Eichstätt
Flaschen und das geplatzte "Mutterfass"

Brauereien mit Binderwerkstätten Beim Englischen Garten wurden Fässer gepicht

17.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:39 Uhr

Foto: Marlene Ettle

Eichstätt (EK) Der Anblick von Bierfässern aus Eichen- oder Fichtenholz lässt die Herzen höher schlagen. Sie sind solid, wirken behäbig und verhießen einst reinen Genuss. Heute werden die Fässer, gebaut bei den Bindern, höchstens noch als Dekoration bei Volksfesten oder Jubiläen im Bierzelt gebraucht.

Große Brauereien, wie etwa die einst fürstbischöfliche Hofmühl, hatten eine eigene Fassbinderwerkstätte. Als die Hofmühl die Schäfflerei in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgab, wurden die Bierfässer bei der 1918 gegründeten Eichstätter Schäfflerwerkstätte Ludwig Wieser in der Westenstraße bestellt. Dabei konnte die Küferei verschiedene Werkzeuge zur Fassherstellung übernehmen, was die Aufschrift "fürstliche Brauerei Hofmühl" beweist. Heute sind die Werkzeuge im Technikmuseum Kratzmühle bei Kinding zu bewundern; dort ist eine originalgetreue Schäfflerei aufgebaut worden.

Die Binder fertigten einst Butter- und Melkzuber, Schäffeln, Sauerkrautfässer und Odlfässer (für die Jauche). Das dazu verwendete Holz musste drei Jahre abgelagert sein. Daraus wurden die Dauben gebogen, aus denen ein Fass zusammengefügt wird. Fassbänder aus Eisen geben dem Gefüge festen Halt. Die Fässer haben Spund- und Zapflöcher. Der "Banzen" fasst 100 Liter Bier, ein "Hirsch" 200 Liter.

Eine wichtige Aufgabe ist das Pichen, das Ausgleiten mit Baumpech zur völligen Abdichtung. Dies wurde in der Hofmühl mit eigenen Mitarbeitern erledigt, bis 1861 die Zündholzfabrik Anton Zimlich in das Pechhaus einzog; Zimlich fabrizierte später neben dem Westen- oder Pestfriedhof.

Im Juni 1907 wandte sich die Brauerei Hofmühl mit einer "höflichen Bitte" an die Kunden: Leere Bierfässer sollten nicht mehr zur Abholung ins Freie gestellt, sondern an einem kühlen und geschützten Ort aufbewahrt werden. Dadurch werde vermieden, dass die Fässer in der Sonne eintrocknen und dann schwer wieder dicht zu bekommen seien. Außerdem seien schon Verunreinigungen durch Menschen und Tiere vorgekommen.

Über Bierfässer und das Pichen finden sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder Meldungen in der Heimatzeitung. In Vertretung des erkrankten Bürgermeisters wandte sich Rechtsrat Carl Nar am 15. Dezember 1840 "an die hiesigen Bräuer". Es habe sich der Unfug eingeschlichen, dass das Pichen der Bierfässer auf öffentlichen Plätzen, insbesondere am Graben, vorgenommen werde. Aus "sicherheits-polizeilichen Rücksichten" wurde bestimmt: Das Fässerpichen darf nur noch auf dem freien Platz hinter dem Englischen Garten (der liegt an der Rebdorfer Straße) vorgenommen werden. Schon im November 1794 wurden im "Intelligenzblatt" der Allgemeinheit Ratschläge erteilt, "wie man Bierfässer auf vorteilhafte Art pichen kann".

Ein hoher Schaden entstand der Brauerei Georg Dietrich (Plenaglgasse, heute Pedettistraße) im Januar 1893. Ein Bräuknecht verfrachtete ein "Mutterfass" per Pferdefuhrwerk in den Keller der Brauerei im Rosental (Ingolstädter Straße). Dabei rutschte das Fass vom Wagen und platzte. Das Bier lief aus. Der Inhalt wurde mit 30 Hektoliter, also rund 3000 Maß Bier angegeben.