Heideck
"Das ist ein Verbrechen"

Johannes Pfaller berichtet, wie Milchbauern in Burkina Faso unter dem Aus der Milchquote leiden

01.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Während der Trockenzeit im Mai müssen die in Burkina Faso lebenden Kühe von Reserven leben und sind deshalb sehr dünn. Johannes Pfaller hat sich zehn Tage lang ein Bild Von der Not der Milchbauern in dem westafrikanischen Land gemacht. - Foto: Privat

Heideck/Ouagadougou (HK) Viehhalter im westafrikanischen Burkina Faso leiden unter der Liberalisierung des europäischen Milchmarktes. Johannes Pfaller aus Heideck, der Vorsitzende des Bundesbeirats im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), hat ihnen einen Besuch abgestattet.

Als Johannes Pfaller im Mai in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, ankam, hatte er den Eindruck, in einer völlig anderen Welt gelandet zu sein. "Ich habe mich gefühlt, als wäre ich 200 Jahre zurück versetzt worden", erzählt er nach seiner Rückkehr im Gespräch mit unserer Zeitung. Das habe nicht nur an der fehlenden Infrastruktur gelegen: In den zehn Tagen seines Besuchs habe er viel Kontakt zu den dort lebenden Menschen gehabt. "Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt, und die Bewohner müssen jeden Tag um ihr Einkommen kämpfen", berichtet Pfaller. Trotzdem habe er das Gefühl gehabt, dass diese nicht unglücklich sind - sondern durchaus zufrieden mit dem, was ihnen in ihrem harten Leben zur Verfügung steht.

Für etwa ein Drittel der Bevölkerung ist das hauptsächlich ihr Vieh. "Die Versorgung des Landes erfolgt vor allem über kleinbäuerliche Strukturen", sagt Pfaller. Ohne diese könne ein armes Land wie Burkina Faso nicht ernährt werden. Verantwortlich für die Tiere seien vor allem Frauen, die Landwirtschaft betreiben und sich mit selbstgebauten Molkereien zur Milchpasteurisierung ihr Einkommen und somit auch die Existenz ihrer Familien sichern.

Eine von ihnen traf der Heidecker in Tambolo im Süden des Landes: Marianne Diallo, Vorsitzende einer Molkerei, die täglich etwa 150 Liter Milch und Joghurt verkauft - was reicht, um 70 Familien zu ernähren. "Wir können uns selbst versorgen", betonte sie Pfaller zufolge, was sicher mit einem gewissen Stolz auf die Eigenständigkeit verbunden war.

Doch damit ist es nun vorbei, wie Pfaller im Zuge seines Besuchs im Auftrag des BDM mit Vertretern des Hilfswerks Misereor ebenso erfahren musste: "Die Kleinbauern kämpfen jetzt ums Überleben." Grund seien die Auswirkungen der Liberalisierung des europäischen Milchmarktes. Zwar sei Burkina Faso in einem gewissen Maß abhängig vom Import europäischer Produkte. Doch seit dem Aus der Milchquote im vergangenen Jahr sei gerade die Einfuhr von hierzulande überschüssigen Milcherzeugnissen stark gewachsen. Laut Pfaller produziere die EU jährlich 160 Millionen Tonnen Milch - vor eineinhalb Jahren seien dies noch 145 Millionen gewesen.

Das Ergebnis: eine große Existenznot der afrikanischen Kleinbauern. "Die EU-Produkte sind im Schnitt um die Hälfte billiger als dort heimische", erklärt Pfaller. Milchpulver beispielsweise sei leicht herzustellen, billig zu transportieren und lange haltbar - gerade einmal 20 Cent koste der europäische Liter, der afrikanische liege bei etwa 40 Cent. "Europa hat im Alleingang den Weltmarktpreis kaputt gemacht", klagt Pfaller.

Was noch viel schlimmer sei: "Mit dieser Marktideologie sorgen wir für Elend und Hunger in anderen Ländern, weil die Familien in Burkina Faso keine anderen Einkommensmöglichkeiten haben, als ihre Milch zu verkaufen", mahnt der Heidecker. Die Landwirtschaft dort könne nicht mit den Dumpingpreisen in der EU konkurrieren. "Das ist eigentlich ein Verbrechen, wir dürfen da nicht wegsehen."

Die europäischen Betriebe allein könnten hier allerdings keine Abhilfe schaffen. "Was wir europaweit brauchen, ist die Möglichkeit, die produzierte Menge zu drosseln, wenn es zu viel Milch wird", sagt Pfaller. An dieser Stelle stehe die Europäische Union in der Verantwortung, den dazu notwendigen Rahmen zu schaffen. Der Plan eines sogenannten Marktverantwortungsprogramms werde Pfaller zufolge mittlerweile von zwölf Ländern unterstützt. "Dieses besagt, dass Betriebe in dem Moment, in dem sie zu viel produzieren, eine Strafe zahlen müssen, und bei zu geringer Menge eine Entschädigung erhalten."

Ein Hindernis, diesen Plan bald umzusetzen, sei ausgerechnet Deutschland. Noch stellen sich laut Pfaller die Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sowie der Bauernverband quer, weil sie am billigen Export festhalten wollen. "Wir sind in der EU aber so einflussreich, dass es nicht ohne uns geht", sagt Pfaller. "Jetzt liegt es an den Milchbauern, den Druck zu erhöhen." Und der sei bereits gewaltig.