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"Nach zehn Jahren bin ich angekommen bei mir"

31.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:44 Uhr

Mit Freude zur Arbeit: An der Spitze von über 2500 Mitgliedern zu stehen, ist für Elke Stöhr künftig Hobby und Beruf zugleich. - Foto: Meyer

Es ist eine Geschichte, die Elke Stöhr gleichermaßen verlegen wie amüsiert wirken lässt, wenn sie gut 40 Jahre später davon erzählt. Denn es geht in dieser Geschichte darum, dass die heutige Vorsitzende des TV Hilpoltstein damals gar nicht gleich aufgenommen wurde in diesen Verein, obwohl sie es doch unbedingt wollte. Wie es in Hilpoltstein früher üblich war, kamen Fanny Seitz und Oskar Rösch zu den Erstklässlern in die Grundschule, um nach Talenten für die Wettkampfgruppe des Turnvereins zu suchen. "Die haben mich damals aber erst einmal aussortiert", sagt Elke Stöhr mit einem verschmitzten Grinsen.

Immerhin war die sportliche Enttäuschung ihrer Kindheit nicht von langer Dauer. "Gnadenhalber haben sie mich dann doch noch dazugenommen." Eine gute Entscheidung, wie sich längst gezeigt hat. Schließlich bescherte Elke Stöhr dem TV Hilpoltstein nicht nur zwei bayerische Meistertitel als ehrgeizige Turnerin, sondern entwickelte sich auch zu einem großen Gewinn für den gesamten Verein. Neben den unzähligen Übungsleiterstunden, die die heute 47-Jährige für den TV leistete und auch weiterhin leisten wird, löste sie ihre einstige Kritikerin aus der 1. Klasse schon vor einigen Jahren als Leiterin der großen Turnabteilung ab.

Der größte Schritt in der Vereinskarriere von Elke Stöhr folgt allerdings erst jetzt: Denn mit dem heutigen Tag beginnt sie ihren Halbtagsjob als erste hauptamtliche Vorsitzende des TV Hilpoltstein. Wie sie ihre Arbeit angehen will, hat sich Elke Stöhr in den Wochen seit ihrer Wahl gut überlegt. "Ich will kein radikales Umkrempeln, sondern mir alles erst einmal genau anschauen und dann gegebenenfalls behutsam ändern." Fest steht für sie jedoch, dass der Verein mit seinen 13 Abteilungen und mehr als 2500 Mitgliedern an einer Schwelle angekommen ist: "Weiterentwickeln oder schrumpfen".

Um den TV Hilpoltstein in eine möglichst erfolgreiche Zukunft zu führen, hat die Vereinsspitze schon im vergangenen Jahr einen Strategieprozess mit dem Titel "TV Hip 2030" gestartet. Ein zentrales Ergebnis aus diesen Überlegungen war, dass es nach den drei Jahrzehnten, in denen der frühere Klingele-Werkschef Otto Krauß und sein Nachfolger Bernhard Harrer in ihrer knappen Freizeit noch den Großverein leiteten, nicht mehr ohne hauptamtliche Vereinsführung geht. Den entsprechenden Satzungsänderungen stimmte die Mitgliederversammlung des TV Hilpoltstein vor wenigen Wochen ebenso zu wie dem Vorschlag des bisherigen Vorstandes, dass Elke Stöhr die erste bezahlte Vereinschefin werden soll.

Und so teilen sich künftig zwei Frauen den Schreibtisch in der Geschäftsstelle des TV Hilpoltstein im Gebäude der Raiffeisenbank. Zusätzlich zu Monika Kraus, die seit einem Jahrzehnt an 16 Stunden pro Woche die Verwaltungsarbeiten erledigt, steigt ab heute auch Elke Stöhr ins Tagesgeschäft ein. Ihr erklärtes Ziel ist, langfristig das Angebot beim TV Hilpoltstein auszuweiten. Die Konkurrenz sei zwar groß angesichts der vielen anderen Sportvereine im Stadtgebiet und der beliebten Fitnessstudios. Doch der TV Hilpoltstein müsse sich nicht verstecken. "Wir werden zwar nie so flexibel mit unseren Angeboten werden wie die Fitnessstudios, aber für eine Familie gibt es nichts besseres als einen Verein wie unseren."

Als erste Maßnahmen nach ihrem Dienstantritt beim TV hat sie die Wiederbelebung der brachliegenden Volleyballabteilung und des Skaterparks an der Badstraße im Sinn, wo heuer noch der erste Skate-Contest stattfinden soll, "Wir haben sicher noch Potenzial in vielen Bereichen", sagt Elke Stöhr. Dieses Potenzial zu erschließen, sei in der Vergangenheit entweder an fehlenden Übungsleitern, fehlenden Hallenkapazitäten oder schlicht an fehlender Man-power gescheitert. Da trifft es sich gut, dass die neue TV-Vorsitzende nach ihrer Wahl nicht nur viele Glück-wünsche, sondern auch viele Unterstützungs-angebote erhalten hat.

Allein mit der neuen Frauenpower an der Vereinsspitze kann der TV Hilpoltstein jedoch nicht wachsen, stellt Elke Stöhr klar. "Wenn wir unser Angebot ausweiten wollen, ist der Bau einer neuen Halle unumgänglich." Bis zur nächsten Jahresversammlung im Frühjahr 2017 soll ein ausgereiftes Konzept dafür vorliegen. Bis die geplante Gymnastikhalle auf dem Gelände zwischen den Fußball- und Tennisplätzen steht, kommt der TV Hilpoltstein laut Stöhr zwar noch gut zurecht mit seinen aktuellen Hallenkapazitäten, auch weil es Ausweichmöglichkeiten wie etwa ins Hofstettener Sportheim gibt. "Was wir aber langfristig brauchen, das ist ein Ersatz für die Realschulturnhalle", sagt Stöhr. Diese Halle bekommt der TV derzeit vom Landkreis für einen symbolischen Euro pro Jahr überlassen. "Dass wir diese Halle selbst sanieren, lohnt sich für uns aber nicht, weil wir vom Landkreis keinen langfristigen Mietvertrag bekommen", sagt Stöhr.

Hier helfen der neuen Vorsitzenden des TV Hilpoltstein auch nicht ihre guten Verbindungen ins Landratsamt, wo sie zuletzt acht Monate lang arbeitete. Als Projektleiterin für die Bildungsregion Landkreis Roth hatte Stöhr dort eine Halbtagsstelle nach ihrer 14-jährigen Familienpause gefunden. Zur Rückkehr in den Beruf absolvierte die gelernte Verlagskauffrau zuvor an der Volkshochschule das Orientierungsseminar "Neuer Start für Frauen", zu dem auch ein vierwöchiges Praktikum in der Anzeigenabteilung unserer Zeitung gehörte.

Doch dieser Arbeitsplatz blieb ebenso nur von kurzer Dauer wie der im Landratsamt. Zu verlockend war das Abgebot, die neue Halbtagsstelle beim TV Hilpoltstein anzutreten, der seit rund vier Jahrzehnten die sportliche Heimat von Elke Stöhr ist. Mit Ausnahme von nur zwei Jahren, als ihre Eltern nach Altötting zogen. Doch die Liebe zu ihrem Ehemann Klaus brachte Elke Stöhr sofort nach dem Abitur zurück nach Hilpoltstein, wo sie nun als TV-Vorsitzende eines der höchsten Ämter in der Stadt übernommen hat.

Fehlt dann also nur noch das Amt der Pfalzgräfin beim Burgfest? Doch dafür hat Elke Stöhr angesichts ihrer bevorstehenden Aufgaben beim TV nur einen Scherz übrig: "Gräfin mach ich erst, wenn ich auf einem Turnpferd in die Stadt einreiten darf."