Heideck
Verstecken, bis der Ami kommt

\tZeitzeugen erzählen vom Kriegsende in Heideck Feldküche in der Begegnungsstätte

18.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:02 Uhr

Sattlermeister Anton Hofmeier aus Heideck (2. von links), war der Schwiegervater von Andreas Meier, der mit 16 Jahren vom Volkssturm desertierte. Das Foto zeigt Hofmeier mit Kameraden im Pferdepark Bamberg. ‹ŒRepro: Peschke

Heideck (HK) Im Heidecker Erzählcafé waren Zeitzeugen gefragt, die etwas über ihre Erlebnisse zum Kriegsende erzählen können.

Zur Einstimmung zeigte ein Film von Ulrich Chaussy sehr eindrucksvoll die von den Nazis erzwungene Entwicklung des idyllischen Bergbauerndorfs zum "Führersperrgebiet Obersalzberg" und die Behandlung der Menschen durch das Regime. Richard Böhm wies darauf hin, dass der Landtagsabgeordnete Volker Bauer im Juli 2015 im Heidecker Bürgersaal mit den Zeitzeugen Oscar Schneider, Adolf Herler, Heinrich Ring, Karl Wechsler und Gästen über deren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg gesprochen habe. Aus den Berichten sei ein 30-minütiger Film entstanden, den man im Internet auf YouTube anschauen kann.

Andreas Meier erzählte, dass er als 16-Jähriger sechs Wochen vor Kriegsende zum Volkssturm verpflichtet worden sei. Er musste nach Schwabach in die Kaserne einrücken, wo er an einer vierwöchigen Grundausbildung teilnahm. Danach kam der Befehl zum Abmarsch in Richtung Eichstätt. Er sei damals mit vielen anderen jungen Burschen mit einer grauen Hose und mit dem Kaiser-Wilhem-Frack mit Stehkragen auf den Weg geschickt worden. Mit der Gredlbahn ging es bis nach Thalmässing und dann zu Fuß weiter nach Titting, wo man im Schulhaus übernachtete. Dort wurden sie mit der schwarzen Panzeruniform neu eingekleidet. Mit einem Rucksack, gefüllt mit Dosenfleisch und einem Leib Brot als Marschverpflegung, sei man von Eichstätt in der Dunkelheit in Richtung Ingolstadt marschiert.

Bei einer großen Panzersperre im Wald habe er sich mit Kameraden aus Pyras, Ohlangen und Laffenau versteckt. Da die Gruppe weitermarschierte und sie nicht vermisst wurden, seien alle vier in Richtung Heideck zurückgegangen und waren am nächsten Tag wieder zu Hause. Sein Nachbar, der Gendarm Staufer, habe ihm sofort geraten, sich zu Hause zu verstecken, "bis der Ami in Heideck ist". Er sagte zu ihm: "Wenn dich die Gestapo erwischt, dann wirst du erschossen oder aufgehängt." Das Verlassen der Truppe sei damals eine spontane Entscheidung gewesen und man sei sich der möglichen Folgen nicht bewusst gewesen, erzählte Andreas Meier.

Karl Wechsler, der zum Kriegsende acht Jahre alt war, konnte sich noch erinnern, dass er einige Zeit vor der Sprengung der Wäschbruck durch die deutsche Wehrmacht am 21. oder 22. April mit seiner Mutter auf einem Feld gegenüber dem heutigen Sportplatz an der Liebenstädter Straße unterwegs war. Auf dem Heimweg habe er auf den Stahldoppelträgern lauter viereckige Packungen gesehen, die wohl zur Sprengung der Brücke angebracht worden waren. In Höhe des alten Wasserhauses haben Soldaten gestanden. Ein Soldat rief ihnen zu: "Weiter, weiter - wir sprengen die Brücke!" Seine Mutter sagte damals zu den Soldaten: "Was wollt ihr denn - ihr haltet die Amis doch nicht auf." Worauf dieser zu seiner Mutter sagte: "Schaun's dass weiter kommen, sonst nehmen wir Sie mit!" Sie seien dann mit dem Fuhrwerk heimgefahren.

Tage später gab es einen gewaltigen Knall. Wechsler habe dann die zerstörte Brücke angeschaut. Es lagen lauter Brocken und verbogene Eisenstücke herum. Ludwig Schmidt erzählte, dass er von seinem Elternhaus aus (heute Märzhäuser) die Vorbereitungen der deutschen Soldaten für die Brückensprengung und Verminung der Straßenränder von Liebenstadt her beobachtet hatte. Die Soldaten seien nicht freundlich gewesen. Am Tage nach der Brückensprengung habe man vom Schwallmoos her den Lärm der anrückenden Panzer gehört. Etwa in Höhe des heutigen Bauhofs habe der Konvoi mit Jeeps, Lastwagen und Panzern angehalten. Es sei dann ein Jeep vorgefahren, aus dem ein Soldat ausstieg und in deutscher Sprache fragte, ob der Bereich um die Brücke vermint sei, was von den Leuten bestätigt wurde. Diese haben den Amerikanern die Minen gezeigt, die teilweise entfernt oder gesprengt wurden. Dann sei die Kolonne über den Platz vor der heutigen Stadthalle vorgerückt, durch den Bach gefahren und über die Hauptstraße weiter zum Marktplatz.

Karl Wechsler erzählte, dass später amerikanische Panzer auch vom Mändlskeller her in die Stadt herunter gefahren seien. Er habe mit mehr als zehn Burschen die amerikanischen Panzer angeschaut und damals zum ersten Mal einen "Neger" gesehen. Dieser richtete seine Panzerkanone auf ihn und die anderen Kinder aus, worauf sie alle davonliefen und der GI lauthals zu lachen anfing. Er habe dann Süßigkeiten und Kaugummis abgeworfen.

Ludwig Schmidt erinnerte sich, dass die Amerikaner in der heutigen Bürgerbegegnungsstätte ihre Feldküche eingerichtet hatten. Als Kinder hätten sie dort immer was zum Essen bekommen. Einmal habe er eine Banane bekommen, die er mit der Schale essen wollte. Der GI habe ihm gezeigt, dass man die Banane erst abschälen muss. Die Besetzung der Stadt durch die Amerikaner sei insgesamt friedlich abgelaufen. Auch seien die Soldaten immer gut zu den Bewohnern gewesen. Es sei kein Schuss gefallen und nach einer gewissen Zeit sei es ganz normal gewesen, dass die Amerikaner in Heideck waren.

Ein Teilnehmer erzählte, dass die Heidecker in den Tagen vor dem Eintreffen der Amis in den Nächten in den Heidecker Bierkellern wie den Barthskeller, Winklerskeller, Wurmskeller oder Hahnenwirtskeller Schutz vor möglichen Bombardierungen suchten. Am Tag hielt sich die Bevölkerung jedoch zu Hause auf. In den letzten Kriegstagen sei von der deutschen Wehrmacht ein Flugzeug über dem Schlossberg abgeschossen worden. Der Pilot überlebte und sei nach Heideck gebracht worden, wo er für einen Tag in eine Zelle im Rathaus eingesperrt wurde.

Um den aus Liebenstadt kommenden Menschen den Zugang zur Stadt Heideck zu ermöglichen, wurde schnell eine hölzerne Notbrücke gebaut, die erst 1955 durch eine neue Stahlbetonbrücke ersetzt wurde. Karl Wechsler erzählte, dass man noch heute einen Pfosten der einstigen Notbrücke unter der neuen Wäschbruck sehen könne. Allerdings nur, wenn die kleine Roth wenig Wasser führt.

Das nächste Erzählcafé findet am Donnerstag, 8. Dezember, um 14.30 Uhr im Rathaus statt. Thema sind Geschichten um "historische Gebäude" in der Stadt.