Greding
Flüsterasphalt, der nicht flüstert?

Anwohner empfinden keine Minderung des Verkehrslärms nach den Baumaßnahmen an der A 9

24.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Der dunkle, frisch aufgetragene Flüsterasphalt von Richtung München nach Nürnberg ist gut zu erkennen. Im Zuge der letzten Bauarbeiten gilt teils nach wie vor die Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 Kilometern pro Stunde, was den lärmgeplagten Anwohnern zugutekommt: "Dadurch ist es automatisch leiser", sagt Winfried Beck.

Greding (HK) Seit knapp sechs Wochen sind die Bauarbeiten an der A 9 bei Greding beendet. Der neue Flüsterasphalt soll zu einer Minderung des Verkehrslärms beitragen. Viele Anwohner haben allerdings nicht das Gefühl, dass sich etwas zum Positiven verändert hat.

Winfried Beck und Elisabeth Albrecht sitzen im Wohnzimmer ihrer Nachbarin Heide Mißlbeck. Die Balkontür steht offen, Sonnenstrahlen scheinen durch den Vorhang - und aus der Ferne ist ein stetes Rauschen zu hören. Mal lauter, mal leiser, aber immer präsent. "Wenn wir uns jetzt raussetzen würden, könnten wir uns nicht vernünftig unterhalten", sagt Beck. Und das ist den Dreien zuwider. "Ich will mich nicht hinter einer Fünffachverglasung verstecken, und im Sommer möchte ich den Garten und den Balkon nutzen können", ergänzt Beck, und Albrecht meint: "Manchmal fühle ich mich wie im Gefängnis."

Die Leidensgenossen leben im Wohngebiet am Kalvarienberg, das nahezu parallel zur Autobahn verläuft. Seit Jahrzehnten führen sie einen Kampf für Maßnahmen zur Minderung des Verkehrslärms, der sowohl von der A 9 als auch der Staatsstraße 2227 bis in die Häuser der Anwohner dringt. "Man muss den Lärm an der Quelle packen", fordert Beck. Dies beziehe sich - im Fall der Autobahn - auf den Straßenbelag, eine Geschwindigkeitsbegrenzung sowie eine Lärmschutzwand. In Sachen Straßenbelag hat sich nun endlich etwas getan: Bereits 2014 wurde die Asphaltdeckschicht in Fahrtrichtung München erneuert, in diesem Sommer ist auch in der entgegengesetzten Richtung der sogenannte lärmarme Splittmastixasphalt aufgetragen worden.

Hat sich dadurch eine Verbesserung eingestellt? Nach Angaben der Autobahndirektion Nordbayern waren die Baumaßnahmen erfolgreich. "Messungen aus dem Jahr 2014 zeigen, dass die angestrebte Lärmminderung des Belags von -4 dB(A) (ein Messwert zur Angabe des Schalldruckpegels, Anmerkung der Redaktion) erreicht beziehungsweise sogar deutlich überschritten wurde", heißt es in einem Schreiben aus der Pressestelle. An den Messpunkten seien sogar -7,4 dB(A) und -8,0 dB(A) gemessen worden. Festgestellt worden sei auch, dass die ermittelten Werte für Autos nur geringfügig niedriger liegen als diejenigen für Lkw. Insgesamt werde die Lärmminderung durch den neuen Belag als "gut" eingestuft. Die schalltechnischen Untersuchungen an der in diesem Jahr ausgebauten Strecke stünden noch aus. "Diese Untersuchungen wurden bereits beauftragt und werden im Spätsommer beziehungsweise Herbst durchgeführt", heißt es.

Für Beck, Albrecht und Mißlá †beck - sowie viele ihrer Nachbarn, wie sie betonen - reicht das nicht aus. "Der neue Belag ist nicht schlechter als der alte, aber wir empfinden keine Verbesserung", klagt Mißlbeck. Sie und ihre Mitstreiter glauben, dass bei den Messungen viele Aspekte nicht berücksichtigt werden. Dazu zählen die Tallage, die Wettersituation - "Winterreifen sind wegen ihres Profils viel lauter" - sowie die Unterschiede im Verkehrsaufkommen, beispielsweise zu Reisezeiten. "Langzeitmessungen sollten da schon durchgeführt werden", schlägt Beck an dieser Stelle vor.

Außerdem gebe es noch weitere Möglichkeiten zur Minderung des Verkehrslärms - gerade, weil die Autobahn quasi mitten durch die Stadt führe. "Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 Kilometer pro Stunde ist eigentlich immer unser Wunsch gewesen", sagt Mißlbeck. "Aber der wurde uns nie gewährt." Dabei wäre diese Maßnahme von Hausen bis Mettendorf Albrecht zufolge einfach umzusetzen - und würde kaum etwas kosten. "Nirgends wird so gerast wie bei uns, und an anderen Stellen in Deutschland werden doch auch entsprechende Schilder aufgestellt", sagt sie.

Dies ärgere sie vor allem deshalb, weil sie und ihre Nachbarn in den vergangenen Monaten gemerkt hätten, wie wirkungsvoll dies auf Dauer tatsächlich wäre. "Als die Geschwindigkeit während der Bauzeit begrenzt war, haben wir kaum etwas gehört", erzählt Beck. Und auch jetzt seien die Verkehrsgeräusche noch auszuhalten, da die Autos und Lastwagen im Zuge der letzten Bauarbeiten nach wie vor langsamer fahren müssten.

Zahlreiche Unterschriftenlisten und Briefe - zum Beispiel an das bayerische Innenministerium - haben in den vergangenen Jahrzehnten aber kaum eine Wirkung erzielt. Eine Aktion gegen den Verkehrslärm haben Beck, Albrecht und Mißlbeck deshalb schon lange nicht mehr gestartet "Die letzten Beschwerden datieren aus dem Jahr 2015", heißt es auch aus der Pressestelle der Autobahndirektion Nordbayern. "Irgendwann resigniert man halt", sagt Beck am Ende mit einem Schulterzucken.