Vier Wochen Todesangst auf Sri Lanka

16.09.2010 | Stand 03.12.2020, 3:40 Uhr

Der Eichstätter Entwicklungshelfer Michael Kreitmeir, hier bei einer Andacht mit Kindern seines Kinderdorfes Little Smile in Koslanda, nachdem er gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, setzt weiter auf Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und – wie er in den Telefonaten mit der DK-Redaktion immer wieder betont – auf Gottvertrauen. - Foto: privat

Koslanda (DK) Heute auf den Tag genau vor vier Wochen brach Michael Kreitmeirs Welt zusammen. Am 17. August begann für den Eichstätter Entwicklungshelfer auf Sri Lanka ein Horrortrip.

Bewaffnete Schergen eines korrupten Provinzministers hatten den 53-Jährigen, seinen 23-jährigen Sohn Manuel, zwei Betreuerinnen und zwei Mädchen seines Kinderdorfes Little Smile auf der Rückfahrt von Palogama nach Koslanda nahe Monoragala überfallen, aufs Übelste bedroht und ihm Rauschgift untergeschoben.

Seit vier Wochen erträgt Kreitmeir Todesangst und existenzielle Sorge – auch um die gut 90 Kinder, die dank Little Smile in dem von jahrzehntelangem Bürgerkrieg und Naturkatastrophen geschundenen Land eine Heimat gefunden haben. Von Anfang an hatte der DONAUKURIER über Kreitmeirs Schicksal berichtet, inzwischen erregt der Fall bundesweit Aufsehen. "Das ist gut so, denn Öffentlichkeit ist für mich der beste Schutz", erklärte Michael Kreitmeir gestern in einem der regelmäßigen Telefonate mit der Eichstätter DK-Redaktion. Je größer das öffentliche Interesse, desto geringer die Chancen des korrupten Provinzministers, ihn tatsächlich kalt zu stellen oder gar umzubringen. Kreitmeir hat ernst zu nehmende Morddrohungen erhalten: Die Todesgefahr ist offenbar real.

Deshalb hat Kreitmeir auch die Mühe auf sich genommen am Mittwochabend – auf Sri Lanka war es drei Uhr nachts – den Stromgenerator anzuwerfen und per Skype-Schaltung live mit Günter Jauch bei RTL-SternTV vor einem Millionenpublikum auf sein Schicksal hinzuweisen. Sein Sohn Manuel, der erst vorige Woche wieder nach Eichstätt heimgekehrt war, reiste ebenfalls nach Köln ins TV-Studio: Zur Sicherheit. Falls das mit der Leitung nicht geklappt hätte, dann hätte er für seinen Vater gesprochen. "Die ganze Sache gegen meinen Vater ist ja auch nicht im Interesse des Landes", sagt Manuel. Denn dadurch würden mögliche Investoren und Touristen verprellt: Dem korrupten Provinzminister müsse also dringend Einhalt geboten werden.

Michael Kreitmeir hatte aus diesem Grund um die Unterstützung einer Petition und um Faxe an Sri Lankas Präsidenten Mahinda Rajapaksa gebeten (wir berichteten): "Die sind zum Präsidenten inzwischen vorgedrungen. Vielen Dank dafür."

Seinem Drogenprozess am heutigen Freitag blickt der Eichstätter gefasst entgegen: "Ich mache mir keine großen Sorgen mehr deswegen." Die Anschuldigungen seien zu weit hergeholt. Es erscheint zu offensichtlich, dass ihn besagter Provinzminister mit der fingierten Anklage in die Knie zwingen wollte, nachdem Kreitmeir nicht auf dessen Erpressungsversuche eingegangen war – wohl wissend, dass das Fortbestehen des Kinderdorfes eng mit der Person Kreitmeirs verbunden ist: Der Eichstätter TV-Journalist hatte das Dorf vor elf Jahren aus dem Nichts aufgebaut. Inzwischen ist das Dorf mit Schule und Farmbetrieb etabliert – das weckt Begehrlichkeiten.

Umgerechnet gut 200 000 Euro hatte der korrupte Provinzminister von Kreitmeir erpressen wollen. Der Deutsche hat den Minister daraufhin angezeigt – und sich damit in einem Land, in dem Korruption an der Tagesordnung ist, einen mächtigen Feind geschaffen.

Kreitmeir spürt zwar zunehmend Unterstützung. Er rechnet aber nicht damit, dass das Gericht heute schon zu einem Freispruch findet: "Ich werde heute wohl nur auf ,nicht schuldig’ plädieren können, dann wird wieder vertagt."

Wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin gestern gegenüber unserer Zeitung bestätigt, macht sich dennoch ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft auf die siebenstündige beschwerliche Autofahrt von der Hauptstadt Colombo in Sri Lankas Hinterland, um als Beobachter dabei zu sein. Damit solle ein deutliches Zeichen des Vertrauens in Michael Kreitmeir gesetzt werden: "Die Projekte und die Person Kreitmeir sind der deutschen Botschaft auf Sri Lanka seit langem bekannt. Wir verfolgen seine Arbeit mit großem Respekt und werden ihn unterstützen", sagt der Botschaftssprecher.

Solidaritätsbekundungen sind für Kreitmeir tatsächlich sehr wichtig: "Natürlich habe ich düstere Gedanken, ich bin sehr, sehr müde und am Ende meiner Kräfte", sagt der 53-Jährige am Telefon. Aber: "Die Unterstützung auch aus meiner Heimat hilft mir sehr." Ein ums andere Mal betont er: "Ich werde nicht aufgeben. Es geht hier nicht um mich, es geht um mehr."

Sollte er jetzt klein beigeben, dann wäre das Vertrauen verloren. "Bei der Wahrheit gibt es keinen Kompromiss. Und die Menschen sehnen sich nach Ehrlichkeit."

Kreitmeir erzählt zum Beispiel von einer alleinerziehenden Mutter in seiner bayerischen Heimat: "Die hat mir jahrelang 50 Euro für Little Smile geschickt, bevor es ihr selber schlechter ging, jetzt schickt sie noch 25 Euro." Dieses Geld sei für die Kinder in Little Smile gedacht, das könne er einem korrupten Minister nicht einfach so in den Rachen schieben. "Ich glaube fest daran, dass sich Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit lohnen", sagt er: "Das lehre ich auch die Kinder im Dorf: Ehrlichkeit und Gottvertrauen."