenig Zweifel, dass dies in Hilpoltstein gelingt. "Ein Arzt, der mit seiner Familie nach Hilpoltstein zieht, hat dort alles, was er braucht", sagt er. Ein weiterer entscheidender Vorteil sei die Nähe und die gute Anbindung Hilpoltsteins nach Nürnberg. "Da tue ich mich wesentlich schwerer, wenn ich einen Arzt nach Feuchtwangen oder Dinkelsbühl bekommen will." Und es ist für ihn sogar denkbar, für eine begrenzte Zeit die Schallmauer eines Versorgungsgrades von 110 Prozent zu durchbrechen. "Normalerweise bekommt dann kein Arzt mehr eine Zulassung, aber wenn man jemanden mit in die Praxis nimmt, der diese in Kürze übernehmen will, ist sogar das denkbar."

Doch bis dahin ist noch Zeit, da eben keiner der Hilpoltsteiner Ärzte jetzt schon ans Aufhören denkt. Und das ist laut Büttner "für Hilpoltstein ein großer Glücksfall".