Erlangen
"Wir erkennen Rechte auch ohne Glatze"

Rechte Intellektuelle diskutieren in Erlangen über Einwanderung – Bürger wehren sich gegen Umtriebe

07.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:06 Uhr

Das Gelände der Burschenschaft Frankonia ist mit Polizeigittern abgesperrt. Die Demonstranten werfen der Burschenschaft vor, der »ultrarechten Szene« mitten in Erlangen einen Raum zur Verfügung zustellen. - Fotos: Pelke

Erlangen (HK) Eine schlagende Burschenschaft hat ihr Verbindungshaus in Erlangen für eine Veranstaltung der rechtsintellektuellen Szene zur Verfügung gestellt.

 

Auf deren Büchermesse „Zwischentag“ diskutierte man über außenpolitische Krisen und Flüchtlingswellen.

Hier stehen die Rechten, dort stehen die Linken. Dazwischen hat die Polizei die Straße abgesperrt. Auf das Gelände der Erlanger Burschenschaft Frankonia gelangt man nur mit einem geheimen Codewort. An der Hauswand sind noch die Spuren eines Farbbeutels zu sehen. Unbekannte haben ihn an das Haus der konservativen Verbindung geworfen haben, weil sie der „ultrarechten Szene“ mitten in Erlangen einen Raum zur Verfügung stellt.

Felix Menzel läuft derweil aufgeregt hin und her. Er sieht nicht aus wie ein Nazi in Springerstiefeln. Weißes Hemd, schwarze Hose, keine Krawatte: Leger begrüßt der 29-jährige Publizist die Gäste und gibt das Thema des Tages vor. In Vorträgen wolle man sich der Masseneinwanderung annehmen, die durch außenpolitische Krisen an den Rändern des Kontinents ausgelöst würde.

Ob diese Krisen bewusst ausgelöst werden, kann Menzel nicht sagen. Wissen tut er dagegen, dass er am Pranger steht. „Wenn man über Einwanderer spricht, ist man gleich gegen Einwanderer. Ich will verhindern, dass es zu Flüchtlingswellen kommt. Ein Flüchtling zu sein ist doch nichts Tolles“, sagt Menzel, während sich im Saal ein anderer Akademiker über das miese außenpolitische Politikpersonal in Deutschland mokiert und Putins Annexion der Krim als geopolitisches Bravourstück adelt.

Menzel will nicht, dass „Menschen aus Afrika oder dem Orient viel Geld an Schleuser bezahlen müssen, um am Ende in Turnhallen zu nächtigen“. Er fordert, eine Obergrenze für Flüchtlinge festzulegen und die Menschen dann gerecht auf die einzelnen Länder zu verteilen. Es ärgere ihn, sagt er, dass man in Deutschland die Flüchtlinge mit relativ großzügigen Sozialleistungen noch zur Flucht animiere.

Menzel senkt fast traurig den Kopf. Er weiß, dass niemand offiziell mit ihm etwas zu tun haben will. Das sei schon in der Schule in Chemnitz so gewesen, wo er angefangen habe, über Deutschland und seine Politik nachzudenken. Jetzt wohnt er mit seiner Frau und den beiden Kindern in Irland. In Deutschland sei es selbst bei den Burschenschaften immer schwieriger, einen Raum für seine Vorträge und seine Publikationen zu bekommen, gibt er unumwunden zu.

Den demokratischen Gegenwind nennt Menzel „Meinungsfaschismus“. Der würde den Menschen nicht mehr erlauben, im eigenen Land frei zu denken. Menzel glaubt, dass sich die Menschen das bald nicht mehr länger gefallen lassen werden. „Das wird sich in einigen Jahren ändern, dafür werden wir sorgen!“, hat er zur Begrüßung unter großem Beifall der Gäste gesagt. Die Deutschen würden sich immer mehr von den Staatsmedien wie ARD und ZDF abwenden und bei ihm und anderen nach der „wirklichen Wahrheit“ suchen. „Deutsche Außenpolitiker kläffen wie Rehpinscher, die sich hinter dem großen Bruder aus Amerika verstecken“, sagt ein Referent derweil im Saal unter dem Gelächter des Publikums.

Die Uhr hat noch nicht zum Mittag geschlagen. Aber viele Burschen halten schon die zweite Bierflasche in den Händen. Auch Felix Menzel greift sich eine Pulle. „Geht auf das bunte Sommerfest und redet mit dem Oberbürgermeister“, fordert Menzel seine Mitstreiter auf. Die Lage würde derzeit von allen Seiten aufgeheizt. Deshalb müsse man miteinander ins Gespräch kommen.

Die Stadt Erlangen will nicht mit den Rechten reden. Gemeinsam mit der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion wendet man sich mit einer Demonstration und einem bunten Aktionstag gegen die Veranstaltung. Vom Balkon schauen die Burschen auf die Gegendemonstration herunter. Silke Anger befestigt derweil ein Transparent mit der Aufschrift „Loewenichstraße gegen Rechts“ an einen Zaun. „Wir wohnen hier. Wie sehen die Burschen immer in ihren Uniformen und mit ihren Schärpen. Die eigentliche Gefahr ist doch, dass da drüben keine dummen, sondern intellektuelle Rechte sind, die irgendwann Einfluss und Macht bekommen können“, sagt die Anwohnerin und zeigt auf einen Mann, der in Anzug und Krawatte auf das Gelände der Burschenschaft marschiert.

Derweil spricht Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) mit vollem Elan und unter großem Beifall auf der Gegenkundgebung. „Wir erkennen Rechte auch ohne Glatze und Springerstiefel“, ruft er den Burschen auf dem Balkon entgegen. Man müsse die Schneebälle zertreten, damit sie erst gar nicht zur Lawine werden können, sagt Janik, während die Fahne am Haus der Burschen müde im Wind flattert.