Heideck
Mit "rotem Jackerl" und schwarzer Politik

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner spricht bei zweiter Auflage der Heidecker Bürgergespräche Ja zu Leitkultur und Diesel

08.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:32 Uhr

Keine Wahlgeschenke, sondern Geschenke für den Besuch in Heideck bekommen die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die für den Landkreis Roth zuständige Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler und Heidecks Ehrenbürger Oscar Schneider als Schirmherr der CSU-Wahlkampfveranstaltung. - Foto: Leykamm

Heideck (HK) Bayerisches Selbstbewusstsein versprüht hat Ilse Aigner bei der zweiten Auflage der "Heidecker Bürgergespräche" in der Stadthalle. In ihrem Vortrag ging es um Leitkultur, Betreuungsgeld und den Dieselkraftstoff. Dabei zeigte sich die bayerische Wirtschaftsministerin ebenso wahlkampflustig wie gut gelaunt.

Extra für Heideck habe sie sich "ein rotes Jackerl angezogen", sagte die Oberbayerin. Wegen des Landkreisnamens, versteht sich, nicht etwa wegen eines politischen Gesinnungswandels. Als sie dann an ihrer schwarzen Bluse und schwarzen Hose herunterblickte, ergänzte sie süffisant: "Die Mehrheitsverhältnisse stimmen."

Und schon ging es zielgenau auf den politischen Gegner. So sprach sie von Martin Schulz als einem Mitbewerber Angela Merkels, "der Bundeskanzler werden wollte." Seinem Rufen nach sozialer Gerechtigkeit hielt die Ministerin entgegen: "Die beste Sozial- ist eine gute Wirtschaftspolitik." Diesbezüglich habe Bayern nach Kriegsende "eine blendende Entwicklung genommen" und sich ein internationales Renommee erarbeitet: "Überall wo ich hingehe, ist Bayern immer schon da."

Mit bayerischem und deutschem Selbstbewusstsein blickte Aigner auch über den großen Teich. Sie frage sich, aus welchem Grund sich der Präsident der USA über den Handelsüberschuss Deutschlands beklage, woran die Automobilindustrie bekanntlich einen großen Anteil habe. "Es hat niemand die Amerikaner gezwungen, deutsche Autos zu kaufen - sie sind eben einfach besser." Auch das Wachstum des Freistaats um zwei Millionen Menschen seit der Wiedervereinigung sei kein Gewaltakt gewesen. "Niemand hat sie hierher verschleppt - sie stimmten über ihren Wohnort mit dem Umzugskarton ab."

Die Diesel-Technologie vorschnell zu beerdigen, hält die Technologieministerin für fragwürdig. Sie befürchte, dass hier "ein ganzer Industriezweig aus ideologischen Gründen" zerstört zu werden droht, aber "mit mir nicht." Für Schummeleien bei den Abgaswerten habe sie allerdings wenig Verständnis. Es gelte Dieselautos nachzurüsten, statt sie nicht mehr in die Großstädte fahren zu lassen. "Das wäre ein Irrsinn." Wenn überhaupt, sollten zunächst Busse und Taxis umgerüstet werden.

Verbrennungsmotoren generell von den Straßen zu verbannen und stattdessen auf Elektroautos zu setzen, sei auch nicht das Gelbe vom Ei. Die Produktion und Entsorgung der Akkus führte Aigner als Gegenargument an und es müsse die Frage gestellt werden, woher der benötigte Strom dann überhaupt komme. Die CSU wolle in den nächsten zwei Jahrzehnten die Fahrzeuge im Straßenverkehr zu bis zu 45 Prozent mit erneuerbaren Energien antreiben. Der Verbrennungsmotor sei auf diesem Weg die wichtige Brückentechnologie. "Und wir brauchen auch den Diesel", so Aigner.

Ganz auf Parteilinie forderte die Ministerin eine Obergrenze in Sachen Zuwanderung. Gerade um den bislang nach Deutschland Geflüchteten auch Perspektiven in Sachen Wohnung, Bildung und Arbeit vermitteln zu können. Im vergangenen Jahr sei das für Bayern sehr gut gelungen. 30 000 Asylbewerber kamen laut Aigner in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse - in Nordhein-Westfalen seien es gerade mal 1300 gewesen.

Bei aller Integration gelte es aber auch die Vorstellungen, wie das Gemeinwesen funktionieren soll, beizubehalten - "das nennen wir Leitkultur, deswegen braucht nicht jeder Lederhose zu tragen." Presse-, Religions- und Meinungsfreiheit sowie Gleichberechtigung von Mann und Frau dürften nicht preisgegeben werden. Auf eigene Bräuche zu verzichten, sei indes ein falsches Verständnis von Toleranz.

Auf das Leiden kleiner Betriebe unter der Paragrafenflut machte im Frageteil des Abends der Laibstädter CSU-Chef Josef Baumann aufmerksam. Zumindest in Bayern habe man es geschafft, pro neuem Paragrafen einen alten abzuschaffen, hielt Aigner dagegen.

Heidecks Bürgermeister Ralf Beyer (Freie Wähler) und Stadtratsmitglied Thomas Schermer (CSU) beklagten die Praxis der Ausgleichsflächen, was in Heideck die Erweiterung eines Gewerbegebiets unmöglich mache. Hier müsse man das Bundesnaturschutzgesetz ändern, bestätigte Aigner. CSU-Kreischef Volker Bauer fragte sich, ob man nicht die Auspendlerzahl im Landkreis Roth verringern könne, wenn man den einen oder anderen Baum fällt - ohne zu behaupten, dass dies der richtige Weg wäre.

Vor einer Politik der Extreme warnte Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler (CSU), es brauche die Balance. Von der Demokratie als Chance der Geschichte sprach schließlich der Schirmherr der Bürgergespräche, Heidecks Ehrenbürger Oscar Schneider (CSU), ehemaliger Bundesbauminister.