Greding
Vom Speiseplan unserer Vorfahren

Martin Nadler gewährt einen Einblick in die Funde der Archäologen am Gredinger Baugebiet "Distelfeld"

23.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Foto: Tanja Stephan

Greding (HK) Die Funde der Ausgrabungen am Gredinger Baugebiet "Distelfeld" geben Aufschluss darüber, wie die Siedler in längst vergangenen Zeitaltern gelebt haben. Martin Nadler vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege gewährt einen Einblick in die Arbeit der Archäologen.

Martin Nadler holt einen Unterkiefer aus einer Plastiktüte. Seine erste Vermutung ist Schwein, ordnet den Fund aufgrund der riesigen Zähne dann doch einem Wiederkäuer zu. "Wahrscheinlich ein Hirsch", sagt er. Ihn wundere das nicht, schließlich hätten Menschen als Selbstversorger zu nahezu allen Zeiten gejagt. "Das zeugt vom Speiseplan der damaligen Siedler und davon, welche Haustiere sie gehalten haben", erklärt er, und steckt die Knochen zurück in die Tüte. Die Landwirtschaft sei hier immer gut ausgeprägt gewesen, aber manchmal habe es eben Perioden gegeben, in denen die Viehzucht nicht so gut lief und mehr gejagt wurde.

Der Leiter der Nürnberger Dienststelle des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege sitzt in einem engen Bauwagen, auf dem Tisch liegen kryptische Karten und noch mehr Ausgrabungsfunde. Knochen haben die Archäologen bisher wenige entdeckt. "Was uns sowieso primär freut, sind die Keramikscherben", erklärt Nadler. Allein die Gefäßform erlauben ihm zufolge genaue Zeitangaben. "Keramik ist wie so vieles einer Mode unterworfen, und die Gefäßformen haben sich kontinuierlich verändert." So kramt er Scherben aus dem 5. Jahrhundert vor Christus, der sogenannten Latènezeit, hervor genauso wie wesentlich ältere, rot überzogene Exemplare aus der Hallstattzeit sowie ein schwarz glitzerndes Graphitstück, das vermutlich aus dem letzten Jahrhundert vor Christus stammt. "Es ist eine Puzzlearbeit, die zu sortieren und möglicherweise wieder zusammenzusetzen", sagt Nadler mit Blick auf die Tütchen.

Plötzlich wird er ein bisschen aufgeregt. Nadler hat eine unscheinbare dunkle Scherbe in dem Haufen entdeckt und dreht sie hin und her. "Ich habe den Verdacht, dass sie germanisch sein könnte", erwähnt er gegenüber einem Kollegen. "Das wäre spannend, weil bisher gilt es als gesichert, dass es im Vorfeld des Limes keine germanische Besiedlung gab." Aber in der Archäologie könne sich eben immer alles von heute auf morgen grundlegend ändern.

Neben den Knochen und Scherben liegt ein Spinnwirtel, ein kleiner runder Gegenstand mit Loch, der einst als Schwunggewicht für eine handbetriebene Spindel diente. Nicht ganz so spannend, findet Nadler. "Spinnwirtel hat jeder Haushalt massenhaft besessen, die sind zeitlich schwer zu bestimmen, weil sie in allen Perioden und sogar über Kontinente hinweg ähnlich aussahen", erklärt der Archäologe. Ein rarer Fund dagegen sei das kleine, geschwungene Metallstück - wohl Teil einer einst wertvollen Spange, das ein unglücklicher Siedler einmal verloren hat. "Freiwillig weggeschmissen hätte das aufgrund des hohen Materialwerts wahrscheinlich keiner", merkt Nadler an.

Etwa 2000 Funde haben die Archäologen einer privaten Ausgrabungsfirma seit Ende vergangenen Jahres zusammengetragen, über 4000 erwarten sie. Die ältesten stammen aus der späten Bronzezeit und damit aus dem 12. Jahrhundert vor Christus. "Die Funde sind sehr dicht und stammen aus so vielen Zeitepochen, dass es schwierig ist, die Siedlerzeit nachzuempfinden", sagt Nadler. Vor allem die Kelten haben dem Experten zufolge ihre Spuren dort hinterlassen, wo bald große Häuser in den Himmel wachsen sollen. Und das ist ein Problem: "Im Herbst wollen die ersten Leute anfangen, im ,Distelfeld' zu bauen", erläutert Nadler. "Die meisten Parzellen sind schon verkauft, viel Zeit bleibt uns also nicht mehr." Der Fortschritt sei vom Wetter abhängig, angedacht werde, vielleicht ein zweites Grabungsteam hinzuzuziehen.

Noch holen die Archäologen zwischen den großen Erdhaufen und Baggern aber Fund um Fund aus der Erde. Zwischen dem Schotterweg, wo bald eine Straße zwischen den Häusern entlangführen soll, und den Feldern ringsherum haben sie vorsichtig den Humus abgetragen. Überall dort, wo sie Scherben oder Knochen vermuten, stecken bunte Stäbchen im Boden oder sind pinkfarbene Markierungen. Das geübte Auge erkennt an den dunklen Kernschatten im Erdreich, wo einmal ein Pfahl, eine Vorrats- oder Abfallgrube gewesen sein könnte. Dann wird die große Schaufel beiseitegelegt und der Spachtel hervorgeholt. "Das ist ein sehr fundreiches Gebiet, wir wussten im Vorfeld schon, dass hier eine große Ausgrabung nötig werden würde", erzählt Nadler. "Die Sachen waren in der Erde gut geschützt, durch die Baumaßnahmen müssen diese jetzt aber freigelegt und sachkundig dokumentiert werden."

Nun ist Nadler auf der Suche nach jemandem, der die altertümlichen Scherben, Knochen und Haushaltsgegenstände wissenschaftlich analysieren möchte. "Große Entdeckungen erwarten wir jetzt eigentlich nicht, aber wenn es so wäre, wäre das gerade für das Museum schon eine tolle Sache", gibt der Archäologe zu bedenken. Denn am Ende werden die Funde im archäologischen Museum in Greding eingelagert - wo sie von über 14 Jahrhunderten Menschheitsgeschichte erzählen werden.