Eichstätt
"Täter im Talar"

Eine Ausstellung zu den Hexenprozessen im Hochstift Eichstätt fordert auch die vollständige Rehabilitation der Opfer

27.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:35 Uhr

Claus Peter Lieckfeld und Wolfram Kastner (unteres Bild, vorne von links) fordern, dass die Geschichte der Hexenverfolgung im Hochstift Eichstätt systematisch wissenschaftlich aufgearbeitet wird und dass ein Denkmal im Zentrum der Stadt geschaffen wird. Der Gedenkstein von Rupert Fieger, der seit 2001 nahe der früheren Hinrichtungsstelle oberhalb der Stadt steht, ist ihnen zu abgelegen. - Fotos: Chloupek

Eichstätt (HK) "Die Geschichte ist Teil der Gegenwart", sagt Wolfram Kastner. Das ist ein Grund, warum er und Claus-Peter Lieckfeld die Hexenverfolgungen im Hochstift Eichstätt auch nach 400 Jahren noch nicht ruhen lassen wollen und aktuell mit einer Ausstellung in der ehemaligen Johanniskirche präsent sind.

Kastner und Lieckfeld sind in der Domstadt bekannt. Ihr "Institut für Kunst und Forschung" mit Sitz in München, das vom Bund für Geistesfreiheit unterstützt wird, kritisieren die Bistumsleitung seit vielen Jahren mit öffentlichen Aktionen immer wieder für dessen ihrer Ansicht nach zu nachlässigen Umgang mit den Hexenverfolgungen auch im Hochstift.

Kastner und Lieckfeld fordern jetzt, dass im Zentrum der Stadt ein künstlerisches Mahnmal errichtet werden müsse, mit dem der bekannten Opfer der Hexenverfolgungen namentlich gedacht wird. Kastner muss sich deshalb dem Vorwurf stellen, er wolle damit seine eigene Kunst verkaufen. Dem entgegnet er jedoch: "Es geht hier nicht um mich. Es sollte eine öffentliche Ausschreibung geben, bei der sich Künstler aus ganz Deutschland beteiligen können."

Das 2001 vom Eichstätter Bildhauer Rupert Fieger geschaffene Mahnmal "zum Gedenken an die unschuldigen Opfer der Hexenverfolgung im 15., 16., 17. und 18. Jahrhundert" nahe der ehemaligen Hinrichtungsstätte oberhalb der Stadt lassen Kastner und Lieckfeld nicht gelten: Ein solches Denkmal müsse ins Zentrum der Stadt, und es müssten die Namen der Opfer erwähnt werden.

Dem namentlichen Erinnern an die Einzelschicksale ist nun die Ausstellung gewidmet, die am Freitagabend unter großem Publikumszuspruch eröffnet wurde. Anhand des Schicksals der Bürgermeistersgattin Ursula Bonschab, der 1627 wegen "Hexerei" der "Prozess" gemacht wurde, zeigt die Ausstellung mit Dokumenten, Zitaten und künstlerischen Arbeiten, "wie, warum und unter welchen Umständen so viele Unschuldige in die Fänge von Serien-Justizmördern" gerieten. Als einer der "Täter im Talar" wird Fürstbischof Johann Christoph von Westerstetten näher beleuchtet, der in seiner Zeit als geistliches und weltliches Oberhaupt in Eichstätt 188 Hexenprozesse und 173 Hinrichtungen von 147 Frauen und 26 Männern veranlasst habe. Die Schau zählt 227 dokumentierte Opfernamen in alphabetischer Reihenfolge auf, von Barbara Adelmännin (hingerichtet am 15. März 1619) bis Helena Ziegelmayrin (hingerichtet am 3. August 1624).

"Die Fakten stimmen", bestätigt der Eichstätter Heimatforscher Rudolf Hager am Rande der Ausstellungseröffnung auf Anfrage - auch wenn er mit den Forderungen und Schlussfolgerungen der Ausstellungsmachern nicht hundertprozentig übereinstimmt. Es gibt offenbar trotz einiger bekannter Arbeiten noch große Wissenslücken aus dieser Zeit, deshalb erklärt Kastner auch: "Wir fordern eine systematische wissenschaftliche Forschung über die Hexenverfolgung im Hochstift."

Zuallererst setzen sich Kastner und Lieckfeld allerdings die vollständige - nicht nur die ethische - Rehabilitation aller bekannten Opfer der Hexenverfolgungen ein. Dabei geht es auch um das Materielle. Die Opfer seien enteignet worden, die Täter hätten sich daran bereichert. "Wo die Rechtsnachfolger nicht mehr geklärt werden können, sollte die Entschädigung einem Fonds für aktuelle Folteropfer zugutekommen", sagt Kastner. Denn Folterungen gebe es heute noch in über 140 Ländern der Erde. Auch deshalb sei die Ausstellung mit samt ihren zahlreichen schrecklichen Details von vor 400 Jahren immer noch wichtig.

Die Ausstellung "Wegen Hexerey denunziert - gefoltert - verbrannt" ist noch bis Freitag, 15. September, täglich von 11 bis 18 Uhr in der ehemaligen Johanniskirche am Eichstätter Domplatz zu sehen.