Greding
Emotionales Fenster in die Geschichte

Rundgang durch neu eröffneten Bereich des Gredinger Archäologiemuseums – Bisher positives Feedback

04.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:50 Uhr

Foto: Andrea Karch

Greding (HK) Gut fünf Wochen ist die Eröffnung der dritten und letzten Stufe des Gredinger Archäologiemuseums nun her. Viele Besucher, vor allem am Altstadtfestsonntag, haben seither die Möglichkeit zu einer Zeitreise von der Steinzeit zum Frühmittelalter genutzt.

„Das Feedback war durchwegs positiv“, freut sich Museumsleiterin Bettina Kempf. Die Besucher hätten vor allem gelobt, dass man in diesem Museum den Menschen von einst Aug’ in Aug’ gegenüberstehe, da die Ausstellung dank gelungener Installationen besonders lebendig wirke. Dieses Lob tut der Museumsleiterin natürlich gut, waren doch die Anfänge nicht ganz einfach, wie sie einräumt. Am Anfang konnten die Besucher im Museum lediglich die Fünffachbestattung eines Fürstens mit seinen Kriegern besichtigen. Das ist zwar der Nachbau eines Fundes von europäischem Rang, aber nicht genug für einen ausgiebigen Museumsbesuch.

Der ist jetzt aber seit Ende Juli möglich. Mit der Eröffnung der dritten und letzten Stufe des Museums kann sich der Besucher auf eine Reise durch die Epochen der Geschichte seit 12 000 Jahren machen. „Und das Schöne ist, dass wir alle Epochen mit Funden aus unserer Region belegen können“, unterstreicht Kempf. Ob Ausgrabungen im Vorfeld des Wasserleitungsbaus, dem Bau der ICE-Trasse oder dem der Einkaufsmärkte in der Kindinger Straße – überall stößt man in Greding auf Zeugnisse der Vergangenheit. „Deshalb werden im Herbst auch erst einmal die Archäologen anrücken, wenn der Humus im neuen Baugebiet Distelfeld abgeschoben wird“, erklärt Michael Pfeiffer, geschäftsleitender Beamter der Stadt Greding.

Aber auch schon zu früheren Zeiten machten Heimatkundler wie Alfred Forstmeyer bedeutsame Funde, zum Beispiel auf dem Euerwanger Bühl. Die waren bereits im früheren Museum Natur und Mensch in Greding ausgestellt und stehen nun am Eingang der Ausstellung im zweiten Stock. Denn sie markieren den Anfang der Siedlungsgeschichte in der Gredinger Region, der auf etwa 10 000 vor Christus datiert wird. Quasi in die Ausstellung geholt wird der Besucher von einem steinzeitlichen Jäger, der über die Schulter zurückblickt – eine Idee von Bettina Kempf. Der Jäger ist im Stil von Höhlenmalereien auf die Wand gemalt, auch wenn solche Darstellungen in Deutschland bisher nicht entdeckt wurden. „Die Motive stammen aus Höhlen in Frankreich und Spanien.“

Im Höhlensystem am Euerwanger Bühl sind aber Langknochen, Wirbel und Zahn eines elefantengroßen Wollhaarmammuts gefunden worden, das in unseren Breiten vor 10 000 Jahren ausgestorben ist. In diesem Höhlensystem hat Alfred Forstmeyer auch das älteste datierte Relikt menschlichen Lebens im Gredinger Umland gefunden: eine mesolithische Feuerstelle, die dank 14-C-Datierung auf 7200 vor Christus datiert werden kann. Sie wurde in ein Tipi integriert, das einen Eindruck davon vermittelt, wie die Menschen in der Steinzeit gelebt haben.

In der Jungsteinzeit wurden die Nomaden langsam sesshaft, wurden aus Tipis einfache Häuser mit Lehmwänden und Strohdach. Ein Teil eines solchen jungsteinzeitlichen Hauses ist im Museum aufgebaut. Die Frau, die davor sitzt, hält eine Teigschüssel in der Hand, denn damals wurde bereits Getreide angebaut und Brot gebacken.

Nicht von einem entbehrungsreichen Leben, sondern vom Tod eines gesellschaftlich höher stehenden Menschen erzählt die nächste Installation. 26 Meter lang war die Grabanlage, die die Archäologen bei Grabungen im Vorfeld der Errichtung des Edeka-Marktes entdeckt haben. Im repräsentativ gestalteten Vorraum des Langgrabs lag die Bestattung eines älteren Mannes in extremer Hockerstellung. Um einen Eindruck von diesem monumentalen Langgrab zu vermitteln, wurde die Anlage mit Fichtenstämmen an der Wand des Raums angedeutet. Ein auf eine Leinwand gedrucktes Bild eines Skeletts – so wie es die Archäologen bei Ausgrabungen sehen – tut das Seine, um eine eigentümliche Stimmung in diesem kleinen Raum zu schaffen. „An die Türen kommen noch Vorhänge hin, um den Raum noch mehr abzudunkeln“, erklärt Bettina Kempf. Dunkel ist in dem Raum auch der Nachthimmel, den eine Kirchenmalerin gestaltet hat. „Und der Rauchmelder wird als Mond eingebunden“, sagt Kempf und lacht.

Respekt zollt die Museumsleiterin den Handwerkern aus der Bronzezeit, die die üppigen und großen Vorratsgefäße geschaffen haben, die im nächsten Raum zu sehen sind. „Und das ohne die Unterstützung durch eine Töpferscheibe.“

Eine regelrechte Revolution vollzieht sich in der Bronzezeit, die etwa um 2200 vor Christus Mitteleuropa erreichte. Aus diesem Metall, das aus neun Teilen Kupfer und einem Teil Zinn besteht, konnte man effektivere Waffen herstellen. Dass Bronze aber auch viel mehr war als nur ein Gebrauchsmetall, sieht man an den Schmuckstücken, die daraus hergestellt wurden. „Man hat das als Statussymbol getragen“, weiß Bettina Kempf. Auf allen Gebieten vollzog sich in der Bronzezeit ein Wandel. Das ist auch bei den Handelsbeziehungen spürbar. Bronze wurde in allen Formen europaweit gehandelt, aber auch Güter wie Kupfer, Zinn, Gold, Bernstein und Salz.

Für Verkauf und Handel bestimmt waren auch die 36 Spangenbarren (Rohbarren), die Randleistenbeile und vor allem die Goldringe, die bei Ausgrabungen im Gredinger Gewerbegebiet gefunden wurden. „Die Vitrine mit diesem Hortfund ist für mich eine der faszinierendsten“, sagt Bettina Kempf. „Das ist ein Schatzfund.“ Und sie erinnert sich noch gut an das Gänsehautgefühl, das sie hatte, als sie die Ringe aus Gold in die Hand nehmen durfte – mit weißen Handschuhen natürlich. „Da geht einem das Herz auf.“

Dass sich schon seit Jahrtausenden Verkehrswege im Schwarzachtal bündeln, sieht man in einem anderen Raum. Dort wird die Replik eines Scheibenrads aus dem Jahr 920 vor Christus gezeigt, das zu einem Ochsenkarren gehörte. Mehr Geschwindigkeit schafft der ICE, der heute durch das Tal fährt. Sein rund 600 Kilogramm schweres Rad musste von acht Helfern ins Museum getragen werden. Es wurde überaus gründlich befestigt. „Sollte das Rad kippen, kippt die Wand mit“, versichert Bettina Kempf mit einem Augenzwinkern. Auch die Gredl und die Autobahn finden sich in diesem Raum wieder.

Sehr emotional ist das Fenster in die Vergangenheit, das sich beim Anblick einer Vitrine mit Funden aus einem Kindergrab öffnet. „Da sieht man ein menschliches Schicksal“, sagt Bettina Kempf beim Anblick einer Vogelrassel und einer Saugflasche in Tierform, die die Eltern ihrem verstorbenen Kind ins Grab mitgegeben haben. Auch die Latènezeit kann im Museum mit Funden aus der Gredinger Region abgedeckt werden. Bettina Kempf wird bald auch als Frau aus dieser Zeit durch das Museum führen können. Das Kleid nach historischem Vorbild ist schon fast fertig, eine Fibel und einen Gürtel hat sie nach einer Grabbeigabe nacharbeiten lassen. „Und der Armreif kommt noch“, verkündet sie.

Sehr lebendig wirkt auch der keltische Krieger, der auf seinem Schwert kniet und gerade dabei ist, es zu zerstören. Diese Installation greift einen Fund an der Schwarzach mit einem völlig verbogenen Schwert auf. „Das geschah vermutlich aus rituellen Gründen“, erklärt Kempf.

So lebendig wie der Krieger aus der Latènezeit oder auch die Frau aus der Jungsteinzeit präsentiert sich das ganze Museum. Und Bettina Kempf ist überzeugt, dass das Konzept des Museums genau das richtige ist. „Wir zeigen viel, ohne den Besucher zu überfrachten.“ Statt das Museum vollzustopfen präsentiere man lieber weniger Exponate, dafür aber ganz besondere. „Man kann der Geschichte in die Augen sehen.“ Diese Lebendigkeit sei ihr bei der Erarbeitung der Ausstellung immer wichtig gewesen, sagt sie. Lang wurde geplant, mit dem Ergebnis ist die Museumsleiterin überaus zufrieden. Durch die jahrelange Mitarbeit am Museumskonzept „wächst man mit dem Projekt zusammen“. Und deshalb ist es auch kein Wunder, dass sie versichert: „Die Ideen sprudeln nach wie vor.“