Erlangen
"Hier können Alleinerziehende einfach mal auftanken"

Maria Yeddes ist die ehrenamtliche Leiterin des Erlanger Zentrums Grünes S.O.f.A.

18.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:54 Uhr

Maria Yeddes. - Foto: SOfA

Erlangen (HK) Alleinerziehen-de haben es nicht einfach. Besonders die Trennungsphase ist extrem belastend für Frauen und Männer. Richtig schwierig wird es, wenn Kinder bei der Scheidung im Spiel sind. Maria Yeddes ist die ehrenamtliche Leiterin des Zentrums für Alleinerziehende (Grünes S.O.f.A.) in Erlangen. Der Verein bietet zahlreichen Selbsthilfegruppen einen Ort zum Auftanken und zur Begegnung. Ein besonderes Angebot richtet sich an Alleinerziehende, deren Kinder womöglich Opfer von sexueller Gewalt geworden sind. Wir haben mit Maria Yeddes über diese besondere Selbsthilfegruppe mit dem Namen „Stachelbär“ und über ihr ehrenamtliches Engagement gesprochen.

Mit welchen Sorgen, Nöten und Problemen nehmen Mütter, deren Kinder sexuell missbraucht worden sind, an den Gesprächskreisen der Selbsthilfegruppe teil?

Maria Yeddes: Ein großes Problem ist die Frage: Ist überhaupt etwas passiert? Es gibt Fälle, wo Frauen nur einen heimlichen Verdacht haben. Im Gespräch soll dann herauskommen, ob wirklich etwas passiert ist. Oftmals leben die Frauen in Trennung oder Scheidung. Sie fürchten negativen Folgen für die Familie, wenn sie so einen ungeheuerlichen Verdacht äußern. Die Frauen sind besonders in der Anfangsphase der Trennung voller Emotionen. Sie wollen den Ex-Männern keine falschen und haltlosen Vorwürfe machen. Sie wollen keinen Missbrauch mit dem Missbrauch betreiben.

Wie äußern sich solche Verdachtsmomente?

Maria Yeddes: Was ist normal, was ist nicht normal? Kinder sind häufig allein durch die Trennung der Eltern verstört. Es ist oft nicht eindeutig einzuordnen, ob das Verhalten der Kinder als Reaktion auf die Trennung, oder auf sexuelle Übergriffe auftritt. Es sind oft diffuse Beobachtungen und die Ungewissheit, die den Frauen eine Angst machen. Meistens gehen die Kinder in der Trennung auch alleine zu den Vätern. Missbrauch ist da oft nicht greifbar. Und Missbrauch ist schwierig zu beweisen.

Welche Unterstützung kann die Selbsthilfegruppe bieten?

Maria Yeddes: Oftmals fühlen sich die Frauen bei Beratungsstellen nicht völlig frei und unbefangen. Dort wird versucht, die Trennung in gute Bahnen zu lenken. Das ist richtig und gut so. Aber wir versuchen, in erster Linie zuzuhören. Das hilft den Frauen häufig schon, sie empfinden eine gewisse Erleichterung, ihr Verhalten kurz nach der Trennung zu reflektieren und über die möglichen Folgen der Trennung nachzudenken. Vor allem diejenigen Frauen fühlen sich befreiter, die Angst haben, sie könnten die Familie komplett zerstören. Häufig ist es hilfreich, den Frauen zu vermitteln, dass sie für familiäre Entwicklungen nicht die allein Verantwortlichen sind. Oft sind Trennungen für Frauen zudem tatsächlich existenzbedrohend. Wir wollen den Frauen in dieser schwierigen Phase den Rücken stärken.

Sind Scheidungskinder häufiger von sexueller Gewalt betroffen?

Maria Yeddes: Nein, aber im Zuge der Trennung und der Besuchssituation nehmen die Verdachtsfälle zu, weil die Mutter in diesen Situationen weniger Kontrolle haben über das Wohl des Kindes. Dadurch können auch unbegründete Ängste entstehen. Oftmals sind Mütter nach der Trennung besonders unsicher. Häufig gibt es auf den ersten Blick auch ganz banale Ursachen der Problematik. Es ist für die Mütter häufig erst eine Anpassungsleistung zu erbringen. Sie lernen, mit der neuen Situation der geringeren Kontrolle umzugehen und loszulassen. Das gilt freilich für beide Elternteile nach einer Trennung. Nicht nur für Mütter, sondern auch für Väter.

Wie begegnen sich die Alleinerziehenden in der Selbsthilfegruppe?

Maria Yeddes: Die Frauen sind oft sehr emotional. Ein Lebensentwurf ist gescheitert. Das ist nicht einfach. Auch Unverheiratete leiden unter der Trennung.

Aus welchem Grund richtet sich Ihre Initiative besonders an Alleinerziehende?

Maria Yeddes: Wir bieten vielfältige Angebote für Eltern, Frauen und Männer an. Wir haben auch Angebote für Kinder und Jugendliche. Bei uns kann man einfach mal abschalten, auftanken und sich austauschen. Wir haben auch an Feiertagen geöffnet, um Alleinerziehenden an diesen besonders einsamen Tagen einen Anlaufpunkt zu bieten und etwas Geborgenheit schenken zu können. Zum Alleinsein kommt ein weiteres Problem hinzu. Die finanzielle Situation ist besonders bei alleinerziehenden Frauen meist sehr schwierig. Bei uns kann man auch mal einen entspannten Feriennachmittag verbringen, ohne Geld auszugeben. Sechs Wochen Sommerferien sind eine lange Zeit. Da ist ganz wichtig, wenn man weiß, dass die Alleinerziehenden mit ihren Kindern jeden Mittwoch zumindest einmal in der Woche zu uns kommen können. Wir machen es uns dann gemeinsam gemütlich und bauen das Planschbecken im Garten auf. Nur zurücklehnen können sich die Alleinerziehenden bei uns nicht. Unser Motto lautet: Von Alleinerziehenden, mit Alleinerziehenden und für Alleinerziehende.

Das Interview

führte Nikolas Pelke