Pflege: Eine tragende Berufsgruppe wird außer Acht gelassen

12.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:40 Uhr

Zum Bericht "Kliniken weiter im Aufwind" (EK vom 9. Februar 2017):

Zunächst möchte ich dem Unternehmen zu diesem Erfolg gratulieren. Ich arbeite selbst seit sechs Jahren als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der internistischen Station für das Unternehmen in der Berufsgruppe der Pflege. Ob das Jahr allerdings "hervorragend gelaufen" ist, wie Geschäftsführer Lorenz Meier mitteilt, stelle ich in Frage. Denn es gibt meiner Meinung nach eine Vielzahl an pflegerischen Versorgungsdefiziten.

Um eine Grundversorgung zu gewährleisten, benötigt es zwar die ärztliche Versorgung. Die Umsetzung ärztlicher Anordnungen und die pflegerischen Leistungsbedarfe, die für eine erfolgreiche Behandlung ebenso unerlässlich sind, werden bedauernswerterweise mit keiner Aussage erwähnt. Eine Begründung dafür liefert das Finanzierungssystem der Krankenhäuser. Das DRG-System, also die Fallpauschalen, bilden die pflegerische Versorgungsleistung leider nicht ab. Dadurch scheint die Pflege nicht erlösrelevant für ein Krankenhaus, und das führt dazu, dass das Pflegepersonal folglich ausschließlich als "Kostenfaktor" gesehen wird.

Eine relativ neue Entwicklung stellt der Pflegekomplexmaßnahmen-Score dar, der es seit 2010 ermöglicht, mit Hilfe spezieller Codierungen hochaufwendige Pflegemaßnahmen gesondert abzurechnen, was sich auf den Krankenhauserlös auswirkt. Auch das Eichstätter Krankenhaus folgt dieser Entwicklung. Somit trägt die Pflege ebenso erlösrelevant zum "Aufwind" des Unternehmens bei.

Laut Unternehmenshomepage werden rund 450 Mitarbeiter auf konstant hohem Niveau eingesetzt, die sich um das Wohl der Patienten und die Rahmenbedingungen kümmern. Dem stehen die veröffentlichen Qualitätsberichte des Eichstätter Krankenhauses der vergangenen Jahre gegenüber. Darin ist nachzulesen, dass sich die Personalentwicklung der Pflege eindeutig unterdurchschnittlich entwickelt hat. Während die Pflege im Eichstätter Krankenhaus einen Personalstellenzuwachs von 12,7 Prozent von 71 auf 80 Vollzeitstellen innerhalb der letzten fünf Jahre zu verzeichnen hat, wuchs die Personalausstattung im ärztlichen Bereich um 46,9 Prozent von 32 auf 47 Vollzeitstellen.

Die Fallzahlsteigerung führt logischerweise zu einem Leistungsanstieg in allen Berufsgruppen des Krankenhauses. Nicht selten kommt es in Eichstätt zu einer Überbelegung der Station. Das bedeutet, dass Zweibettzimmer in Dreibettzimmer umfunktioniert werden müssen. Medizinische Anschlüsse und Schrankausstattung fehlen dann allerdings für den dritten Patienten. Wissenschaftliche Studien bestätigen die meiner Meinung nach unumgängliche und aus Fallzahlsteigerungen resultierende Rationierung von Pflegemaßnahmen. Vernachlässigt werden nicht nur Patientengespräche, sondern auch Lagerungsmaßnahmen von Patienten, die sich nicht selbst bewegen können, oder Medikamentengaben.

Ich werde ständig gezwungen Prioritäten zu setzen, nehme Mehrarbeit in Kauf, und trotzdem werde ich den Pflegeanforderungen nicht gerecht. Das tut mir sehr leid. Ich bin 25 Jahre alt und grundsätzlich begeistert von meinem Beruf. Arbeitsbedingungen und Artikel, wie der vom 9. Februar, frustrieren und belasten mich sehr, bestätigen aber auch meinen Eindruck von dringendem Handlungsbedarf für das Unternehmen Krankenhaus und letztlich für die Politik.

Es ist enttäuschend, welchen Stellenwert beziehungsweise welche vermeintlich fehlende Erlösrelevanz die größte Berufsgruppe in dieser Klinik zu haben scheint. Es ist schockierend, dass die Profitorientierung im Gesundheitswesen und der Gesundheitsversorgung in unserer Gesellschaft so im Vordergrund stehen muss und dass eine tragende Berufsgruppe wie die Pflege so außer Acht gelassen wird.

Ich möchte mich hiermit gleichermaßen für betroffene Patienten und Pflegende einsetzen, die unsere Arbeit zu schätzen wissen, und sehe diesen Leserbrief als wichtige Möglichkeit, um die Gesellschaft auf die Problematik aufmerksam zu machen.

Um dem Fachkräftemangel in der Pflege, der sich seit längerem anbahnt, entgegen zu wirken, ist ein Umdenken erforderlich. Die aktuellen Arbeitsbedingungen machen krank und dienen keinesfalls der Attraktivität des Pflegeberufes. Im Gegenteil.

Es ist zukünftig unerlässlich, in die Profession der Pflege zu investieren. Patienten haben nicht nur qualitativ hochwertige Medizinleistungen, sondern ebenso qualitativ hochwertige und professionelle Pflegeleistungen verdient. Erst wenn das in den kommenden Jahren gelingt, kann ich einen Aufwind der Kliniken bestätigen.

Annika Spies (Gesundheits- und Krankenpflegerin)

Eichstätt