Eichstätt
Bei Sammlern geht die Angst um

06.04.2016 | Stand 02.12.2020, 20:00 Uhr

Foto: Hermann Redl

Eichstätt (EK) Mit einem neuen Kulturgutschutzgesetz soll der illegale Handel mit Kunstgegenständen unterbunden werden. Bei Kunsthändlern und Sammlern regt sich heftiger Protest. Betroffen sind nicht nur Stücke von nationalem Rang, sondern auch solche von regionaler Bedeutung - wie Fossilien und Schmetterlinge aus dem Jura.

Sauber in einem Schubfach und unter Glas geschützt sind sie aufgereiht: Apollofalter verschiedener Provenienzen. Eine echte Rarität. Für die Altmühl-Jura-Gegend von hohem wissenschaftlichen Wert und von regionaler Bedeutung. Die Schmetterlinge sind Bestandteil einer Sammlung, die Ernst Palme (1918-1988, Leiter des Landwirtschaftsamtes Ingolstadt, wohnhaft in Eichstätt) in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts angelegt hat. Insgesamt umfasst die Sammlung 34 Kästen mit Schmetterlingen, die meist auf Flächen um Eichstätt gefangen, wissenschaftlich bestimmt und präpariert worden sind. Kein Zweifel: Eine wissenschaftlich bedeutsame Sammlung, die sich da in Eichstätter Privatbesitz befindet. Betreut wird sie von dem Biologen Bruno Hügel, langjährigem Akademischen Direktor für die Didaktik der Biologie an der Katholischen Universität Eichstätt. Der promovierte Botaniker Hügel ist dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Nach Palmes Tod 1988 wurde die Sammlung von den Erben über ein Antiquariat dem Priesterseminar Eichstätt für dessen naturwissenschaftliche Sammlungen angeboten. Dem fehlte das Geld, und da die Erben Bares sehen wollten, vermittelte der Antiquar die Sammlung an eine Privatperson.

Für Hügel ist der wissenschaftliche Wert unbestritten: "In Anbetracht des enormen Artenschwunds auch in unseren Breiten und der immer geringer werdenden Bestandsdichte an Schmetterlingsarten, aber auch angesichts der neuartigen Erkenntnisse, die über genetische Untersuchungen auch an toten Objekten gewonnen werden können, ist es ein Glücksfall, dass die Sammlung Ernst Palmes für die Region erhalten blieb und für wissenschaftliche Auswertungen und Ausstellungszwecke zur Verfügung steht." Ein Glücksfall? Ganz so glücklich ist Hügel derzeit nicht. Mit der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters geplanten Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes sieht der Botaniker die Sammlung gefährdet. Wie darf künftig mit einer derartigen Sammlung verfahren werden, zum Beispiel wenn es um die Ausleihung von bestimmten Stücken oder der gesamten Sammlung geht? Und: Dürfen Sammler Einzelstücke, die sie vor Jahrzehnten erworben haben, künftig auch weiterhin für Ausstellungen zur Verfügung stellen? Oder droht ihnen dann der Einzug ihrer Exponate, sprich Enteignung?

Die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes könnte auch private Käfer- oder Schmetterlingssammlungen betreffen. Denn beim Eintrag in ein "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" spielt auch die Beurteilung von "Sachgesamtheiten von Kulturgütern" eine Rolle. Es kommt also nicht auf die Beurteilung eines Einzelstückes in der Sammlung per se an, sondern auf deren Gesamtheit. Und dafür gibt es laut Hügel bereits einen Präzedenzfall: Einer in München aufgebauten Käfersammlung hat die obergerichtliche Rechtsprechung die Eintragungswürdigkeit als Kulturgut zuerkannt.

Betroffen sind auch Münzsammler wie der Eichstätter Josef Schönwetter und seine Kollegen. Auch er fürchtet "massive Einschnitte". Vor allem die beabsichtigte Beweislastumkehr sei ein "Knackpunkt", sagt Schönwetter. Dies bedeutet, dass jeder den legalen Erwerb seiner Münze für mehrere Jahre rückwirkend nachweisen können muss, mindestens bis zum Jahr 2007. Mit der Novellierung des Gesetzes, mutmaßen Hügel und Schönwetter, würden private Sammler Objekte für Sonderausstellungen wie vor Jahren auf der Eichstätter Willibaldsburg zur römischen Münzkunde als Leihgaben nicht mehr zur Verfügung stellen. Hügel hat die Politik eingeschaltet: die Eichstätter Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Dremel und den Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl (CSU). Mittlerweile liegt seine Anfrage bei Ansgar Heveling, dem Vorsitzenden des Innenausschusses des Deutschen Bundestages und Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Kultur und Medien. Heveling ist für die Vorbereitung der Anhörung im Bundestag zuständig, die nach der ersten Lesung im Bundestag im Frühjahr folgen soll.

Bereits jetzt zu spüren bekommen Museumsleiter die befürchteten Auswirkungen des geplanten Gesetzes. Aus dem Solnhofener Museum, einem der wichtigsten Museen in der Altmühl-Jura-Region, haben private Leihgeber ihre wertvollsten und für das Museum unersetzlichen Stücke bereits abgeholt. Weniger betroffen ist das Eichstätter Jura-Museum. Dessen Exponate sind überwiegend im Besitz des Eichstätter Priesterseminars; allerdings verlor es bereits einen Flugsaurier und einen Mondfisch. Überhaupt nicht tangiert ist das Museum Bergèr auf dem Harthof, das alle Stücke sein Eigen nennt (siehe Interview).

Auch in Teilen der Wissenschaft wird mit dem Rückzug privater Sammler ein großer Verlust befürchtet. Wenn die bisher äußerst gedeihliche Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und privaten Sammlern aufgekündigt werde, sei dies ein "fataler Verlust für die Wissenschaft", sagt der frühere Leiter des Juramuseums Eichstätt, Dr. Günter Viohl. Dies gelte auch, wenn wie bereits geschehen, Stücke aus Privatsammlungen aus Museen entfernt oder der Forschung nicht mehr zur Verfügung würden. Natürlich müsse der Handel mit illegalem Gut unterbunden werden, aber das Gesetz in der vorliegenden Form sei ein "bürokratisches Monster" und für die Paläontologie kontraproduktiv. Viohl spricht vom "Tod der Paläontologie."

Beispiel: die Abbildung einer Münze aus dem byzantinischen Reich (im Privatbesitz eines Mitglieds der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft e. V., das namentlich nicht genannt werden will). Das Exemplar wurde auf einer Messe gegen Rechnung legal erworben und danach wegen seiner Einmaligkeit in einem Standardwerk zur byzantinischen Numismatik beschrieben. Diese wissenschaftliche Aufarbeitung durch einen privaten Sammler dürfte nach der jetzt vorliegenden Fassung des Gesetzes wohl nicht mehr möglich sein.