Roth
Ein Flieger für Silbereisen

Gankino Circus lassen in der Kulturfabrik ihre Jugend und Dietenhofen aufleben

23.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:59 Uhr
Der Tipp für gestresste Fernseh-Playback-Akteure: Beim "fränkischen Flieger" musizieren. −Foto: Tschapka

Roth (HK) Nicht nur ein bisschen anarchisch, sondern auch anarchistisch und sogar anachronistisch hat der gut besuchte Auftritt des Gankino Circus in der Rother Kulturfabrik angemutet. Denn die vier Jungs im besten Mannesalter wollten nämlich gemeinsam mit dem Publikum mit Liedern und Geschichte aus ihrer Jugend in Dietenhofen die damalige Zeit wieder aufleben lassen.

Das stellten sie gleich klar zu Beginn eines hinreißend verrückten Abends, der unter dem Motto "Die Letzten ihrer Art" stand. Und warum auch nicht, stammen alle doch aus dem gleichen Ort im Landkreis Ansbach, und haben nicht nur die Schulzeit zusammen verbracht, sondern auch in der gleichen Blasmusikkapelle gespielt.

"Zugegeben, unsere Jugend ist schon eine Weile her", gaben sie zu. Aber mit ihren Anekdoten, Liedern und skurrilen Geschichten schafften es Ralf Wieland (Gitarre), Simon Schorndanner (Klarinette, Saxophon), Maximilian Eder (Akkordeon, Bonophon) und Johannes Sens (Schlagzeug, Trompete) dann doch verdammt gut, einen Einblick in ihre "wilden Jahre" zu vermitteln, so dass der Abend weniger Konzert denn mehr Musikkabarett wurde.

Trotz aller Virtuosität, mit denen sie ihre Instrumente beherrschten. Gemäß ihrer Jugenderinnerungen klangen viele Stücke etwas wehmütig, manche muteten fast schon etwas psychedelisch à la Pink Floyd an, und zwar handgemacht, ganz ohne Synthesizer. Alle Songs waren jedenfalls ausgesprochen spritzig, diese Bezeichnung dürfte es am genausten treffen - und sie überraschten mit überaus originellen Einfällen.

So wurde zum Beispiel eindrucksvoll demonstriert, wie die schnellen Läufe auf der Bouzouki, der griechischen Gitarre, die meist als Hintergrundmusik in griechischen Restaurants zu hören sind, gespielt werden: einfach ein Plektrum auf eine Bormaschine geschnallt, und schon prasseln die schnellen, hellen Töne nur so herab auf die Essensgäste. Aber auch so machte sich die Band so ihre Gedanken über griechische Restaurants. Sowohl die weißen Säulen als auch die "angenehm nackten Frauenstatuen" sprechen an beim Verzehr von Souvlaki & Co., darin waren sich alle einig. "Aber eigentlich ist der Deutsche immer zufrieden, wenn genug Fleisch auf dem Teller liegt".

Sie selber hatten ihre Jugend allerdings in Dietenhofen im "Gasthof zur Heiligen Gans" verbracht - zumindest im Alter von 14 bis 21 - und diesen eigentlich nur für "Notfälle" verlassen. Für Fisch-Kärwas oder Starkbierfeste der näheren Umgebung zum Beispiel. Prägend für die Jugend von Gankino Circus war auch der Wirt der Heiligen Gans, der "Weizen-Charlie", der nicht etwa deswegen so hieß, weil er bevorzugt Weizen ausgeschenkt hatte, sondern es am liebsten getrunken hatte. "Das bissl was ich ess, des kann ich auch trinken", hätte der immer gesagt.

Das Publikum merkte schnell: in Dietenhofen hat sich so eine glückliche Jugend offensichtlich vortrefflich verbringen lassen. Und auch heute ist der Ort noch sehr beliebt. Das fand offenbar auch Florian Silbereisen, den die Musiker einmal völlig überraschend in der Heiligen Gans angetroffen haben wollen.

Auf Kur sei er hier, erklärte der Moderator, Musiker und Liebling der Klatschblätter, der Fernsehdoktor Eckhart von Hirschhausen habe ihm Dietenhofen zum Auskurieren seines Burn Outs angeraten. "Kein Wunder, so ein ganzes Leben im Playback, das muss ja auf die Psyche gehen", stellten die Gankino-Musiker fest, und empfahlen Silbereisen ein paar spezielle Yogaübungen, wie zum Beispiel den "fränkischen Flieger", bei dem man, wie sie eindrucksvoll unter Beweis stellten, auch noch musizieren kann - ganz ohne Playback.

Nach dieser Rechnung steht auch fest: Die vier nicht mehr ganz so jungen Jungs müssen eigentlich dementsprechend überaus "normal" sein, denn für sie kommt Playback ganz sicher nicht in Frage. Ein normaler Abend war der zum Schreien komische musikalische Abend in der Kulturfabrik dann aber irgendwie doch nicht wirklich.

Tobias Tschapka