Voll
Hoheitsvoll, aber voll Mutterstolz

19.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:50 Uhr

Voll Mutterstolz trägt die schöne, gekrönte Frau ihr göttliches Kind auf dem Arm. Dieses Kleinkind ist durch und durch irdisch: Es darf Babyspeck haben, das runde Köpfchen mit den ausgeprägten Pausbacken und den Ringellöckchen ist leicht erhoben, die Beinchen leicht überschlagen, eine Hand greift spielerisch ins Gewand der Mutter.

Die andere Hand ist zu der Weintraubenrispe ausgestreckt, die ihm die Mutter reicht.

Das ebenso lebendige wie hoheitsvolle Bildnis der Muttergottes mit ihrem Kind befindet sich in der ehemaligen Klosterkirche St. Anna zu Marienstein.

Wie die beiden Wappen am Sockel belegen, ist das Steinbildwerk eine Stiftung des Eichstätter Bischofs Wilhelm von Reichenau, der um 1460 die Eichstätter Ordensniederlassung für sechs junge Frauen, die gemeinsam ein geistliches Leben führen wollten, begründet hatte. 1470 legte Bischof Reichenau den Grundstein zum Klosterneubau. Bereits im Jahr darauf wurde die Eichstätter Färberstochter Walburga Eichhorn erste Priorin des Klosters, das die Regel des heiligen Augustinus übernahm.

Das Marienbild der Zeit um 1480/90 befand sich ursprünglich über dem Kirchenportal, wurde jedoch zum Schutz vor der Witterung ins Kircheninnere verbracht. Es vertritt den im 15. Jahrhundert weit verbreiteten Typus einer „Mondsichelmadonna“.

Die Mondsichel, auf der Maria steht, bezieht sich auf eine Vision in der „Geheimen Offenbarung“, dem letzten Buch der Bibel. Die dort beschriebene himmlische Erscheinung einer Frau mit ihrem Kind ist von der Sonne bekleidet, von Sternen bekrönt und steht über dem Mond. Seit dem Mittelalter deuteten Kirchenlehrer die Erscheinung im Hinblick auf Maria mit ihrem Kind. Gleichzeitig deutete man die Mondsichel als das Gestirn der Nacht, welches durch das Christuskind, das Licht der Welt, überstrahlt wird.

Claudia Grund