Greding
"Sie wissen, dass ich Freizeit opfere"

Die interkulturelle Trainerin Sandy Galarza aus Greding setzt sich auch ehrenamtlich für Asylbewerberin ein

03.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:42 Uhr

Sie stehen eng beieinander, wenn es um die Sprachförderung von Asylbewerbern geht: Abdulrazzak Hammadi, Syrier aus Beilngries, arbeitet ehrenamtlich an der Alphabetisierung von Irakern in Greding; in einem Kurs, den Sandy Galarza initiiert hat. Im Hintergrund die Schüler Hammadis im Musikraum der Gredinger Grund- und Mittelschule. - Foto: Luff

Greding (HK) Wenn jemand wie geschaffen dafür ist, Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zueinander zu bringen, dann ist es Sandy Galarza. Die 34-Jährige, die heute in Greding wohnt, verkörpert den Begriff Internationalität wie wohl kaum eine Zweite.

Dass es Sandy Galarza, die aus Ecuador stammt, überhaupt an die Schwarzach verschlagen hat, ist der Liebe zu verdanken: In ihrem Heimatland nämlich lernte sie ihren heutigen Ehemann Ralf Bilke aus Greding kennen, der zu dieser Zeit ein Praktikum bei einer lateinamerikanischen Energieorganisation absolvierte. Das Paar fand sich - und etwas später auch eine vorübergehende gemeinsame Heimat in Schweden. Denn sie sprach kein Deutsch, er kein Portugiesisch, also musste ein Land gefunden werden, in dem beider Studium auf Englisch möglich war. In Schweden feilte Sandy Galarza an ihrer Masterarbeit in Politikwissenschaften, Schwerpunkt Internationale Beziehungen.

"Wir sind vielleicht elfmal umgezogen" erzählt Galarza und lacht. Zwischendrin wurde 2011 geheiratet, seit 2012 lebt sie in Deutschland. Immer wieder musste sie neu ankommen. "Ich war auch wie sie", sagt Galarza mit Blick auf die vielen Menschen, die derzeit in Deutschland eine neue Heimat finden wollen, "ich hatte anfangs auch Angst, Deutsch zu sprechen." Dabei spricht sie neben Portugiesisch und Deutsch auch Englisch, Spanisch und Französisch. Ihre Bildung lässt sich ohnehin nicht mit dem der meisten Menschen vergleichen, hat sie doch nach ihrem Studium noch eine Zusatzausbildung in interkultureller Kommunikation mit verschiedenen Zielgruppen in Deutschland gemacht.

Heute arbeitet sie freiberuflich als sogenannte interkulturelle Trainerin, leitet beispielsweise Integrationskurse für Asylbewerber, arbeitet aber unter anderem auch mit Deutschen, denen sie Verständnis für das Fremde näher zu bringen versucht. Im Landkreis Roth hat sie bereits Kurse für Asylhelferkreise gegeben. Darüber hinaus engagieren sie und ihr Ehemann sich im Gredinger Helferkreis.

Sandy Galarza ist nah dran an den Menschen - und an ihren Problemen. Im Beruf wie in der Freizeit im Helferkreis hat sie festgestellt, dass der Bildungsgrad der Asylbewerber äußerst unterschiedlich ist: Frauen aus dem Irak haben vielleicht die Grundschule bis zur vierten Klasse besucht, andere könnten einen Stift kaum halten. "Der Sprung von den Frauen mit wenig Bildung bis zur deutschen Sprache ist sehr groß." Zu groß. "Es funktioniert nicht - das Jobcenter verpflichtet sie aber", sagt Sandy Galarza über die Integrationskurse. Alphabetisierung tut not. Am besten so wie in Schweden, denn dort werde in der jeweiligen Muttersprache die Grundlage dafür geschaffen, überhaupt eine neue Sprache zu lernen.

Etwas Ähnliches schwebt ihr auch hier vor, mit diesem Anliegen steht sie nicht alleine. Sandy Galarza steht in Kontakt mit "für einander", der Kontaktstelle für Bürgerengagement im Landkreis Roth. Dort hat man die Initiative "Mitmischen" für sich entdeckt, das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert wird - für die Stadt Kempten und den Landkreis Roth. Im Wesentlichen geht es darum, Migranten zu ehrenamtlichem Engagement zu bewegen und passende Strukturen hierfür zu schaffen.

"Ehrenamtliche Arbeit kann ein Zugang zur Integration sein", zeigt sich auch Galarza überzeugt. Und kann dies mit Praxisbeispielen untermauern. Ein Iraker unterrichte auf Arabisch, ein Afghane auf Farsi; sie kenne bereits fünf derartige Lehrer, die wiederum festen Kontakt mit acht Deutschen hätten. So könnten diejenigen, die sich schon einigermaßen zu verständigen wissen - "sie müssen nicht sehr gut Deutsch sprechen" - nicht nur ihre eigenen Fertigkeiten durch den Umgang mit Einheimischen verbessern, sondern auch diejenigen weiterbringen, die diesen Stand noch nicht erreicht haben. Sie stelle sich das "wie eine Kaskade" vor, sagt die interkulturelle Trainerin, wer einen gewissen Stand habe, solle sich einbringen und sein Wissen weitergeben. "In ganz Deutschland herrscht ein Mangel an Lehrern, aber die Schüler sind da."

Klingt wie ein Königsweg. Ist in der Realität aber nicht immer ganz einfach umzusetzen. In Greding hat Sandy Galarza es einmal geschafft, hier alphabetisiert Abdulrazzak Hammadi (siehe eigenen Bericht). Der Raum in der Schule sei über die VHS vermittelt worden, erzählt sie. Fahrten für den Lehrer sowie Lehrmaterialien organisierte der Helferkreis. "Ich musste mit vielen Leuten sprechen", sagt Galarza. Und diese überzeugen, dass die Teilnehmer des Kurses wirklich lernten. Die strengen sich an - auch wegen Sandy Galarza. "Sie wissen, dass ich Freizeit opfere", sagt sie. Sie mache das gerne, der Umgang mit den Menschen mache ihr "unglaublich viel Spaß". Mehr noch: "Ich fühle, dass das, was ich mache, wichtig ist."

Im aktuellen Fall in Greding wichtig vor allem für die Iraker, die die Grundlagen erarbeiten, sich hierzulande eingewöhnen zu können. Wichtig aber auch für ihren Lehrer Hammadi. "Ich habe Personen mit sehr viel Potenzial", gibt Galarza Eindrücke wieder, die sie in ihren Integrationskursen gewinnt. Sie betrachte es als moralische Aufgabe, dieses Potenzial zu fördern und zu schauen, wie man es am besten einsetzen könne. Jetzt sei Abdulrazzak Hammadi Lehrer, dem von anderen Asylbewerbern attestiert werde, dass er gut Deutsch spreche. "Er brauchte nur eine Chance." Sie sehe heute, wie er Selbstbewusstsein entwickelt habe - und sie profitiere davon auch selbst, denn: "Das Gefühl ist sehr schön."