Walting
Bürgerbegehren auf den Weg gebracht

In Rapperszell regt sich Widerstand gegen das geplante Gewerbegebiet "Verlust für Gemeinde"

16.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:03 Uhr

Der Bebauungsplan für das neue Gewerbegebiet in Rapperszell. Bürger halten das Vorhaben für ein finanzielles Risiko für die Gemeinde und haben jetzt ein Bürgerbegehren gestartet. ‹ŒArch - foto: Hager/Hoedt - Grafik: DK

Walting/Rapperszell (EK) Das von der Gemeinde Walting vorgesehene Gewerbegebiet in Rapperszell soll durch ein Bürgerbegehren zu Fall gebracht werden. Grund sind die Kosten. Nach Berechnungen der Initiatoren bliebe die Gemeinde auf einem Minus von etwa 1,5 Millionen Euro sitzen.

Der Widerstand gegen ein Gewerbegebiet in dem Ortsteil der Gemeinde Walting ist nicht neu. Schon bei der ersten Vorstellung der Pläne bei der Bürgerversammlung vor einem Jahr hatte sich im Nachhinein Unmut bei den Rapperszellern angesammelt und in einer spontanen Unterschriftenaktion mit etwa 70 Namen Luft gemacht. Damals hatte die Gemeinde unter dem Tagsordnungspunkt "Gemeinschaftshaus/Feuerwehrhaus" zur Versammlung geladen und dabei für viele Bürger überraschend die Pläne für ein Gewerbegebiet mit ursprünglich zwölf Hektar Fläche vorgelegt. "Das hat uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen", sagt ein Rapperszeller, der namentlich nicht genannt werden will, im Gespräch mit unserer Zeitung. Zwölf Hektar, das seien in etwa so viel, wie der Ort Rapperszell selbst umfasst.

Mit dem Hinweis darauf, dass bei der Bauleitplanung und vor Aufstellung eines Bebauungsplanes die Öffentlichkeit den Vorschriften entsprechend noch gehört werden sollte, schlief dann der Widerstand wieder ein, und auch bei der Beteiligung der Bürger sowie Träger öffentlicher Belange gab es lediglich Wünsche und Anregungen hinsichtlich des Emissions- und Immissionsschutzes oder anderer kleinerer Belange. Zudem hat die Gemeinde die Fläche von ursprünglich zwölf auf jetzt 4,3 Hektar reduziert.

Jetzt liegen die ersten konkreten Planungen vor. Und Gegner des Projekts befürchten, dass mit den zunächst veranschlagten Kosten wohl keine Plus-Minus-Null-Rechnung aufgemacht werden kann, sondern wohl ein saftiges Defizit ins Haus steht. Genaue Angaben wollte Roland Schermer, Bürgermeister der Gemeinde Walting und Verfechter des Gewerbegebiets, nicht machen.

Anders Michael Zehetleitner, 39 (kleines Foto). Der Professor für Psychologie, der seit einem Jahr mit seiner Frau und den fünf Kindern im Alter von drei bis elf Jahren in Rapperszell wohnt, sieht die Gemeinde durch den Verlust, der nach Abzug aller Kosten und Einnahmen beim Gewerbegebiet entsteht, "auf Jahre hinaus in ihrer Entwicklungsfähigkeit eingeschränkt". Es gehe, so Zehetleitner, nicht nur um den Ortsteil Rapperszell, sondern um die Gesamtgemeinde Walting.

Mindestens 1,5 Millionen Euro beträgt laut Zehetleitner der Verlust, auf dem die Gemeinde Walting sitzen bleiben werde. Laut Bebauungsplan umfasst das Gebiet eine Fläche von 4,3 Hektar (hinzu kommen weitere etwa 1,6 Hektar, die im Flächennutzungsplan bereits vorgesehen sind, für die aber noch ein Bebauungsplan fehlt). Von diesen 4,3 Hektar bleiben Zehetleitner zufolge nach Mindestabstand zur Kreisstraße, zur Bebauung sowie durch Erschließungsstraßen 3,5 Hektar Nettofläche übrig. Für das Gemeinschafts- und Feuerwehrhaus sind weitere 0,2 Hektar eingeplant. "Letztlich bleiben also 3,3 Hektar für künftige Firmenansiedlungen übrig", so Zehetleitner - bei jetzt erst bekannt gewordenen Erschließungskosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro. Diese Summe dürfte auch die Gemeinde mit Schermer an der Spitze überrascht haben. Während der Rathauschef sowie der Gemeinderat bislang von einem Verkaufspreis von 39 Euro pro Quadratmeter ausgegangen waren, müsste der Quadratmeter laut Zehetleitner jetzt etwa 90 Euro kosten, um die Ausgaben zu decken.

Das von Zehetleitner aufgeführte Defizit lässt Waltings Bürgermeister Roland Schermer so nicht stehen: Die genannten Zahlen seien Spekulation, immerhin laufe jetzt erst die Ausschreibung. Er bestätigt zwar die geschätzten Kosten für die Erschließung in Höhe von 2,1 Millionen Euro - ein für die Gemeinde sicherlich stolzer Preis, aber die Kommune habe bislang noch keine Erfahrung, weil noch kein Gewerbegebiet ausgewiesen wurde. Doch jetzt würden erst die Arbeiten ausgeschrieben, und dann "stehen die Kosten fest". Auch was die Nettofläche des Gewerbegebiets betrifft, korrigiert Schermer die Angaben Zehetleitners nach oben; etwa 3,7 Hektar stünden zum Verkauf, denn derzeit werde noch geplant, das Regenrückhaltebecken außerhalb des Gebiets zu errichten. Schermer rechnet zudem langfristig mit Einnahmen durch Gewerbe- und Einkommenssteuer. Walting, so der Bürgermeister, brauche Fläche für Gewerbeansiedlungen, um die Kommune weiter zu entwickeln. In der Tallage seien die nicht zu bekommen, das Juma-Gelände in Gungolding sei ebenso in privater Hand wie ein brachliegendes Gebiet in Pfalzpaint. Tatsächlich aber lägen mehrere konkrete Anfragen von Firmen, die sich in Rapperszell ansiedeln wollen, vor. Namen gab der Bürgermeister nicht preis. Würde, so Schermer abschließend, das Defizit tatsächlich die Gemeindekasse mit 1,5 Millionen Euro belasten, "dann würden wir es lassen". ‹ŒFoto: Redl