Georgensgmünd
Der Schock kommt erst später

Bürger aus Georgensgmünd bekommen von Schusswechsel zunächst nichts mit

19.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Foto: DK

Georgensgmünd (HK) Es ist ein Drama, was sich unweit der Kirche abspielt, die Georgensgmünd seinen Namen gab. Der Heilige Georg gilt übrigens als Patron der Waffenschmiede und Büchsenmacher. Was angesichts dessen, was hier gestern passiert ist, geradezu zynisch anmutet.

Ein sogenannter Reichsbürger will seine Waffen den mitsamt Polizei angerückten Mitarbeitern des Landratsamts Roth nicht übergeben, sondern er eröffnet stattdessen das Feuer. Das ruft noch mehr Polizisten, Notärzte und schließlich die Spurensicherung auf den Plan. Einige Anwohner erfahren erst über das Radio vom Geschehen und sind geschockt. Keiner will viel oder kann etwas zu der Schießerei in dem eigentlich beschaulichen Ort machen.

Den Journalisten, die sich nach Erhalt der Pressemeldung sofort auf den Weg machen, verraten die Gesetzeshüter zunächst nur den Ort der Tat, aber nicht die Adresse.

Bürgermeister Ben Schwarz hält sich ebenso bedeckt. Doch Georgensgmünd ist nicht nur beschaulich, sondern auch recht überschaubar und so sind am Tatort bald eine ganze Reihe Medienvertreter zu sehen. Sie bekommen widersprüchliche Aussagen zu hören. Die einen Anwohner wollen hier weder Krankenwagen noch Notarzt gesehen haben, einige zumindest letzteren.

An Michaela Herr aus der unmittelbaren Nachbarschaft ging der Vorgang gänzlich vorüber. Nach ihrer Tätigkeit in der Nachtschicht einer Produktionsfirma will sie verständlicherweise ausruhen. Als sie kurz vor elf Uhr mit dem Hund Gassi geht, gilt ihre erste Sorge dem von den Einsatzwagen völlig zugeparkten Weg, was ihr vorübergehend keine Chance zum Wegfahren lässt. Als sie erfährt, was einen Steinwurf von ihrer Haustür entfernt vor Stunden passiert ist, ist sie schockiert: "Um Gottes Willen!" entfährt es ihr laut. "Verwundert" zeigt sich ein junger Familienvater, der einen Kinderwagen vor sich her schiebt. Auch er hat von dem Drama nichts mitbekommen, sondern erst über den Äther von ihm erfahren.

Fünf Stunden nach den Schüssen, die die Bürger in der ganzen Republik aufschrecken und eine Diskussion über die Gefahr der selbst ernannten Reichsbürger auslösen werden, kündigt Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine härtere Gangart bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz im Landratsamt Roth an. Der Verfassungsschutz werde "alles was an Reichsbürgern unterwegs ist in Bayern noch schärfer in den Blick nehmen" müssen, sagt Herrmann in die zahlreichen vor ihm aufgebauten Mikrofone. Die "Umtriebe der Reichsbürger" werden man noch stärker ins Visier nehmen. Gleichzeitig wollte Herrmann nicht alle Reichsbürger über einen Kamm scheren. Nicht alle zahlen keine Steuern. Manche verhalten sich sogar rechtskonform. Die Bewegung sei eben sehr "heterogen". Alle Reichsbürger, die Waffen besitzen, dürfen sich nach den Worten des Innenministers freilich nicht wundern, wenn demnächst die Behörden an der Tür klingen.

In Georgensgmünd fragen sich derweil die Menschen, warum der Mann die gefährlichen Schüsse auf die Beamten überhaupt abgegeben konnte. Der mittelfränkische Polizeipräsident Johann Rast bezeichnet das Vorgehen der Spezialkräfte als "professionell und zweckmäßig". Dass der Reichsbürger durch die verschlossene Tür auf die Beamten feuert, damit hätten sie nicht rechnen können.

Beim Bäcker und beim Metzger diskutieren die Bürger indes, warum sich ausgerechnet in ihrer idyllischen Ortschaft an der fränkischen Rezat jemand für die Reichsbürger interessiert. Bei den meisten weht im Vorgarten der fränkische Rechen im Wind. Manche hissen die Fahne ihres Lieblingsvereins. An neuen Wappen im Wind sind sie bislang achtlos vorbeigegangen. Das wird sich mit den Schüssen ändern.