Heideck
Küchle als essbares Symbol für gelungene Kerwa

Heidecker blicken beim Erzählcafé auf schöne Tradition zurück

26.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Die vier Stationen von köstlichen Küchle: Nach der Herstellung des Teigs zieht Maria Peter die Küchle mithilfe eines Holzpilzes aus. Dann versenkt sie Helga Peter im 200 Grad Celsius heißem Butterschmalz. Die fertigen Küchle warten auf der Anrichte auf den Verzehr. - Fotos: Peschke

Heideck (HK) Nach der langen Sommerpause sind wieder viele Besucher zu Richard Böhm ins Heidecker Erzählcafé geströmt.
Das Thema war die Allerwelts-kerwa, die in Bayern am dritten Sonntag im Oktober gefeiert wird.

Wie Richard Böhm zu Beginn des Erzählcafés hinwies, geht diese Tradition auf einen Generalvikariatserlass des Eichstätter Bischofs Franz Leopold Freiherr von Leonrod aus dem Jahr 1869 zurück, in dem die kirchliche Feier aller katholischen Kirchweihfeste mit Billigung des Märchenkönigs Ludwig II. auf diesen Sonntag verlegt wurde. In den evangelischen Kirchengemeinden hielten sich dagegen die alten Kirchweihtraditionen zwischen Mai und Oktober.

In der lebhaften Diskussion im Erzählcafé wurde schnell deutlich, dass neben den an der Allerweltskerwa angebotenen Speisen und den Kerwatänzen vor allem die Kerwalieder ein fränkisches Kulturgut sind. Deshalb dauerte es nicht lange, bis die Besucher mit dem wohl bekanntesten Kerwalied "Die Kärwa is kumma . . ." ins Thema einstiegen. Erika Österreicher erwies sich dabei als textsichere Vorsängerin. Auch das Kerwalied "Wo is' denn der Gergla" wurde mit Begeisterung gleich zweimal gesungen.

Das "Kerwaessen" war nach dem musikalischen Auftakt ein Thema, zu dem alle Besucher etwas beizutragen wussten. Zum kirchlichen Fest gehörte das Verzehren unterschiedlichster Speisen, vor allem das Kirchweihgebäck, dazu. Zum Mittagessen wurden in den Familien und Wirtshäusern traditionelle Essen wie die "Kerwasuppn", meist eine Rindersuppe mit Leberknödeln und selbst gemachten Nudeln angeboten. Dazu gehörte auch ein saftiger "Kerwabraten" vom Rind, Kalb, Schwein oder Geflügel - alles mit "Knidla", Kraut und viel Soße.

Zum Kaffee gab es die in Franken üblichen Kirchweihküchle, die in unterschiedlichen Größen auf den Tisch kamen. Ein Teilnehmer erzählte, dass es die größten Kerwaküchle in Büttelbronn gebe, wo als Maß ein Suppenteller gilt. Es wurde erwähnt, dass auch der Kolbenhof für große Küchle bekannt sei.

Helga Peter aus Laibstadt, die in ihrem Leben schon viele Hundert Kerwaküchle gebacken hat, weiß zu berichten, dass das Herstellen der "Ausgezogenen" eine aufwendige Arbeit ist. Die Zutaten wie Hefe, Mehl, Milch, Eier, Butter, eine Prise Salz und Zucker müssen Zimmertemperatur haben. Der passende Teig sei nämlich der Garant für gelungene Küchle. Nach dem Gären des Vorteigs werden die restlichen Zutaten hinzugegeben und der Teig handgeschlagen oder mit der Küchenmaschine bearbeitet. Nach einer weiteren Gärzeit werden die Teiglinge per Hand oder über einen Holzpilz ausgezogen und vorsichtig mit der aufgerollten Seite nach unten in das etwa 200 Grad Celsius heiße Butterschmalz gegeben.

Die Küchle gelten als gelungen, wenn sie einen schönen weißen Rand und in der Mitte ein dünnes "Fenster" hatten. Früher waren die schön gebackenen und mit Puderzucker bestreuten Kerwaküchle das Aushängeschild der Bäuerin. Die Hauptsache war aber, dass sie vorzüglich schmeckten. Wenn ein Küchle nichts "worn" ist, habe man sie zusammengedreht und als "Krawatte" oder "Dutsch'n" gegessen. In einigen evangelischen Gemeinden sei das "Kopfkissen" das übliche Gebäck gewesen, jedoch wurden auch große Küchle, "Wagenräder" genannt, angeboten.

Eine Frau erzählte, wie sie die Kissen herstellte. Der Hefeteig wurde eineinhalb Zentimeter dick ausgerollt. Mit dem Teigrädchen wurden Scheiben ausgestochen. Diese habe man nach dem Gären in das heiße Fett geworfen.

Andreas Meier erwähnte, dass er seit seiner Jugend ein Spezialist für "Feuerspatzen" ist. Diese werden mit dem Löffel aus dem gegorenen Hefeteig gestochen und ebenso im heißen Fett ausgebacken. Manche Feuerspatzen habe er mit Rosinen oder Quark gefüllt. Diese fanden immer schnell ihre Abnehmer. Genannt wurden auch Rohrnudeln, die in Franken "Bainzle" und von den Flüchtlingen "Buchteln" genannt wurden. In Laibstadt wurden kleinere Bainzle, "Stempen" genannt, angeboten, die mit allerlei Früchten gefüllt waren. Nachdem zur Allerweltskirchweih die Zwetschgen reif werden, wurden in dieser Zeit immer "Zwetschgendatschi" mit und ohne Streusel angeboten.

Anni Münch gab zum Besten, dass die Augsburger deshalb von jeher den Spitznamen "Datschiburger" führen. Auch Kerwastrietzel, Kerwaplodz und Variationen von Streuselkuchen waren in dieser Zeit besonders beliebt.

Der Kerwatanz im Gasthof Wurm oder Barth war früher eine beliebte Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Ein Teilnehmer erzählte, dass er an der Allerweltskerwa als 17-Jähriger zum Bierholen in den Gasthof Wurm geschickt wurde. Als er die Tanzmusik im Obergeschoss hörte, sei er neugierig hinaufgegangen, um den Tänzern zuzuschauen. Es sei so proppenvoll gewesen, so dass er fast nicht mehr herunterkam.

Eine Polizeikontrolle habe ihn wegen des unberechtigten Besuchs einer Tanzveranstaltung angezeigt. Als Strafe musste er dann ein Wochenende in der Jugendarrestzelle in Roth verbringen. Andreas Meier ergänzte, dass er einmal sieben Tage vor seinem 18. Geburtstag zum Tanz gehen wollte, aber von einem Gendarm abgewiesen wurde, weil er noch nicht 18 war.

Er sei dann an seinem 18. Geburtstag wieder zum Tanzen gegangen, und wurde von der Kontrolle mit der Bemerkung begrüßt: "Wos toust denn du scho widder do" Er musste seinen Ausweis vorzeigen und durfte dann erstmals in den Tanzsaal. Damals waren so viele Menschen dort, dass mitten durch den Saal ein Seil gespannt wurde und abwechselnd nur die linke oder die rechte Seite tanzen durfte.

Anni Brüchle erzählte, dass sie beim Kerwatanz ihren späteren Mann kennengelernt hatte. Dieser war ein bekannter Musiker aus Thalmässing, der mit Freunden im Lindwurm mit der Trompete zum Tanz aufspielte. Sie habe ihn bei der ersten Begegnung für das gute Spiel eine Maß Bier hingestellt und wurde später von ihm zum Tanz geholt. Sie dachte sich damals: "Vorsicht, der kommt aus Thalmässing, das ist bestimmt ein Lutherischer." Sie verliebten sich jedoch, als er mit seinem Ausweis nachweisen konnte, dass er katholisch ist.

Das nächste Erzählcafé findet am 10. November um 14.30 Uhr im Rathaus statt. Thema sind dann "Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg".