Gelsenkirchen
Dritter hinter Bayern und Dortmund

Julius-Hirsch-Preis für Veranstaltungsreihe "Roth ist bunt" – DFB übergibt Auszeichnung an Delegation aus der Kreisstadt

19.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Stolz präsentiert die Delegation aus Roth mit Mesut Kayir, Peter Reuter, Karin Duman, Petra Schoplocher und Ralph Edelhäußer (v.l.) die Auszeichnung. Mit ihrem Projekt „Roth ist bunt“ hat die Kreisstadt den dritten Platz im Wettbewerb um den Julius-Hirsch-Preis erhalten - Foto: privat

Gelsenkirchen/Roth (HK) Glanz auf der einen, bewegende Momente auf der anderen Seite: Die Verleihung des Julius Hirsch Preises war in jeder Hinsicht ergreifend für die fünfköpfige Delegation aus der Kreisstadt.

Mit der Veranstaltungsreihe „Roth ist bunt“ hatte sich die Volkshochschule für den renommierten Preis beworben – und erhielt nun vom Deutschen Fußball Bund (DFB) den dritten Preis.

„Nie wieder!“, heißt die Botschaft, die der DFB mit der Auslobung des Preises senden will. Dessen Namensgeber, Julius Hirsch, war deutscher Fußballnationalspieler, ein Idol seiner Zeit und dennoch wurde er 1943 im Konzentrationslager Dachau ermordet. Zum neunten Mal zeichnete der Fußballbund heuer Aktionen, Programme oder Initiativen aus, die sich für Toleranz, gegen Ausgrenzung und vor allem Rassismus einsetzen.

Genau diese Ziele verfolgt auch die Volkshochschule Roth. Konkret Ausdruck gefunden haben sie im vergangenen Winter, als rund um die Ausstellung „Kicker, Kämpfer und Legenden“ ein preiswürdiges Rahmenprogramm auf die Beine gestellt wurde – und das in Kooperation mit vielen Partnern: Vereine, Kirchen, Schulen, Parteien oder andere Organisationen. Sie alle leisteten ihren Beitrag zu dem Statement „Roth ist bunt“ und dem Untertitel „Leben ohne Rassismus, Leben mit Courage“.

Die Veranstaltungsreihe von christlich-jüdischem Dialog, Autorenlesungen, Filmvorführungen, einem Schulprojekttag, Gesprächsrunden und zwei Ausstellungen überzeugte die Jury des DFB, so dass Karin Duman-Geiß von der Rother VHS vor wenigen Wochen die Einladung zur Preisverleihung erhielt. Um zu zeigen, wie breit aufgestellt „Roth ist bunt“ ist, waren Mitinitiatoren und Ideengeber mitgekommen: Peter Reuter von Eichenkreuz Nürnberg, der „Kicker, Kämpfer und Legenden“ der Stadt Roth angeboten hatte, Roths Bürgermeister und Schirmherr Ralph Edelhäußer, Mesut Kayir für seine interkulturelle Rolle und als Impulsgeber sowie Petra Schoplocher von der TSG 08 Roth, die den sportpolitischen Teil begleitet hatte.

Die Gala in Gelsenkirchen war hochkarätig besetzt: Der Vorstandsvorsitzende der Bayern München AG, Karl-Heinz Rummenigge, war ebenso Ehrengast wie Ligapräsident Reinhard Rauball und die ehemalige Zentralrats-Vorsitzende Charlotte Knobloch. Unter den rund 300 Gästen waren auch die beiden Enkel des ermordeten Julius Hirsch, Andreas und Matthias Hirsch. An deren Großvater, der mit zwei Vereinen deutscher Meister wurde, erinnerten zwei junge Erwachsene, die Julius Hirschs Leben, vor allem aber seine Gefühle Deutschland gegenüber, vortrugen. „Er glaubte nie, dass ihm dieses Land etwas antun könnte“, hieß es da. Beklemmend und aufrührend zugleich war die Darbietung.

Der nächste Gänsehautmoment war für die Rother die Einspielung ihres Videos, mit dem der DFB die Initiative vorstellte und die noch einmal vor Augen führte, wie vielseitig die Projekte waren. Karin Duman-Geiß schließlich durfte die Ehrung aus den Händen des DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach in Empfang nehmen. Da die Veranstaltungsreihe eine Fortsetzung finde, sei das Preisgeld gut angelegt, verriet die VHS-Leiterin.

Der erste Preis ging an die Ultra-Fangruppe Schickeria in München. Sie hatte mit einer bewegenden Stadionchoreografie an das Lebenswerk des Juden Kurt Landauer erinnert, der nach seiner Internierung in Dachau in die Schweiz flüchten konnte und nach Kriegsende erneut die Präsidentschaft beim FC Bayern übernahm. Den zweiten Preis erhielt ein Gemeinschaftsprojekt aus Dortmund, an dem unter anderem Borussia Dortmund, die Fan- und Förderabteilung, das Fanprojekt sowie die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache beteiligt waren. 32 BVB-Anhänger hatten polnische Gedenkstätten besucht und sich auf die Spurensuche von 800 Dortmunder Juden gemacht, die 1942 deportiert worden waren.

Mario Bendel aus Berlin durfte den Ehrenpreis in Empfang nehmen, den auch schon Thomas Hitzlsperger oder Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo erhalten hatten. Bendel betreibt aus eigenem Antrieb und alleine die Facebook-Seite „Fußballfans gegen Rechts“.

Lob gab es auch für den Laudator, TV-Moderator Marcel Reif. Er gab zu, seine Haltung den Münchener Ultras gegenüber relativiert zu haben, nachdem er Zeuge der Landauer-Choreografie geworden sei. Kritisch beäuge er aber die Einstellung der Ultras zur Gewalt und sprach damit wohl allen Anwesenden aus dem Herzen. Auch Moderator und DFB-Mediendirektor Ralf Köttker scheute sich nicht, Schickeria-Vertreter Simon Müller nach der Ultra-Einstellung zu Gewalt zu fragen. „Wir sind, was wir sind und weil wir da herkommen, wo wir herkommen“, sagte Simon Müller. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nutzte das Forum dennoch, um einen eindringlichen Appell zu starten. Niersbach hatte aber noch eine Botschaft: „Im Fußball wird niemand ausgeschlossen wegen seiner Religion oder Hautfarbe“, sagte der Funktionär.

Dass das Thema aktueller denn je ist, hatten die Teilnehmer aus Roth bereits bei einer Stadtführung vor der Preisverleihung erfahren. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchenberichtete, dass nach dem WM-Sieg der deutschen Elf ein Gullydeckel durch eine Scheibe der Synagoge geflogen sei. Zu dem materiellen Schaden sei auch ein Schmerz gekommen, denn „wir fühlen uns hier zugehörig, anerkannt und getragen“. Bezahlt hat den Schaden übrigens der Klub Schalke 04, der seinen jüdischen Sportlern bereits zehn Jahre zuvor auf seiner Tausend-Freunde-Mauer zu einem würdigen Andenken verholfen hat.