Der
Serie zum BBV: Einigkeit macht stark

Michael Wohlmuth aus Laibstadt kämpfte als erster Kreisobmann des BBV für Bildung und Einheit

03.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Glanztage für den bäuerlichen Berufsstand: Michael Wohlmuth (2.v.r.) organisierte als Kreisobmann über 20 Bauertage wie den von 1956 in seinem Heimatort Laibstadt, zu dem mit dem bayerischen Landwirtschaftsminister Joseph Baumgartner (rechts) hoher Besuch kam. - Foto: Schneider

Hilpoltstein (HK) Der Bayerische Bauernverband (BBV) feiert an diesem Samstag sein 70-jähriges Bestehen. Die Anfänge im Landkreis Roth waren allerdings holprig. Erst am 22. Juni 1946 wurde Michael Wohlmuth aus Laibstadt zum ersten Ortsobmann des BBV gewählt. Später wurde er auch der erste Kreisobmann im Altlandkreis Hilpoltstein. Unermüdlich fuhr Wohlmuth mit seiner 250er BMW über die Dörfer und versuchte, die Bauern vom BBV zu überzeugen.

Der 7. September 1945 gilt als Gründungsdatum des Bayerischen Bauernverbandes. Im Sitzungssaal des Amtes für Ernährung und Landwirtschaft in München waren Vertreter der früheren Bauernverbände und Beamte der Ernährungsverwaltung zusammengekommen. Eine Urkunde vom 29. November 1945 bestätigte dem Bayerischen Bauernverband BBV die Stellung als Köperschaft des öffentlichen Rechts. Am 21. Dezember bestätigte die US-Militärregierung die Lizenz.

Michael Wohlmuth wurde erst ein knappes Jahr später, im Sommer 1946, an die Spitze des Kreisverbandes Hilpoltstein gewählt. Wohlmuth hat zu Hause oft von den Anfängen des BBV im Landkreis Hilpoltstein erzählt, erinnert sich seine Tochter Marianne Schneider. „Auf dem Jura hatten die Bauern im Wirtshaus noch ihre Hüte auf. Sie haben nicht mal aufgeschaut, wenn mein Vater mit seinem Vortrag angefangen hat. Erst mit der Zeit sind Köpfe hochgegangen“, sagt sie. Kärrnerarbeit. „Er hat seine Mission vorgetragen.“ Und die hieß Bauernverband. Keine Partei, sondern ein Berufsverband. Er sollte die Interessen der Bauern gegenüber der Politik durchsetzen, Weiterbildung, Sozialversicherung und Altersversorgung sicherstellen.

Doch nach der Nazi-Diktatur und dem verlorenen Krieg herrschte wenig Interesse an Politik. Michael Wohlmuth selbst hat bei seiner Abschiedsrede 1977 Rückschau auf die Anfänge gehalten. „Die Gründung der Ortsverbände war nicht immer leicht. Die Bauernschaft wollte von Neugründungen, von Organisationen nichts mehr wissen“, sagte Wohlmuth damals in seiner Rede. „Doch langsam konnte die Einheitsorganisation Eingang finden.“

Das war ein völlig neuer Ansatz. Die Mitgliedschaft war freiwillig, alle Konfessionen waren im BBV vertreten. Damit wollte man eine Zersplitterung der Verbände, wie sie vor 1933 herrschte, vermeiden.

In der Weimarer Republik gab es in Bayern drei große Interessenvertretungen der Bauern: den Bayerischen Christlichen Bauernverein als Organisation des politischen Katholizismus, den deutschnationalen Bayerischen Landbund im eher protestantischen Franken und den Bayerischen Bauern- und Mittelstandsbund. Die Nationalsozialisten fassten sie zwangsweise im Reichsnährstand zusammen. Lieferquoten und Preise wurden festgeschrieben, Ortsbauernführer sorgten für die Überwachung.

Im neu zu gründenden Bauernverband sollten daher unbelastete Funktionäre die Spitze übernehmen, ehemalige NSDAP-Mitglieder waren aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. In einem Schreiben des mittelfränkischen BBV-Kreisdirektors Anton Wehr an „die Herren Bürgermeister“ vom 21. Februar 1946 heißt es: „Gemäss . 6 Abs. 2 der Satzungen können die ehemaligen Mitglieder der NSDAP die Mitgliedschaft des Bayer. Bauernverbandes erwerben, wenn sie der NSDAP erst im Jahre 1933 oder später beitraten und nicht aktiv für sie tätig waren. Die Wahl eines ehemaligen Parteimitglieds zum Ortsobmann soll im Allgemeinen vermieden werden.“

Michael Wohlmuth war unbelastet. 1902 in Laibstadt geboren besuchte er 1928/29 die sogenannten Regensburger Kurse, Vorläufer der späteren Landvolkhochschule. „Das hat ihn geprägt“, erzählt Marianne Schneider. „Bildung und Ausbildung waren ihm immer das Wichtigste.“ Bis 1932 arbeitete Wohlmuth, der immer gerne studiert hätte, auf großen Gütern in Oberbayern. Dann kehrte er auf den kleinen elterlichen Hof nach Laibstadt zurück. Er wurde Geschäftsführer der Raiffeisenkasse, war aber in keinem Bauernverband organisiert. Im Oktober 1941 wurde er zum Kriegsdienst einberufen. Am 5. Mai 1945 geriet er in US-amerikanische Gefangenschaft. Die dauerte aber nur kurz. Bereits am 28. Mai 1945 wurde Wohlmuth entlassen – Landwirte wurden benötigt.

Michael Wohlmuth, mittlerweile 45 Jahre alt, begann sich für den BBV zu engagieren. Bei der Gründungsversammlung des Ortsverbandes Laibstadt wurde er laut Protokoll am 22. Juni 1946 zum ersten Ortsobmann der Gemeinde gewählt. Weiter heißt es: „Dem Ortsverband sind 27 Mitglieder beigetreten.“ Die Wahl zum ersten Kreisobmann gestaltete sich schwierig. Wohlmuth wurde zwar zur Kandidatur aufgefordert, doch die geplante Gründungsversammlung im Gredinger Raum fand ohne ihn statt. Eine Streife der Militärpolizei hatte ihn mit seiner 250er BMW auf dem Weg von Laibstadt nach Greding gestoppt, weil er die Ausgangssperre übertreten hatte. Die MP lud sein Motorrad auf den Jeep und nahm Wohlmuth in Gewahrsam. Erst am nächsten Tag kam er wieder frei. Die Versammlung verlief im Sande. Erst im zweiten Versuch, am 2. Februar 1946, klappte es mit der Wahl. Die Mitgliedschaft war freiwillig, Betriebsinhaber zahlten drei Reichsmark Aufnahmegebühr, Dienstboten, Bauernsöhne und Altsitzer zahlten eine Reichsmark. Die erste Geschäftsstelle mit Hans Mödl als Geschäftsführer lag in Weißenburg.

Die Aufgabe war alles andere als leicht. Noch immer herrschte Zwangsbewirtschaftung, jetzt unter der US-Militärverwaltung, es gab Lieferquoten, unter Polizeieinsatz wurden Kartoffel- und Getreidevorräte auf den Höfen kontrolliert, Zwangsabgaben und Enteignungen waren keine Seltenheit. Die Ortsobmänner entschieden oft über die Einquartierung von Flüchtlingen. Noch im Mai 1949 lebten auf 200 000 bayerischen Höfen über 850 000 Flüchtlinge. „Notlage auf allen Gebieten“, erinnerte sich Michael Wohlmuth in seiner Abschiedsrede von 1977. „Gar manches Mal musste ich mit dem Leiter des Ernährungsamtes Roth, Herrn Ökonomierat Haiger, an Enteignungen von Getreide, Kartoffeln . . . teilnehmen“, erinnerte sich Wohlmuth. Ungern, wie er sagte.

Der Laibstädter widmete sich lieber der Zukunft und seinem großen Thema Bildung. Im Kreistag forcierte er, selbst Mitglied dieses Gremiums, die Gründung der Landwirtschaftsschule in Thalmässing. Die war bereits 1935 geplant, wurde aber erst 1949 realisiert, obwohl Hilpoltstein einer der wenigen bayerischen Landkreise war, der noch keine Landwirtschaftsschule besaß. „Bildung ist das beste Werkzeug.“ Das war einer von Wohlmuths Leitsprüchen. Zur Eröffnung am 15. November 1949 sprach der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Wilhelm Niklas, der bereits bei der Gründungssitzung des BBV als Ministerialrat dabei war. Wohlmuth nutzte die Gelegenheit und legte dem Minister nahe, in Thalmässing auch eine Hauswirtschaftsschule anzusiedeln. Mit Erfolg. Am 15. März 1951 wurde die Schule eröffnet.

Besonders am Herzen lagen Michael Wohlmuth die großen Bauerntage mit Tausenden von Besuchern. „Es waren Glanztage für den bäuerlichen Berufsstand“, sagte er 1977 im Rückblick. Den ersten organisierte er bereits acht Tage vor der Währungsreform im Juni 1948 in Thalmässing. Zum Bauerntag 1950 in Meckenhausen gab es eine Tierschau. 1956 war die Schau unter freiem Himmel ein Heimspiel für Michael Wohlmuth. Der bayerische Landwirtschaftsminister Joseph Baumgartner fuhr mit dem BBV-Kreisobmann in der Kutsche in Laibstadt vor, Wohlmuths Tochter Marianne durfte ein Gedicht aufsagen. Auf dem Bauertag 1973, erneut in Thalmässing, bekam Wohlmuth für alle Mühen und seinen ehrenamtlichen Einsatz das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Inzwischen war er nicht nur Vizepräsident des BBV, er war auch erster Obmann des neuen Kreisverbandes Roth. Der entstand 1972 nach der Gebietsreform durch die Zusammenlegung der Kreisverbände Schwabach und Hilpoltstein. Wohlmuth wollte eigentlich nicht kandidieren, wurde aber dazu überredet. Er könne die Vereinigung am besten moderieren, fanden die meisten Ortsobmänner. Die neue Geschäftsstelle des Kreisverbandes Roth zog in der Kreisstadt ein, die Landwirtschaftsschule Thalmässing wurde mangels Nachwuchs aufgegeben.

Wohlmuth blieb bis 1977 im Ehrenamt, am 19. April 1988 starb er im Alter von 86 Jahren. „Ihm ist es immer um das Wohl des Bauernverbandes gegangen, nicht um sein eigenes. Lieber ist daheim etwas liegen geblieben, bevor er seine Arbeit für die Bauern vernachlässigt hätte“, sagt seine Tochter Marianne Schneider. Dafür und für den Zusammenhalt seines Berufsverbandes habe er gekämpft wie ein Löwe. Sein Leitmotto war immer: „Einigkeit macht stark.“