Eckersmühlen
Von Eckersmühlen nach Kreta

Die Kriegserinnerungen des Schusters Hans Bergmann – Drei Jahre Gefangenschaft in der nordafrikanischen Wüste

10.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:26 Uhr

Hans Bergmann aus Eckersmühlen wurde 1940 zur Wehrmacht eingezogen und diente im Balkankrieg in Griechenland und auf Kreta, ehe er in britische Gefangenschaft geriet. Ein Kriegsbericht Bergmanns findet sich in der Chronik des Soldaten- und Kriegervereins Eckersmühlen, aus der auch das Bild Bergmanns von 1941 oder 1942 stammt. Repro: Wittek

Eckersmühlen (HK) Am 6. April 1941 überfiel die Deutsche Wehrmacht Griechenland und Jugoslawien. Beide Länder wurden besetzt und kapitulierten nach wenigen Wochen. Auch der Eckersmühlener Hans Bergmann musste einrücken und wurde in Griechenland und auf Kreta eingesetzt.

In der Chronik des Soldaten- und Kriegervereins Eckersmühlen ist der Bericht des Alteingesessenen als „Berchmo-Schuster“ bekannten Hans Bergmann erhalten, den er 1976 selbst verfasst hat. Hans Bergmann, Jahrgang 1907, wurde am 14. Mai 1940 zur 3. Kompanie des Infanterie-Ersatz-Bataillons in Fürth zum Kriegsdienst einberufen. Nach der Rekrutenausbildung und dem anschließenden Garnisondienst wurde er am 2. Mai 1941 zur 12. Kompanie des Infanterie-Regiments 733 der neu aufgestellten Infanterie-Division 713 nach Nürnberg-Großreuth versetzt. Von dort aus ging es per Fußmarsch über Würzburg nach Hammelburg, um in Richtung Osten transportiert zu werden.

Durch kurzfristige Änderung wurde das Regiment Bergmanns am 18. Juni 1941 jedoch nicht wie geplant in Richtung Russland, sondern nach Griechenland in Marsch gesetzt. In einem Güterzug wurde Bergmanns Einheit über Landshut, Salzburg nach Belgrad verlegt. „Weiter nach Belgrad. Um Mitternacht in langsamer Fahrt über die Save, welche dort in die Donau mündet. Nach einer Stunde Fahrt aussteigen und beiderseits in Stellung gehen: Ein serbischer Eisenbahner hatte mit Laterne aufgehalten; 200 Meter weiter waren über einer Schlucht die Gleise gesprengt worden. Von Belgrad kam ein Pionierzug mit Schwellen und Schienen. Am Abend ging es langsam weiter nach Mazedonien, das Vardartal abwärts zum Bahnknotenpunkt Platy nahe Saloniki“, schreibt Bergmann in seinen Erinnerungen.

Im griechischen Saloniki angekommen berichtet der Eckersmühlener für die Zeit von Juli bis November 1941 weiter: „Im Juli dort sehr heiße fünf Tage. Dann die Ägäis entlang, am Olymp vorbei nach Larissa, auf einer Hochebene gelegen, mit vielen Störchen. Die Stadt war durch ein Erdbeben zerstört worden. Am Bahnhof standen zerschossene Panzer zum Verladen, innen mit Blut verspritzt“, schreibt Bergmann. „Unterwegs sprang ein Pferd aus dem Zug und galoppierte draußen herum. Der Zug hielt, das Pferd wurde eingefangen und eingeladen. Am Bahnhof Lianikladi bei Lamia wurde abends ausgeladen. Dann Marsch westwärts ans Meer nach Agia Marina. Quartier in einem Olivenhain; im heißen Talkessel, kein Luftzug! Vor der Bucht die Insel Euböa. In diesen zehn Tagen den ersten Toten durch Malaria“, berichtet der Eckersmühlener.

Die Truppenverlagerung gestaltet sich schwierig. „Mit Lkw über die Thermopylen, die beiden Eisenbahnbrücken waren gesprengt. Nach Verladen über den Fluss Kifis hinab nach Theben: Am Sonntagmorgen, den 10. August 1941 mit schönem Fernblick auf Athen mit Akropolis und Parthenon. Halbwegs Piräus, am Bahnhof Ruf erfolgte die Ausladung. Ausgang zur Akropolis mit Blick zum Hafen Piräus und zur Insel Salamis.“ Den Ausblick kann Bergmann nicht lange genießen. Er schreibt: „Am anderen Morgen um 3 Uhr früh Marsch durch Athen in Richtung Kap Sounion; von 9 Uhr bis Nachmittag Pause. Dann durch die Ebene zwischen Weinfeldern. Die Soldaten holten sich einen Stahlhelm voll süßer Trauben. Die Pferde ließen die Ohren hängen! Gegen Abend war das Weinstädtchen Markopoulon erreicht, 25 km südlich von Athen. Ende September 1941 war Verlegung nach Psychikon, Ende Oktober nach Kalandri bei Athen, Villenvorort. Am 9. November war der Divisionsstab bei der Überfahrt nach Kreta versenkt worden.“

Bergmanns Regiment, mittlerweile umbenannt in 746, wurde für den Einsatz in Afrika vorbereitet und schon mit Wüstenuniformen ausgestattet, als wiederum kurzfristig eine Änderung kam. Statt Bergmanns Einheit wurde das Regiment 125 nach Afrika verlegt, wo es in heftigen Kämpfen vollständig aufgerieben wurde.

Das Infanterie-Regiment 746 kam im März 1942 nach Kreta und wurde dort als Besatzungstruppe eingesetzt. Im April 1942 lag Hans Bergmann selbst wegen Malaria im Lazarett. Er berichtet weiter über die Schwierigkeiten der Besatzungstruppe beim Einsatz gegen Partisanen und über die Entführung des deutschen Generals Kreipe im April 1944. Im Ostteil der Insel bei Iraklion war am 26. April der deutsche General Heinrich Kreipe von englischen Sabotagetrupps nach Kairo entführt worden.

Im letzten Kriegsjahr war die Wehrmacht inzwischen an allen Fronten auf dem Rückzug. Auch auf der Insel Kreta wurde der Abzug der deutschen Truppen eingeleitet. Bergmann schriebt: „Nach den Rückschlägen in Nordafrika und an der Ostfront sollte die Insel Kreta im Spätsommer 1944 von den deutschen Truppen geräumt werden. Unsere Kompanie sollte den Flugplatz abschirmen und als letzte abfliegen.

[…] Der ganze Ostteil und die Südküste waren geräumt, ein schmaler Streifen an der Nordküste war noch besetzt […]. Aber Ende September beschossen englische Kreuzer die Stellungen und ließen nichts mehr abfliegen. Zudem waren die Engländer in Piräus gelandet!“

Die Lage wird für Bergmann prekär. „Auf Kreta waren von den ursprünglichen 60 000 Mann nun 15 000 Mann aller Waffengattungen eingeschlossen auf einer Fläche von etwa 50 km Länge und 10 km Tiefe.“ Für diese Soldaten wird die Lage immer bedrohlicher, wie Bergmann berichtete: „Diese südlichste Front hatte nun keinen Nachschub. Die Partisanen wurden immer stärker und gefährlicher.

Ende November gab es Ausfälle ins Partisanengebiet mit Verlusten auf beiden Seiten. Die bereits gesprengten Stellungen mussten nun wieder ausgebaut werden. 1945, im Februar, kam das letzte Postflugzeug von Agram (heute: Zagreb, Anm. d. Red.) nach Kreta. […] Durch Partisanen gab es immer wieder Verluste.“

Trotzdem keimt bei Bergmann wieder etwas Hoffnung auf, den Krieg zu überleben. „1. Mai 1945 Stabsgefreiter. Das Ende des Krieges am 8. Mai wollte man fast nicht glauben! Mitte Mai kamen die Engländer von Iraklion herauf. Die Partisanen griffen auch diese an, sodass die deutschen Truppen für die Engländer eingreifen mussten. Die dortige Bevölkerung staunte, dass wir mit den Engländern gut zurechtkamen!“

Trotzdem trat Bergmann seinen Weg in die Kriegsgefangenschaft in Nordafrika an. „Wir waren bewaffnet, bis wir am 11. Juni 1945 in der Souda-Bucht auf das 16 000 to-Schiff Kameronia gingen. Am 15. Juni Landung in Alexandria als Gefangene; Trennung von den Offizieren. Von dort nach Westen über El Alamein etwa 60 km nach El Daba in das Lager 383 hinter Stacheldraht in der Wüste, wo wir in Zelten hausten; 3 Jahre lang in Zelten in Ägypten!“, schreibt er.

In der abgelegenen Wüste gab es aber auch schöne Überraschungen. „150 Meter entfernt war auch Richard Grimm aus Eckersmühlen! Er hatte die erste Nachricht von Zuhause. Auch Zeitungs-Müller aus Roth war dort!“

Hans Bergmann schildert weiter den Lageralltag und den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen: „Der Dienst im Lager: Sauber rasiert, sonst Strafe! Früh 7 Uhr Zählung, dann schwarzen Tee mit dünnem Haferflockenbrei. Zelt ausräumen, Giebelseiten hochrollen, Strohsäcke und Gepäck in Linie vor und hinter den Zelten aufstellen, Strohhalme und kleine Steine auflesen, Lager sauber halten. Um 9 Uhr Inspektion durch englischen Offizier oder Feldwebel. Wenn diese gut ausfiel, konnten wir wieder einräumen, wenn nicht, mussten wir draußen bleiben bis 11 Uhr. Um 12 Uhr Essen fassen. Es gab zehn Tage lang das gleiche Essen: Weiße Bohnen, oder Erbsen, oder Kohl.

Zweimal mussten wir zum Baden ins nahe Mittelmeer marschieren: 5 Mann nebeneinander, 20 Mann hintereinander wurden abgezählt, ohne Hemd und Kopfbedeckung, nur mit Schuhen, kurzen Hosen und Handtuch. Dann durch eine Postenkette von schwarzen Afrikanern. Am Wasser ablegen, genau ausgerichtet: Schuhe, Hose, Handtuch, dann etwa 20 Minuten ins Wasser. Zurück in gleicher Ordnung und wieder abgezählt.

Abends wieder genaue Zählung, dann Tee und ein Weißbrot für 10 Mann: das war eine kleine Scheibe für den ganzen Tag, dazu ein Scheibchen Sojawurst von Sojabohnen. Vor dem Schlafen ging man ein paar Runden am Zaun entlang, dann ins Zelt. Um 9 Uhr blies ein Trompeter das Lied „Gefangen in maurischer Wüste“; ein trauriges Lied!“, schreibt Bergmann.

Das eintönige Lagerleben wird nur durch Arbeitseinsätze unterbrochen, von denen Bergmann erzählt: „1946 war Wasserleitungsbau bei El Alamein. Im Mai wurde eine Arbeitsabteilung mit 1800 Mann zusammengestellt. Mit der Bahn ging es nach Kairo. Bei El Alamein waren noch die Stallungen der Engländer zu sehen, sie waren mit Kalkplatten ausgelegt.

Neben der Straße war ein mannshoher Findlingsstein, eingemeißelt eine Palme mit Liktorenbündel der Italiener und das Hakenkreuz.

Im nordöstlichen Stadtteil von Kairo am Flugplatz Almaza, in Heliopolis Quartier mit den Engländern. 6 Schuhmacher arbeiteten für die Engländer. Dort war es gut. 1947 mussten die Engländer aus dem Nildelta abziehen. Wir kamen nach Suez, 120 km von Kairo, mit 30 Mann.“

Es war Hans Bergmanns letzte Station in Gefangenschaft. „1948, im April, ins Entlassungslager am großen Bittersee. Neben dem Kanal war Eisenbahn und Asphaltstraße. Drüben auch eine Asphaltstraße. Mehrere Zeltlager bei dem englischen Generalhauptquartier im Ort Fayid; Massen von Gefangenen!

Ende April mit dem Schiff von Port Said über Gibraltar nach Hamburg. Über Munsterlager, Göttingen, Fulda nach Hammelburg, von wo ich vor 7 Jahren die weite Reise in die unbekannte Welt antrat!

Mit ausgegebener Fahrkarte kam ich am 13. Mai 1948 nach langer Irrfahrt zu Hause an.“

Hans Bergmann kehrte zurück nach Eckersmühlen, wo er wieder in seinem Beruf als Schuster arbeitete und bis ins hohe Alter mit seiner Frau den kleinen Schuhladen mit Werkstatt betrieb. Hans Bergmann starb, 50 Jahre nach seiner Gefangennahme, im Jahr 1995 in Eckersmühlen im Alter von 88 Jahren.