Die Studenten brachten sich gegenseitig um

09.08.2007 | Stand 03.12.2020, 6:34 Uhr

Pfarrer Jean-Marie Kazitonda hatte als Übersetzer im Trauma-Bewältigungszentrum keine leichte Aufgabe: Buenaventura Numi, Bartelemy Natakaroutimana und Willy Ngendakumana (erste Reihe von links) schilderten den Gästen aus Deutschland ihre Arbeit.

Eichstätt/Bujumbura (EK) "Wir müssen uns eingestehen: Die Studenten brachten sich gegenseitig um." Barthelemy Natakaroutimana spricht nicht wie sonst französisch, sondern kirundi, wenn er von den Massakern jener Nacht im Juli 1995 erzählt, in der er selbst zehn Morde miterlebt hat.

Immer, wenn es besonders emotional wird, wechseln die Gastgeber von der Amts- in ihre Muttersprache. Die Journalistengruppe, die im Vorfeld der Weltmission 2007, bei der die Diözese Eichstätt im Oktober bundesweiter Gastgeber sein wird, das vom Bürgerkrieg zerrüttete Burundi in Zentralafrika besuchte, bekommt auch in der Übersetzung noch genug von den unglaublichen Gräueltaten mit, die die Menschen in einem der ärmsten Länder Afrikas bis zum brüchigen Frieden seit 2005 erlebt hatten.

Blut auf dem Campus

1993 hatte der Bürgerkrieg auch auf die Universität in der Hauptstadt Bujumbura, der einzigen staatlichen Uni des Landes mit ihren etwa 7000 Studenten, übergegriffen. 1995 kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hutu und Tutsi auf dem Campus. Der Krieg, bei dem es nach Einschätzung von Simon Ntamwana, dem Erzbischof der Eichstätter Partnerdiözese in Gitega, nicht um den Konflikt zweier Volksstämme, sondern um politische Macht ging, zeichnete auch die Studenten an der Hauptstadt-Uni schwer.

Doch bald besannen sie sich auf ihr gemeinsames Christentum: Bereits 1996 startete die katholische Studentenpfarrei Esprit de Sagesse das Projekt zur Versöhnung und Trauma-Bewältigung, das vom Hilfswerk missio, mit dem das Bistum Eichstätt hier eng zusammenarbeitet, bisher mit 17 000 Euro unterstützt wurde. Es sollte mit psychologischer Betreuung helfen, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.

Erste Erfolge stellten sich im Jahr 2000 ein: Die Studenten vertrieben alle Politiker von ihrem Campus, sie wollten sich nicht mehr aggressiver und einseitiger Propaganda aussetzen.

Balkanisierung

"Wir müssen offen über das Geschehene reden", erklärt Barthelemy Natakaroutimana: "Es gab eine Balkanisierung zwischen Tutsi und Hutus hier auf dem Campus." Nach dem Massakern herrschte große Angst unter den Studenten. "Wir mussten uns fragen: Wie können wir wieder eine gemeinsame Basis finden?" Die Grundlagen dafür fand die Studentengemeinde in der katholischen Pfarrei nahe der Uni. Der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Buenaventura Numi betont die Bedeutung des gemeinsamen Glaubens für das Zusammenleben von Tutsi und Hutu: "Es spielt keine Rolle, welchem Stamm wir angehören, wir sind beides Christen."

Die Studentenpfarrei bietet mehrtägige Kurse und spirituelle Wochenenden an, in der sich die Teilnehmer mit dem gewaltlosen Umgang mit Konflikten, gegenseitiger Akzeptanz und friedlichem Dialog auseinandersetzen. Die Teilnehmer sollen als Multiplikatoren das Gelernte weitergeben. Seit 1996 haben etwa 200 Studentinnen und Studenten solche Seminare absolviert.

"Das Projekt hat uns in den zehn Jahren schon sehr viel geholfen. Tutsi und Hutu studieren jetzt gemischt zusammen an der Universität", erzählt Dozent Willy Ngendakumana. "Wir müssen das Geschehene im Gedächtnis behalten und aufarbeiten", sagt der 38-Jährige.

Deshalb gibt die Studentengemeinde auch eine eigene Zeitschrift heraus. Die Traumabewältigung sei ein Vorgang, der sicher noch länger dauern werde. Die Hochschulgemeinde hat auch noch ein eigenes Büro an der Universität, in dem traumatisierte und ratsuchende Studenten Hilfe finden können. Wer nun Hutu und wer Tutsi ist – das soll keine Rolle mehr spielen.