Hilpoltstein
Jamaika wird eine Zangengeburt

Kreisvorsitzende von CSU, Grünen und FDP erwarten schwierige Koalitionsverhandlungen

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
„Ich habe personelle Schwachstellen ausgemacht, aber ich rede nicht darüber“ , sagt CSU-Direktkandidatin Marlene Mortler (hier am Wahlabend) nach der gestrigen Sitzung des Parteivorstandes. −Foto: Messingschlager

Hilpoltstein (HK) Die Wahlnacht ist vorbei, dem Rausch folgen Ernüchterung und Personaldebatten. Und dabei beginnen schon die Diskussionen um die nächste Bundesregierung. Favorit ist ein Jamaika-Bündnis mit Union, Grünen und FDP. Geliebt wird sie von keinem der Beteiligten.

Im nächsten Vierteljahr werde man einen „politischen Stillstand“ erleben, prophezeit Volker Bauer, CSU-Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter. Er ist einen Tag nach der Wahl bester Laune. „Bei uns gibt es keine Katerstimmung.“ Er sei sehr zufrieden mit dem Abschneiden von Direktkandidatin Marlene Mortler und der CSU im Landkreis Roth. Das schlechte Abschneiden der SPD führt Bauer auch auf Landrat Herbert Eckstein zurück. „Der hätte sicher auch seiner Partei helfen können, wenn er sich zu ihr bekannt hätte.“ Aber auf den Eckstein-Plakaten hätte das SPD-Logo gefehlt.

Mit dem Abschneiden seiner eigenen Partei ist Bauer zufrieden. „Wir liegen positiv über dem bayernweiten Wert.“ Der sei allerdings bedenklich. 38,5 Prozent sind das schlechteste Ergebnis einer CSU bei Bundestagswahlen. „Das wird sicher Diskussionen geben, wenn der Parteivorstand in München tagt“, sagt Bauer und legt noch einen drauf: „Ich schätze Horst Seehofer sehr, aber irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, wo man natürlich über eine personelle Erneuerung nachdenken muss.“ Den Zeitpunkt überlasse man dem Parteichef Seehofer aber selbst. Der CSU-Parteitag im November könnte so ein Zeitpunkt sein, findet Bauer.

„Ich schätze Horst Seehofer sehr, aber irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, wo man natürlich über einepersonelle Erneuerung nachdenken muss.“

Volker Bauer

 

 

„Ich habe personelle Schwächen ausgemacht, aber ich rede nicht darüber“, sagt Marlene Mortler, die gestern Vormittag noch an der Sitzung des Parteivorstandes teilnahm. Am Nachmittag flog sie weiter nach Berlin, wo sich heute die CSU-Bundestagsfraktion trifft. „Es ging sehr gesittet zu“, berichtet sie. Man habe sich einstimmig zur Fraktionsgemeinschaft mit der CDU bekannt. „Aber es ist auch klar, dass es, bevor wir über eine Koalition verhandeln, es zuerst Gespräche mit Merkel geben muss.“ Darin müsste eine klare Linie abgesteckt werden, deren Grundlage der Bayernplan der CSU sei. Auch über die Rente müsse man jetzt reden. Denn wenn jemand 45 Jahre gearbeitet habe und im Alter von Armut bedroht sei, „dann stimmt etwas nicht“, sagt Mortler, die das Thema Rente noch aus dem Wahlkampf halten wollte.

Kritik an Horst Seehofer habe es im Parteivorstand nicht gegeben, behauptet Mortler. „Er hat alle Schuld auf sich genommen.“ Die übt dafür der Landtagsabgeordnete Volker Bauer: „Erst haut man auf die Kanzlerin drauf und dann geht man wieder auf Kuschelkurs“, das glaube einem niemand mehr. „Wir werden uns nicht an den rechten Rand drängen lassen“, sagt Bauer. Aber auch: „Ich glaube, dass wir eine Obergrenze brauchen. Aber man wird auch über ein Einwanderungsgesetz nachdenken müssen“, legt er schon einmal eine mögliche Kompromisslinie für eine Jamaika-Koalition fest.

„Einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor 2030, wie ihn die Grünen fordern, hält Bauer dagegen für „unrealistisch“. Für schwerwiegender hält er die Differenzen mit den Grünen in der Agrarpolitik. „Wenn das Landwirtschaftsressort an die Grünen fallen würde, dürfen wir uns warm anziehen.“ Auch wirtschaftspolitisch ist Volker Bauer, der sich selbst gerne als „grüner Schwarzer“ bezeichnet, die FDP wesentlich näher als die Grünen.

„Es gibt auch noch die Option der Minderheitsregierung“, sagt unverblümt Ursula Burkhardt, Kreisvorsitzende der Grünen aus Spalt. „Jamaika um jeden Preis wird es nicht geben.“ Burkhardt freut sich darüber, dass ihre Partei in den letzten Wochen noch enorm an Boden gut gemacht hat. „Wir haben die Leute darauf aufmerksam gemacht, was auf dem Spiel steht. Wenn der Planet zusammenkracht, brauchen wir auch keine Gerechtigkeitsdebatte mehr.“ In vielen persönlichen Gesprächen, vor allem in Kommunen mit einer aktiven Ortsgruppe, habe man die Bürger offensichtlich überzeugt. Spitzenreiter im Landkreis ist Hilpoltstein. Dort holten die Grünen 11,34 Prozent.

„Es gibt auch noch die Option derMinderheitsregierung.“

Ursula Burkhardt

 

Doch in die Freude über das gute Abschneiden mischt sich auch Skepsis über die nahe Zukunft. Ursula Burkhardt sieht vor allem in der Flüchtlingspolitik erhebliche Differenzen mit der CSU. „Eine Obergrenze wäre eine rote Linie“, sagt die Grünen-Chefin im Landkreis. Probleme in der Klimapolitik – möglicherweise unüberbrückbare – hat Burkhardt mit der FDP ausgemacht. Vor allem der Ausstieg aus der Kohle und das Ende des Verbrennungsmotors im Jahr 2030 könnten Knackpunkte werden. „Aber die erste Frage, ob es überhaupt Koalitionsverhandlungen geben wird, entscheidet die Delegiertenkonferenz“, sagt Burkhardt. Die findet am 20. Oktober statt. „Bis dahin sondieren wir.“

„Es war ein großer Tag für die FDP“, sagt deren Rother Kreisvorsitzende Marina Schuster. Die Gredingerin saß acht Jahre lang für die Liberalen im Bundestag und erlebte den Absturz ihrer Partei hautnah, als sie 2013 ihren Parlamentssitz verlor. Wehmut komme aber nicht auf, versichert sie. Den Wahlabend hat sie im Genscher-Haus in Berlin erlebt, wo sie beruflich zu tun hat. „Ich freue mich ganz riesig, dass sie die außerparlamentarische Arbeit gelohnt hat“, sagt Schuster und wischt das Argument beiseite, die FDP sei eine Ein-Mann-Show von Christian Lindner. Man habe regierungsfähiges Personal wie zum Beispiel Katja Hessel, die ehemalige Staatssekretärin im bayerischen Wirtschaftsministerium.

Zu möglichen Koalitionen möchte sich Schuster derzeit nicht äußern. Man werde sich demokratischen Gesprächen nicht verweigern, aber zu Verhandlungen werde es so schnell nicht kommen. Beim Thema Obergrenze für Flüchtlinge sieht Schuster nicht die FDP, sondern eher die CDU gefragt: „Der Ball liegt bei denen.“ Sie müssten sich zunächst mit der CSU einigen. Insgesamt rät Schuster zunächst zur Nachdenklichkeit. Alle Parteien müssten sich jetzt erst einmal neu sortieren. „Wir sollten versuchen, den Auftrag der Wähler zu deuten.“ Und erst dann über Koalitionen reden. Volker Bauer hat dafür noch eine weitere Variante auf Lager: „Ob das Nein der SPD schon in Stein gemeißelt ist, bleibt abzuwarten.“