Hilpoltstein
Von Styroporblumentöpfen und Nacktbildern

08.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:43 Uhr

Der frühere Friseursalon von Reinhard Nein ist noch da (links). Den heutigen Altstadtring gab es damals so noch nicht. - Foto: Bader

Hilpoltstein (DK) Im Jahr 1968 stand das Elternhaus von Reinhard Nein noch an der Ehenheimer Straße, die später zum Altstadtring werden sollte. Für diese Trasse mussten der Pulverturm und einige Wohnhäuser weichen. Im Vergleich von einst und heute ist dieser Teil Hilpoltsteins kaum wiederzuerkennen. Im heutigen Teil unserer Serie "Luftbilder von 1968" erinnert sich der Friseur Nein an die vielen Veränderungen - und auch an seine Jugendsünden.

Das Haus von Reinhard Nein, das heute mit seiner grün gestrichenen Fassade am Altstadtring leuchtet und schon 1960 ein Friseurgeschäft beherbergt hat, ist auf der alten Luftaufnahme ganz links zu sehen. Die Bilder von damals und heute zeigen aber eindrucksvoll: Diese Ecke Hilpoltsteins hat sich sehr stark verändert. "Die Straße hieß damals noch Ehenheimer Straße, aber die gibt es seit dem Bau des Altstadtrings nicht mehr", sagt Reinhard Nein. Nur sein früherer Friseursalon steht noch. Genauso wie das Haus der Familie Kühner an der Ecke zur heutigen Drei-Eichen-Straße.

Das dominante Gebäude in der Bildmitte der Luftaufnahme ist schon vor vielen Jahren abgerissen worden. "Das hat die Familie Borchert gebaut", erzählt der inzwischen 69-Jährige. "Hier war früher eine Handschuhfabrik. Danach ist eine Familie eingezogen, die in einer kleinen Halle hinter dem Haus Styroporblumentöpfe gemacht hat", erzählt Nein und erinnert sich schmunzelnd an seine Jugendsünden. "Das waren Nudisten und die haben regelmäßig eine Zeitschrift bekommen, die mir der Sohn der Familie immer wieder heimlich zugesteckt hat", erzählt er. "Ich habe die Bilder mit den nackten Frauen ausgeschnitten und an der Berufsschule verkauft - je nach Größe für 50 oder 70 Pfennig das Stück. "

Der schwunghafte Handel war aber bald vorbei, da die Familie eines Tages aus Hilpoltstein wegzog - die Fertigung von Styroporblumentöpfen rentierte sich wohl nicht mehr. "Dann wurde die Halle auf diesem Grundstück so vergrößert, wie sie in der Luftaufnahme zu sehen ist", sagt Nein. Die Familie Häckl betrieb dort einen Verbrauchermarkt, in dem es auch Sportartikel gab. Es war also der einstige Firmensitz von Sport Häckl. Heute ist das Geschäft am Ortsausgang an der Allersberger Straße zu finden.

"Am rechten oberen Bildrand sieht man auch den Bau des Hochhauses von Albert Wex, in dem Wohnungen entstanden", sagt Nein beim Blick auf das alte Luftbild. "Aber das scheint nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein, die haben bald wieder aufgegeben." Leer blieb das Gebäude nicht: Es ist heute ein Teil des Seniorenheims der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Diese baute ab 2010 ein T-förmiges Gebäude an, das mit einem Flügel zwischen Neins ehemaligem Haus und Wohnhaus an der Ecke zur Drei-Eichen-Straße herausragt (siehe aktuelle Aufnahme).

Zwischen der ehemaligen Ehenheimer Straße, also dem heutigen Altstadtring, und der früheren Freystädter Straße, der heutigen Straße Am Stadtweiher, "hatte mein Großvater noch eine Büttnerei und da stand auch das Geburtshaus meines Vaters Franz", erinnert sich Reinhard Nein. "Mein Vater hat aber nicht mehr in der Büttnerei gearbeitet, sondern stattdessen Friseur gelernt." Zuerst befand sich der Friseurladen des Vaters noch weiter vorne, gegenüber der heutigen Schlosserei Schorsack. Später zog Franz Nein in die Räume der aufgegebenen Büttnerei und baute die Möbel für seinen Herrensalon um. "In diesem Herrensalon habe auch ich noch mein Handwerk gelernt", sagt Reinhard Nein.

Der Friseursalon in der alten Büttnerei sei von Anfang an ein beliebter Treffpunkt gewesen. "Termine beim Friseur gab es damals noch nicht, also sind einfach alle gekommen, haben sich reingesetzt, Bier getrunken und gekartelt", erzählt Nein. "Und nicht selten wollte einer, wenn er dran war, nicht mit dem Karteln aufhören und ist am Nachmittag eben ohne neue Frisur wieder nach Hause, um am nächsten Tag oder in der nächsten Woche noch einmal vorbeizuschauen."

Im Jahr 1948 erbten dann Reinhard Neins Vater und dessen Bruder Georg das heutige grüne Haus. "Allerdings war es damals noch ein einfacher Stadl mit großem Tor, wo man landwirtschaftliche Maschinen unterbringen konnte", erzählt Reinhard Nein. Seine Mutter - die anfangs bei der Bahn arbeitete, dann aber zur Friseurin umschulte - zog in den linken Teil dieses Gebäudes. Das Werbeschild ihres Ladens sieht man auf der Luftaufnahme von 1968 am linken Bildrand neben der Tür. Erst 1975, also sieben Jahre nach der Luftaufnahme, zogen auch Reinhard Neins Vater und er dorthin um. Dann allerdings auf die rechte Seite.

Noch viel mehr veränderte sich dann in diesem Teil Hilpoltsteins mit dem Bau des Altstadtrings. Unter anderem wurde der auf der Luftaufnahme ganz rechts zu erkennende Pulverturm abgerissen. Auch die ersten Häuser zwischen der Ehenheimer Straße und der alten Freystädter Straße mussten weichen. "Auch ich musste für den Altstadtring einen Teil meiner Grundstücke abgeben und habe dafür ein Reststück dieser zwei Grundstücke bekommen", sagt Nein. Und so wohnt er jetzt zwischen zwei umbenannten Straßen: dem heutigen Altstadtring und der Straße Am Stadtweiher.