Eichstätt
Kein Beruf, sondern eine Berufung

21.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:16 Uhr
Auch Entela Rexhepis Vater arbeitete als Gynäkologe in einer Klinik, schon als Kind fand die Oberärztin den Beruf faszinierend. −Foto: Steinle

Eichstätt (EK) Vor dem Sprechzimmer sitzen zwei junge Frauen, die vor ihrer Operation untersucht werden müssen, eine Assistenzärztin will kurz ein Untersuchungsergebnis zeigen, dazwischen klingelt das Telefon, das Entela Rexhepi ständig in ihrem weißen Kittel bei sich trägt. „Manchmal ist es ruhig und dann gibt es wieder Situationen, in denen man Prioritäten setzen muss“, sagt die Oberärztin, die seit 2012 in der Gynäkologie in der Klinik Eichstätt arbeitet.

Dass sie sich einen stressigen Beruf ausgesucht hat, war der 45-Jährigen von Anfang an klar, ihr Vater war ebenfalls Gynäkologe in einer Klinik. „Ich fand das als Kind schon faszinierend“, erinnert sich Rexhepi. „Er hat seinen Beruf geliebt und das hat mich auch geprägt.“ Dass seine Tochter ein Medizinstudium begann, erlebte er allerdings nicht mehr. „Bevor ich Abitur gemacht habe, ist er leider gestorben.“

Sie studierte in Tirana, der Hauptstadt Albaniens, wo sie auch ihren Mann Sokol Rexhepi kennenlernte. 1995, nach ihrem Abschluss, entschieden sich die beiden, nach Deutschland zu gehen. „Mein Mann kommt aus dem Kosovo, und dort war der Krieg ausgebrochen“, sagt Rexhepi, und da seine Eltern zu diesem Zeitpunkt auch schon geflüchtet waren, zogen sie zu ihnen nach Lörrach (Baden-Württemberg).

Leicht war der Start nicht. „Unsere Ausbildung wurde damals nur teilweise anerkannt“, erinnert sich die Oberärztin, ihr Mann musste viele Prüfungen erneut ablegen und ein praktisches Jahr an der Uniklinik Freiburg machen. Dass beide gleichzeitig noch einmal studieren, „das wäre schwierig gewesen“. Rexhepi kümmerte sich also um die beiden Söhne, die in dieser Zeit geboren wurden, und verdiente Geld mit verschiedenen Jobs, etwa als Übersetzerin. Natürlich sei das anstrengend gewesen, beiden fehlten die Freunde und die Heimat, „aber wenn man jung ist und das Ziel hat, im Beruf zu bleiben, dann schafft man das“. Glücklicherweise hatten sich die Bestimmungen dann geändert, Rexhepis Studium wurde anerkannt. An der Klinik in Lörrach, wo ihr Mann arbeitete, war keine Stelle in der Gynäkologie frei, deshalb gingen sie nach Bayern. Entela Rexhepi arbeitete ein Jahr in Rotthalmünster (Landkreis Passau), in Marktredwitz (Landkreis Wunsiedel) gelang es dann beiden, an der gleichen Klinik unterzukommen. 2012 waren in Eichstätt zwei Stellen in der Gynäkologie frei, ihr Mann wurde Chefarzt, sie Oberärztin.

In ihrem Team, das aus neun Ärzten besteht, gehe es kollegial zu, betont Rexhepi, Diskussionen gehörten im Joballtag dazu, auch mit ihrem Mann, der ihr Kollege und Vorgesetzter ist. „Ich sage dann schon meine Meinung, wenn ich etwas nicht gut finde“, sagt die Gynäkologin. In der Medizin gebe es Situationen, in denen man schnell reagieren müsse, gemeinsam als Team suche man die richtige Behandlungsmethode für die Patientinnen. Wenn man sich den gleichen Arbeitsplatz teilt, dann nehme man die Arbeit manchmal mit nach Hause. „Wir versuchen zwar, das zu trennen, aber es gelingt nicht immer.“ Um sich zu entspannen, macht Rexhepi Sport, kocht, liest ein Buch oder unternimmt mit der Familie etwas.

Sie empfinde „Dankbarkeit“, wenn sie durch die Stadt gehe und Patientinnen, zum Beispiel mit ihren Kindern, begegne und höre, „dass es ihnen gut geht“, sagt die 45-Jährige. Das seien die schönen Momente, wie auch heute, als sie einer Frau mitteilen konnte, dass der Tumor in ihrem Bauch gutartig ist. „Sie hatte lange Hemmungen, zum Arzt zu gehen, weil schon eine Verwandte an Unterleibskrebs gestorben ist.“ Dann weine man die Freudentränen auch mal mit.