Greding
Vor einem Mann "behüt' uns Gott"

Frauen beleuchten in Pappenheim die Rolle ihre Geschlechtsgenossinnen in der Reformation

31.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:43 Uhr

Foto: Volker Luff

Greding/Thalmässing (HK) 500 Jahre Reformation feiern vor allem die evangelischen Christen in diesem Jahr. Das Jubiläum hat auch den Frauentag der beiden Dekanate Weißenburg und Pappenheim in der Stadt an der Altmühl am Montag inspiriert. Zu einer eher ungewöhnlichen Sicht.

Martin Luther, Philipp Melanchthon, Johannes Calvin: Die weithin bekannten Akteure der Reformation sind männlich. Doch welche Rolle spielten Frauen bei dieser emanzipatorischen Kirchenbewegung vor fünf Jahrhunderten? "Die Reformationsbewegung hätte nicht diese Durchschlagskraft entwickelt, hätten die Frauen sie boykottiert." So lautete die selbstbewusste Ausgangsthese der Nürnberger Historikerin Nadja Bennewitz, die Referentin des Tages. Sie befasst sich mit "Frauengeschichte", nahm ihre Zuhörerinnen quasi mit in ein historisches Proseminar, in dem sie nachzuweisen versuchte, dass Frauen weit mehr für die Reformation getan haben als gemeinhin bekannt. Und zwar viele Frauen, wenngleich sie die Lebensläufe von Luthers Ehefrau Katharina von Bora und der Adeligen Argula von Grumbach als Beispiele näher unter die Lupe nahm.

"Hier steht sie, sie kann nicht anders - . . . sie kann auch anders." Derart doppeldeutig war schon das Thema des Tages formuliert, zu dem Ursula Mottl und Kathrin Federschmidt als Clowns hinführten: Die eine mit Helm, Schwimmweste und einem Stein in der Tasche schwer bepackt und gramgebeugt, die andere lebensfroh und so leichtfüßig unterwegs, dass sie sich beim Gang durch die Reihen kurzerhand den Pappenheimer Dekan Wolfgang Popp schnappte und ein Tänzchen mit ihm wagte. Dieser "fulminante Einstieg\", so die Berolzheimer Pfarrerin Myriam Krug-Lettenmeier, die Chefin des Organisationsteams, veranschaulichte den Spagat, den ihr zufolge Frauen auch heute noch immer zu leisten hätten: "Sie stehen zwischen Zwängen und ihren Wünschen." Das Tagesthema solle den Zuhörerinnen Mut machen, sich nicht mit ihren angestammt Rollen abzufinden, ergänzte der Dekan. So wie beispielsweise Bertha Kipfmüller, die erste promovierte Gelehrte in Bayern - und auch die erste Doppeldoktorin. Die gebürtige Pappenheimerin lebte später übrigens im Forsthaus in Stauf.

Auf andere große Frauen ging im Anschluss Nadja Bennewitz ein, unter anderen auf "die Lutherin" Katharina von Bora, entflohene Nonne und später die Ehefrau des Reformators. Ohne sie "wäre Luther nicht der geworden, den wir kennen", sagte die Historikerin. Während er seine Schriften verfasste, packte sie an, ließ das sogenannte Schwarze Kloster unterkellern, braute das Bier und hielt die Familie zusammen. Mehr noch, die Eheschließung zwischen der entflohenen Nonne und dem ehemaligen Mönch, sei auch ein Zeichen gewesen, ohnehin habe Luther den Ehestand deutlich überhöht: "Das Leben in der Ehe ist für die Frau das ausschließliche Daseinsprinzip."

Mit dieser Ansicht grenzten sich die Reformatoren deutlich von der katholischen Kirche ab, die die Ehe verdammte und die Keuschheit hochhielt. Erst sehr viel später sei den Frauen aus diesem emanzipatorischen Ansatz "ein Strick gedreht worden", wie Bennewitz sagte: Die berüchtigten drei Ks - Kinder, Küche, Kirche - die heute konservative Wertvorstellungen auf den Punkt bringen, haben der Historikerin zufolge seinerzeit einen völlig anderen Hintergrund gehabt, es ging um den Antiklerikalismus.

Ohnehin sei es nicht möglich, von der Frau in der Reformationszeit zu reden, so Bennewitz, zu verschieden seien schon im 16. Jahrhundert die Interessen gewesen. Während etwa Patrizierfrauen in Nürnberg sich für die Reformation einsetzten, hätten ihre Töchter im Kloster längst dieses privilegierte Leben zu schätzen gelernt. Dort hätten sie ein Leben in gehobener Position führen können, das andernorts undenkbar gewesen sei.

Als die Stadt Nürnberg Klöster schließen wollte, sei es zum Eklat gekommen, Mütter holten ihre Töchter mit Gewalt heraus. "Klosterstand ist Gott unbekannt", diese Ansicht habe etwa die Patrizierin Ursula Tetzel vertreten. Die Gegenposition vertrat die hochgebildete Äbtissin des Klarissenklosters Caritas Pirckheimer, die sich gegen die Zwangseinführung der Reformation in ihrem Kloster wehrte. Mit den Worten: "Sollen wir uns etwa einen Mann nehmen? Davor behüt' uns Gott." Aus dem Kloster ausgetretenen Nonnen ist laut der Historikerin nur die Ehe geblieben - doch empfanden viele von ihnen dies als gesellschaftlichen Abstieg.

Vermögende Patrizierinnen - und mit ihnen auch viele andere Frauen - hätten die Reformation dagegen begrüßt. Es sei ein Schritt gewesen, sich gegen die kirchliche Bevormundung zu wehren, so Bennewitz. Vielleicht seien einige anfangs auch angetan gewesen, dass die Reformatoren das Laienpriestertum auch für Frauen vorsah.

Die Ausführungen der Nürnberger Geschichtswissenschaftlerin wurde in der Evangelischen Landvolkshochschule in Pappenheim auch noch durch die Wanderausstellung "Vom Dunkel ins Licht" ergänzt, die der Verein FrauenWerk Stein erarbeitet hat. Die Dekanatsfrauenbeauftragte Bri-gitte Reinard führte durch die Ausstellung - dies war einer der vielen Workshops, in denen sich die Teilnehmerinnen der beiden Dekanate das Thema des Einflusses der Frauen nachbereiteten. Zudem wurde mit praktischen Elementen wie einem meditativen Spaziergang oder Tai Chi Sorge getragen, dass der Frauentag wieder weit mehr war als ein historisches Seminar, nämlich eine wohltuende Auszeit vom Alltag.