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Wenn Strohbären ihren Unfug treiben

05.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Sind in der Kunst des Strohbärenbindens Experten: Lorenz Günthner, Alois Wagner und Rupert Schneider aus Ochsenfeld (von links) haben bereits alles für Faschingsdienstag vorbereitet. - Foto: Asbach-Beringer

In Nassenfels und Ochsenfeld lassen sich Leute zur Faschingszeit gerne und ganz wörtlich gesehen "einen Bären aufbinden", um als Strohbär beim Umzug die Zuschauer zu belustigen oder zuweilen gar zu erschrecken. Der Brauch geht Jahrzehnte zurück. Die Anfänge allerdings sind unbekannt.

Sie sind stolz und begeistert, wenn sie von ihrer besonderen Ortstradition erzählen: Daniel Crusius aus Nassenfels sowie Lorenz Günthner, Rupert Schneider und Alois Wagner aus Ochsenfeld. Zwar kennt man in Nassenfels und Ochsenfeld die genaue Herkunft und den Beginn der Tradition des Strohbären nicht, doch der Ochsenfelder Lorenz Günthner erinnert sich daran, dass es schon zu seiner Kindheit in den 50er-Jahren Strohbären gegeben habe: "Das war gefühlt schon immer so." Dennoch schlief der Brauch in den 60er- und 70er-Jahren ein, bevor er Anfang der 80er wiedererweckt und seitdem weitergeführt wird. In Nassenfels existierte die Tradition des Strohbärentreibens bereits vor dem Zweiten Weltkrieg, was Schwarz-Weiß-Fotographien aus dem Jahr 1938 belegen. Damals verwendeten die Burschen und Männer zum Binden noch das lange Stroh, das im Sommer mit der Hand gemäht wurde, wie Daniel Crusius, der Vorsitzende des hiesigen Katholischen Burschenvereins, weiß. Heutzutage schneiden die Mähdrescher das Stroh ziemlich kurz, weswegen die Strohbären auch keine schlauchigen Köpfe mehr haben. Aus dem Jahr 1968 existiert ebenfalls eine Aufnahme, eine Unterbrechung des "bärigen" Brauches ist nicht bekannt.

Gebunden wird das etwas stabilere Weizenstroh mit einer Pressschnur - eine aufwendige Arbeit, die pro Bär eineinhalb Stunden in Anspruch nimmt und gelernt sein will. Deshalb sind es über Jahre und Jahrzehnte die gleichen Männer, die mit dieser kunstfertigen Aufgabe betraut werden. "Schließlich soll das Stroh ja nach Möglichkeit den ganzen Umzug über am Bär hängen bleiben und nicht verloren gehen", erklärt Crusius. Und er ergänzt: "Ab und zu wird ein junger Bursche in den elitären Kreis mit aufgenommen und so die Fertigkeit des €šStrohbärenbindens €˜ an die jüngere Generation weitergegeben."

Das Binden der Strohbären fand früher beim Wirtsimmer (Familie Speth) im Stadel statt. Seit ein paar Jahren trifft man sich dafür nun beim Braunbauer (Familie Reindl). Zum Einwickeln der Strohbären kommen immer fünf bis sechs junge Burschen zusammen und beginnen, die Männer Lage für Lage mit Stroh zu umgeben. Dabei werden Zweierteams gebildet, in denen jeweils einer das Stroh hält und der andere die Pressschnur herumbindet. Die Köpfe der Strohbären wickelt man erst kurz vor Umzugsbeginn ein, um die Prozedur für die Person unter dem Stroh einigermaßen erträglich zu halten.

Während des Faschingsumzugs führen Treiber die Bären herum. Diese sind meist als Viehhändler verkleidet und haben zunächst ihre liebe Mühe, die wilden Gesellen in Schach zu halten. "Das ändert sich aber bald", meint Crusius lachend. "Je länger der Umzug dauert, desto zahmer werden die Strohbären, da die Männer eng in das Stroh eingewickelt sind und es somit immer wärmer in dem ,Kostüm' und das Atmen so immer schwieriger wird."

Seit einiger Zeit ist es Tradition beim Katholischen Burschenverein Nassenfels, dass die Burschen, die im vorherigen Jahr geheiratet haben, den Strohbären machen müssen. Beim Auslösen des Brautstraußes oder der Braut auf der Hochzeit wird das von den anwesenden Burschen mit dem Bräutigam vorsichtshalber schon einmal ausgehandelt. Auch die Emanzipation hat vor dem Brauch nicht haltgemacht. So kam es bereits hin und wieder vor, dass Frauen oder junge Mädchen als Strohbär(inn)en mitmarschierten.

In Ochsenfeld herrscht am Faschingsdienstag beim Schöpfe (Familie Wagner) Hochbetrieb. Um 10 Uhr gibt es eine Brotzeit sowie selbst gebackene Kuchen und Kiachla von der Dame des Hauses, bevor es eine halbe Stunde später bereits an das Binden der Strohbären geht und sich bald auch Schaulustige dazugesellen. "Da hat es immer pressiert", stellt Rupert Schneider rückblickend fest, "denn bis 1 Uhr sollte man fertig sein." Zum Wickeln verwenden die Ochsenfelder lange ungedroschene Roggenhalme samt Ähren, die alle drei bis vier Jahre mit dem Mähwerk auf den Äckern des Guts Wittenfeld bei Adelschlag abgeschnitten werden, sowie ein Sisalbindegarn. Ungefähr vier Leute sind mit dem Einwickeln eines Strohbärens beschäftigt, was immer von unten nach oben erfolgt. "Wenn zu eng geschnürt wurde und es irgendwo drückt, ist man gezwungen, einen Teil wieder aufzubinden und neu zu wickeln, das ist manchmal mühselig", erzählt Alois Wagner.

"Außerdem gibt es für die Bärendarsteller vor dem Umzug kein Bier. Dies ist mittlerweile zur strikten Regel geworden, nicht dass einer muss, das wäre schließlich ein großes Problem," fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. Sind die Strohbären dann fertiggebunden, werden sie mit einem Autoanhänger zum Aufstellungsort transportiert, um ein vorzeitiges Auflösen des Strohkonstrukts zu vermeiden. Manchmal fuhren die Bären auch schon in einem Gatter auf einem Umzugswagen mit. In Ochsenfeld gibt es - wie in Nassenfels - daneben die Figur des Bärentreibers. Dieser ist als alter Mann verkleidet, der den Strick des Strohbären in der Hand hält.

Wer sich selbst ein Bild von den Strohbären machen möchte, kann diese auch heuer wieder in voller Größe vor Ort bewundern: In Nassenfels und Ochsenfeld startet der Umzug jeweils am Faschingsdienstag um 13.30 Uhr.