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Die Wahrheit kam spät ans Licht

22.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:02 Uhr

Thalmässing (luf) Wenn der Gedenkstein für die ermordeten Juden im nächsten Jahr aufgestellt wird, jährt sich auch die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 zum 80. Mal. Die Synagoge hat seinerzeit in Thalmässing nicht gebrannt, anders als in vielen deutschen Städten. Aber nur, weil sie bereits seit 1936 als Schranne, als Getreidespeicher, genutzt worden war. Das bedeutet nicht, dass es in dieser Nacht nicht auch im Raum Thalmässing Ausschreitungen - sogenannte Aktionen - gegen Menschen jüdischen Glaubens gegeben hätte. Nicht die ersten, denn schon im Sommer 1933 kam es zu Angriffen.

All dies ist belegt, unter anderem in Strafprozessakten aus dem Nürnberger Staatsarchiv, die Willi Weglehner in Kopie zu Hause hat. Claus Wittek, Heimatforscher aus Eckersmühlen, hat sich überdies in seinem Buch "Beschwiegene Schicksale: KZ-Opfer aus dem heutigen Landkreis Roth und der Stadt Schwabach" überaus verdient gemacht, indem er die Wege der deportierten und zumeist ermordeten Juden recherchierte. Weglehner greift auch auf die Forschungen des Historikers Ralf Rossmeissl zurück, deren Ergebnisse in Thalmässing erstmals 1998 in der Ausstellung "Jüdische Heimat Thalmässing" zu sehen waren.

Bis zu dieser Ausstellung habe es im Ort immer geheißen: "Von den Thalmässinger Juden ist keiner fortgekommen." So erinnert sich Weglehner. Dass das nicht stimmt, "hat nicht mal mein Vater gewusst - und der war Bürgermeister". Im Krieg aber auch weit weg, an der Front. "Die Nazis haben alles vertuscht", sagt Weglehner. Die Menschen seien wirklich davon ausgegangen, die jüdischen Mitbürger seien seinerzeit ausgewandert oder gestorben, "das ist ungeheuerlich". Wenn Wittek aufzeige, dass David Erlanger ab Nürnberg deportiert wurde, bevor er in Theresienstadt den Tod fand, oder Sophie Bock, geborene Heidecker, ab München auf den Weg nach Auschwitz geschickt wurde, dann heiße das nichts anderes, als dass sie alle "in einer Nacht- und Nebelaktion in Sammelunterkünfte verschleppt worden sind, von wo sie deportiert wurden".

Die Prozessakten von vier Angeklagten aus Thalmässing aus dem Jahr 1950 liegen Weglehner vor. Von "Rädelsführern", wie die Staatsanwalt seinerzeit sagte, einer von ihnen der Lehrer Fritz S., SA-Obersturmbannführer und später Ortsgruppenleiter der NSDAP. Doch waren sie nicht allein: Sie wurden unter anderem beschuldigt "an der öffentlichen Zusammenrottung einer Menschenmenge teilgenommen zu haben". Mit letztlich katastrophalem Ergebnis - daran soll der Gedenkstein erinnern.