Hilpoltstein
Angst vor Auflösung der Werkstätten

Bei Diskussion im Auhof werden Probleme des neuen Bundesteilhabegesetzes angesprochen

19.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:06 Uhr

SPD-Kreisvorsitzender Sven Ehrhardt diskutiert mit Petra Kreuzer-Meier vom Hilpoltsteiner Auhof und der BAK-Vorsitzenden Sabine Eiá †semann (von links) das neue Bundesteilhabegesetz. - Foto: Leykamm

Hilpoltstein (HK) In vier Stufen wird bis 2023 das neue Bundesteilhabegesetz umgesetzt, das Menschen mit Handicap bessere Selbstbestimmung ermöglichen soll. Was genau das Gesetzespaket für Änderungen mit sich bringt, ist nun im Auhof rege diskutiert worden.

Sabine Eisemann, die Vorsitzende des Bezirksarbeitskreises (BAK) der Werkstatträte in Mittelfranken und des Auhof-Werkstattrats, machte erst einmal ihrem Ärger Luft. Denn ausgerechnet der Inklusionsbeauftragte des Bezirks Mittelfranken, Lothar Baumüller, hatte kurzfristig seine Teilnahme an der Veranstaltung abgesagt. "Das ist ein No-go", wetterte Eisemann.

Gekommen war aber Joachim Gradl, der stellvertretender Landessprecher der Werkstatträte in Bayern. Er stellte die wichtigsten Änderungen vor, die das neue Gesetz mit sich bringt. So wurden beispielsweise in diesem Jahr die Zahl der Werkstatträte erhöht und die Position der Vermittlungsstelle gestärkt. Den Räten steht nun auch mehr Zeit für Fortbildung zur Verfügung. Als Vertrauensperson kann nun auch jemand außerhalb der jeweiligen Einrichtung gewählt werden. Die Regelsätze der Eingliederungshilfe sowie für das Arbeitsförderungsgeld schraubte der Gesetzgeber laut Gradl nach oben. Jede Werkstatt bekommt zudem eine Frauenbeauftragte.

Hier meldete allerdings Ines Halbauer, die Leiterin der Auhof-Werkstätten, Bedenken an. Ihr wäre "ein Gleichstellungsbeauftragter lieber gewesen". So sah dies auch Sven Ehrhardt, der Kreisvorsitzende der SPD, der als Hauptredner geladen war. Er hofft, dass mit dem neuen Bundesteilhabegesetz ein Systemwechsel angestoßen wird. Der Mensch solle nun im Mittelpunkt stehen.

Als positiv stellte Ehrhard unter anderem die Wahlfreiheit der Wohnform für Behinderte heraus sowie das Rückkehrrecht in die Werkstätten. Dies kann in Anspruch genommen werden, wenn die Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht wie erhofft funktioniert hat. Außerdem werde durch das Gesetz garantiert, "dass niemand schlechtergestellt wird, als er es bisher war".

Ehrhardt musste sich als Vertreter der Partei der Agenda 2010 auch provokative Fragen gefallen lassen. So würden etwa bis heute Sonderzahlungen für die Beschäftigten der Werkstätten einfach als Einkommen gewertet, was den eigenen Anteil zur Heimkostenzulage erhöht. Somit komme das Geld bei den Beschäftigen gar nicht erst an. "Ist das Inklusion", wollte Roland Weber, der langjährige Landesvorsitzende der Werkstatträte, wissen. "Nein, das ist eine Ungerechtigkeit", sagte Ehrhardt offen. Er werde sich bemühen, einen Bundestagsabgeordneten der Sozialdemokraten an den Auhof zu holen, um solche Dinge diskutieren zu können.

"Was ist mit den Schwächeren unter den Beschäftigten", wurde aus der Versammlung heraus gefragt. Denn wenn auch aufgrund des Gesetzes der Weg in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert werde, würden die Werkstätten selbst dadurch zu einem immer stärkeren Kostenfaktor. Viele befürchteten, dass am Ende dieser Entwicklung die Auflösung dieser Einrichtungen stehe und besagte Schwächere dann bloß noch die Heimunterbringung bleibe. "Wenn das das Ziel des Gesetzes wäre, dann wäre es verkehrt", so Ehrhardt.

"Menschen mit Behinderung werden täglich benachteiligt und diskriminiert", gab Ehrhard zu. Was bei der fehlenden Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden oft am fehlenden Geld liege. Das werde sich oft erst ändern, "sobald der erste Stadtrat im Rollstuhl gewählt wird". Dann müsste ihm ein barrierefreier Zugang ermöglicht werden.