Erlangen
Abseits der finnischen Foltersauna

Erlangen ist der heiße Schauplatz des Tags der Franken gewesen – Verzicht auf Nationaldevotionalien

06.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:06 Uhr

Flucht in den Schatten: Der Platz in der Sonne wird am heißen Tag der Franken gemieden. - Foto: Pelke

Erlangen (HK) Wenn Franken feiern, riecht es nach Bier, Bratwürsten und guter Laune. Als Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) die Gäste am Sonntagvormittag in verschiedenen Sprachen zum Tag der Franken in Erlangen begrüßt, hat die Sonne den baumlosen Marktplatz längst in einen Backofen verwandelt. Gemütlicher geht es im Schlossgarten zu. Hier haben sich die meisten Franken hingehockt.

Hier gibt es die Leib- und Magenspeise der Franken: Braten mit Klößen. „Heute ist doch Kloßtag“, sagt Reiner Vogel und beißt in seinen gelben Ball. „In Franken heißt der Sonntag überall Klößtag“, sagt seine Frau Marianne. Die Bierbänke stehen unter großen Bäumen. Die Blasmusik spielt auf. „Was magst du essen“, fragt eine Mutter ihren kleinen Sohn auf der Nachbarbierbank. „Bratwurst!“, sagt Emil mit den blonden Locken und strahlt über beide Backen. Der Gerstensaft fließt in Strömen aus den Fässern. Der moderne Franke trägt Trekkingsandale und ein kartiertes Hemd mit kurzen Ärmeln. Die moderne Fränkin darf alles tragen – Hauptsache leicht und luftig.

Mit jeder Minute verwandelt die Sonne die Stadt immer mehr in eine finnische Foltersauna. Die Franken flüchten in den Schatten. Die Männer der Erlanger Feuerwehr mutieren derweil zu echten fränkischen Helden. Mit dicken Schläuchen spritzen sie Wasser in Planschbecken, damit der fränkische Nachwuchs keinen Hitzschlag bekommt. „Erlangen hat so ein Glück mit seinem Schlossgarten. Ohne Bäume könnte man es heute gar nicht aushalten. Auf dem Marktplatz ist es viel zu heiß. Da wirst ja hiiie“, sagt eine Fränkin mit schickem Strohhut. „Wir hätten den Tag der Franken nicht gebraucht. Der Frühschoppen im Schlossgarten wäre heute sowieso gewesen. Der ist immer einen Tag nach dem Schlossgartenfest, wenn die Bierbänke noch aufgebaut sind“, sagt ein waschechter Erlanger mit Panama-Hut auf dem Kopf.

Unter der Bank döst derweil Chica. „Das ist ein spanischer Hund, aber er liebt Franken“, sagt Anne und streichelt Chica über den Rücken. „Ich bin seit fast 30 Jahren in Herzogenaurach. Aber ein echter Franke bin ich immer noch nicht. Ich bin eigentlich eine Hessin. Aber im Vergleich zu früher sind die Franken wirklich offen geworden. Gerade in Herzogenaurach mit Adidas und Puma gibt es viele Franken mit Migrationshintergrund“, sagt Anne.

Derweil geht das Unterhaltungsprogramm auf dem Marktplatz gnadenlos weiter. Die meisten Besucher bleiben trotzdem im Schlossgarten hocken. Beim Bierbrunnen trifft man sich wieder. „Mein Vater ist aus dem Sudetenland“, erzählt Marianne Vogel, die unbedingt noch ein kühles Radler braucht. „Meine Vorfahren kommen aus Österreich. Die sind nach dem Dreißigjährigen Krieg in der Vertreibungswelle von 1652 bis 1654 aus dem Most- und Waldviertel bei Wien nach Erlangen gekommen, weil sie Protestanten waren“, erzählt Rainer Vogel und ärgert sich darüber, dass man in Erlangen immer nur von den Hugenotten spricht, die gegen 1680 aus dem schönen Frankreich ins noch schönere Franken gekommen seien. „Die Flüchtlingen aus Österreich waren Landwirte und haben sich in den ausgestorbenen Dörfern rund um Erlangen angesiedelt. Die Hugenotten waren Handwerker, die durften sich in der Stadt niederlassen“, erklärt Rainer Vogel, der sich leidenschaftlich für Geschichte interessiert.

Vom Nebentisch schaltet sich Klaus ein. „Ich bin 1973 nach Nürnberg gekommen. Damals wollte nicht jeder mit mir reden, weil ich aus Rosenheim komme. Aber wenn man einmal von den Franken ins Herz geschlossen wird, dann gehört man wirklich dazu“, ist sich Klaus sicher, während Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Innenminister Joachim Hermann, Bezirktagspräsident Richard Bartsch (alle CSU) und Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) mit der Vorsitzenden des Migratinnen-Netzwerks in Bayern, Marissa Pablo-Dürr, unter dem Motto „Franken – offen aus Tradition“ über Integration auf der Hauptbühne auf dem Marktplatz diskutieren.

Überhaupt verzichtet Erlangen an diesem Tag der Franken auf viele Nationaldevotionalien. Auf den Tischen stehen keine fränkischen Fähnchen. Selbst auf dem Marktplatz sucht man den Rechen vergeblich. „Worschd“, werden sich viele Franken an diesem Tag gedacht haben. Hauptsache die Bierbänke stehen im Schatten.