Greding
Ein Heimspiel für Christian Heiß

Eichstätter Domkapellmeister konzertierte bei "30 Minuten Orgelmusik" in der Martinskirche

16.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr
Virtuos und vielseitig: Der Eichstätter Domkapellmeister Christian Heiß spielt die Orgel in der Martinskirche. −Foto: Neeser

Greding (HK) Die Martinskirche ist charakteristisch für Greding wie kein anderes Bauwerk. Aber auch die „30 Minuten Orgelmusik“ die zum Wochenausklang in dieser zu hören sind, sind mittlerweile ein fester Bestandteil der Stadt. Am Sonntag gab sich ein besonderer Gast die Ehre: Christian Heiß.

Das Konzert in der Gredinger Basilika St. Martin war ein regelrechtes Heimspiel für den Eichstätter Domkapellmeister. Der gebürtige Gredinger hat schon viel erreicht – und findet trotzdem immer wieder seinen Weg zurück in seine kleine Heimatstadt, und das mit großer Freude. Von dort aus verschlug es ihn nämlich zuerst zu den renommierten Regensburger Domspatzen, weiter über die Musikhochschule in München, bis er schließlich in Eichstätt 2002 zum Domkapellmeister berufen wurde.

Dass die Gredinger sein musikalisches Talent zu schätzen wissen, zeigte sich an den voll besetzten Kirchenbänken. Gespannt warteten die Zuhörer auf den ersten Ton. Und wirklich, hier wurde sich ausschließlich auf den Klang konzentriert. Denn im Gegensatz zu Bühnenkonzerten ging die Blickrichtung vom Künstler weg, schließlich befindet sich die Orgel ganz hinten im Kirchenschiff. Hinzu kommt der schlichte Rahmen der romanischen Basilika, der es ermöglichte, frei von Ablenkung vollkommen in die Musik einzutauchen. Das gemischte Publikum verriet, dass die Orgelmusik auch schon für die Jüngsten ein wahrer Genuss ist. „Ich hab sogar die Augen zugemacht“ grinst Elena Streb, gerade sieben Jahre alt. Sie wollte unbedingt zum Konzert, nachdem sie die Orgelklänge so fasziniert hatten, die sie zufällig bei der Generalprobe gehört hatte. Genauso wie das Publikum war auch das Programm bunt gemischt. Heiß' Meinung nach gebe es „keine Orgelmusik ohne Bach“ und so markierte das Concerto d-moll BWV 596 des barocken Komponisten den Anfang der Darbietung. Wurde das Stück ursprünglich für ein gemischtes Ensemble komponiert, so schaffte es Christian Heiß, die vielfältigen Melodien auf der Orgel als Soloinstrument zu interpretieren. In den fünf Sätzen durchlief das Publikum die ganze Bandbreite der Musik aus Bachs Zeit – dem fast schon meditativen Anfang folgten im ersten Satz kraftvolle, helle Akkordvariationen. Wie in einem Concerto üblich, waren die weiteren vier Sätze ein Wechsel der akustischen Gefühle. Langsame Melodien und teilweise dissonante Harmonien im zweiten Satz, fliehende und schnelle Tonfolgen in der Fuga, die ihrem Namen damit Ehre machte, gegensätzliche Klangbilder im Largo e spiccato und schließlich ein schwungvolles Allegretto, das die Komposition mit klaren, prunkvollen Akkorden beschloss – typisch Barock eben.

Nach einer stillen Minute, die nach jedem Stück ein wenig Zeit bot, um die Musik auf sich wirken zu lassen, stimmte der Organist sechs Variationen aus F-Dur von Justin Heinrich Knecht an. Knecht, ein Kind der Frühromantik, hätte damals sogar ein Kollege von Christian Heiß sein können. In Rom hatte er das Amt des Domkapellmeisters inne. Bei einer Variation wird der erste Teil eines Stückes auf künstlerische Weise verändert, also variiert. So entstehen neue Teile, die teilweise ganz unterschiedlich klingen und dabei doch alle auf der Ausgangsmusik basieren. Wie Heiß bereits zu Beginn vermutete, fand dieses Werk besonderen Anklang im Publikum, da es durchgängig sehr melodiös und lieblich war. Während die untergehende Sonne das Kirchenschiff in ein warmes Licht tauchte, erklang ein Scherzo in g-moll von Marco Enrico Bossi, das im Gegensatz zu den vorhergehenden Stücken etwas moderner war. Naja, bei einem Entstehungszeitraum um 1900 zumindest für klassische Musik modern. Hierbei kamen besonders zwei Dinge zum Vorschein: Heiß' Virtuosität zum einen, da die Komposition zum Großteil aus schnellen Tonfolgen bestand. Zum anderen wurde den Zuhörern die Vielseitigkeit einer Orgel erst bewusst. So hohe, klare Töne – die bekommt man sonntags im Gottesdienst nicht zu Gehör. Den heimlichen Höhepunkt des Konzerts – vor allem für Musikkenner – bildete die Zugabe nach anhaltendem Applaus. Heiß spielte nämlich eine Improvisation, die Königsdisziplin eines guten Musikers. Was man sich darunter vorstellen kann? Als einziger Anhaltspunkt die Melodie aus dem Gotteslob, keine weiteren Notenvorgaben. Alles, was aus den Orgelpfeifen klang, war ein Produkt spontaner Kreativität. An mancher Stelle drang die Ausgangsmelodie durch, doch auch komplett neue Melodien und sogar elegante Tonartwechsel spielte Christian Heiß aus dem Stegreif. Alles in allem ein Stück, das manch ein Komponist in wochenlanger Arbeit nicht hätte schreiben können.