Tunnelblick auf das Grabmal

14.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:55 Uhr

Zum Bericht: "Kein Grabstein aus Kinderarbeit" (EK vom 12. Dezember 2016):

Dass Grabmale in ausbeuterischer Absicht von Kinderarbeit hergestellt werden, wer möchte da nicht lauthals protestieren, und es ist mehr als Recht, wenn dies verboten wird. Wenn blutende zarte Kinderhände die €šBetenden Hände €˜ von Albrecht Dürer in den Grabstein meißeln: undenkbar - skandalös.

Es mag Fälle in Deutschland geben, wo dies - was äußerst bedauerlich ist - durchaus ein Faktor sein kann, wo das Grabmal zum reinen Handelsobjekt verkommen ist, wo Profitgier über Moral und Kultur steht. Das ist es ein ernsthaftes Problem. Nicht aber in Mörnsheim und nicht in Eichstätt.

Es ist vielmehr ein Problem, wenn unterstellt und damit die gesamte Zunft diskreditiert wird. Ich bemühe mich im Gegenteil um die Stärkung des einheimischen Jura-Kalksteins und betrachte die hiesigen Friedhöfe zum großen Teil als wertvolle Kulturleistung, die es zu bewahren gilt. Und damit spreche ich gewiss auch für meine Kollegen und Mitbewerber. Im Übrigen wäre eine lückenlose Dokumentation und Überprüfung der Herstellung und des Vertriebs, wie gefordert, unverhältnismäßig aufwändig, ja schier unmöglich.

Darüber hinaus ist im Zeitalter der Globalisierung jede Handelsware, vom Alpenveilchen zum Autozubehör, vom Pflasterstein und Badfliese zur Ölsardine, vom T-Shirt bis zum "Geiz ist geil" Tablet, von der Herstellung bis zum Recycling derart zu hinterfragen. Warum also der Tunnelblick auf das Grabmal? Warum wird so der Eindruck erweckt, es gäbe gerade in diesem kleinen Bereich einen großen Handlungsbedarf? Ist es ein konkreter Missstand, der in einem Betroffenheitsritual zum generellen hochstilisiert wird? Oder steckt vielleicht die Lobby der Friedwaldbetreiber dahinter, die mit einer naturphilosophisch verbrämten Indianerideologie den Waldbesitz des Adels versilbert? Oder ist es wichtigtuerischer Aktionismus von Verwaltungsbeamten? (Das internationale Abkommen zu ausbeuterischer Kinderarbeit datiert vom 17. Juni 1999). Ich weiß es nicht, wundere mich aber und überlasse es dem aufgeklärten Kunden und dem gewissenhaften Handwerker, darauf zu achten und dafür zu sorgen, dass das Grabmal auch in Zukunft das bleibt, was es war und sein soll: ein wesentlicher Bestandteil einer in der Tradition verankerten Erinnerungskultur und ein beständiges würdevolles Zeichen individuellen Gedenkens.

Rupert Fieger,

Bildhauer und

Steinmetzmeister

Eichstätt