Seuversholz
Bauern holen sich das Jagdrecht zurück

12.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:12 Uhr

Aus Lärchenholz gezimmert stehen die Drückjagdstände in Reih und Glied und warten auf den Abtransport. Angefertigt haben sie nicht die Jäger, sondern die Jagdgenossen. - Foto: Breitenhuber

Seuversholz (EK) Das gibt es nur ein einziges Mal in der Region Ingolstadt: Die Seuversholzer Jagdgenossen verpachten ihre Flur nicht wie üblich an Jäger, sondern organisieren die Jägerei komplett selbst - mit "angestellten" Jägern. Seit fünf Jahren läuft das schon. Die Seuversholzer sind vom Erfolg überzeugt.

"Wir haben eine schöne, waldreiche Flur. Ein Drittel ist Wald, es gibt relativ viele Wiesen", sagt Breitenhuber. "Und trotzdem wollten die den Pachtpreis um knapp die Hälfte reduzieren." Beisitzer Martin Pfaller pflichtet bei: "Wir haben permanent zu hören bekommen, wie schlecht unser Revier ist."

Die Genossen hörten sich das eine Weile an, dann machten sie sich über das Thema "Eigenbewirtschaftung" schlau. Breitenhuber hatte schon lange die Streitigkeiten zwischen Jägern und Förstern über zu hohen Wildverbiss im EICHSTÄTTER KURIER verfolgt, Wildverbiss war auch in Seuversholz ein großes Problem, und so kam die Idee auf, sich Jäger auf Anstellungsbasis und mit Jahresvertrag in die Flur zu holen. Im bayerischen Voralpenland hat diese Art der Jägerei Tradition, und so fuhren die Seuversholzer nach Griesstätt bei Rosenheim, wo es das Modell schon seit 18 Jahren gibt. "Da hat man eine Wahnsinns-Naturverjüngung gesehen", erzählt Martin Pfaller begeistert, berichtet aber von einer großen Skepsis der Teilnehmer: "Sind wir gescheiter als alle anderen"

Am Ende entschied sich die Mitgliederversammlung für die Einführung des Griesstätter Jagdmodells, und entscheidend war dafür der gute Zustand des Waldes, wo junge Bäumchen ganz selbstverständlich überleben.

Fünf Jahre lang betreiben die selbstbewussten Seuversholzer, etwa 60 ortsansässige Bürger, nun schon die Jagd in Eigenregie, und der Vorstand zieht bei einem Pressegespräch gemeinsam mit den beiden angestellten Jägern Michael Eichenseer (Ingolstadt-Dünzlau) und Herbert Hufsky (Ingolstadt) zum ersten Mal Bilanz. Ihre wichtigste Aussage: Der Wildverbiss in den Bauernwäldern sei schon nach kurzer Zeit deutlich zurückgegangen. "Früher war bei uns klar, dass ohne Zaun gar nichts geht, sowohl bei Fichten wie bei Buchen. Und Tannen hat es ohne Zaun gar nicht gegeben." Heute zeichne sich bei allen Baumarten eine deutliche Verbesserung ab, auch die Tanne verjünge sich ohne Zaun. "Das bestätigt uns auch der Förster", sagt Pfaller. "Man sieht, dass die Naturverjüngung funktioniert. Das Holz kommt von allein." Ziel sei, eines Tages ganz vom System der Neupflanzung wegzukommen. Schon verzichten die ersten Bauern probeweise auf die Einzäunung von kleineren Anpflanzungen - aber dafür braucht's auch in Seuversholz noch Mut.

Die Seuversholzer Jagdgenossen betonen, dass sie ihre Aussagen beweisen können. Einmal im Jahr, immer am Karfreitag nach der Kreuzwegandacht, begehen sie mit Förster und Jäger den Wald. Das hat Tradition, und es werden immer dieselben Stellen unter die Lupe genommen. Der Verbiss nimmt tatsächlich ab. Die Seuversholzer sind seitdem "Überzeugungstäter". Konrad Breitenhuber sagt: "Die einhellige Meinung der Jagdvorstandschaft und vieler Jagdgenossen ist die, dass wir uns eine Verpachtung nicht mehr vorstellen können."

Die Arbeit für die Jagdgenossenschaft allerdings nimmt im gleichen Maße zu. Die Seuversholzer kümmern sich nämlich schlichtweg um alles. Sie bauen die Jägerstände und stellen sie auf, sie erstellen zusammen mit den Jägern den Abschussplan fürs Jagdgebiet, sie organisieren auch - ganz aktuell - zusammen mit dem Jäger des Nachbarreviers Petersbuch-Heiligenkreuz eine Drückjagd auf Wildschweine. Sie kümmern sich selbst um die Regulierung von Wildschäden. Und: Sie vermarkten das Fleisch des erlegten Wildes komplett selbst. Jagdvorsteher Breitenhuber hat das als richtiges, privates Unternehmen übernommen, weil er bereits eine Saftmosterei betreibt und dadurch einen Hofladen hat. Dort gibt es das Wildfleisch - Reh und Wildschwein - aus der eigenen Flur ganzjährig aus dem Wildkühlschrank oder tiefgefroren in Haushaltsportionen zum Kauf. Die Jäger haben mit dem Verkauf nichts mehr zu tun.

Aber wie geht es den Jägern dabei? Michael Eichenseer hat sich eine kleine Liste mit Pro und Kontra angelegt. Auf der Habenseite steht für ihn ein entspannteres Verhältnis zu den Grundstücksbesitzern, wenn die letzte Verantwortung bei der Jagdgenossenschaft liegt. Der Bau von 25 nagelneuen Kanzeln vor zwei Jahren - top Qualität aus Lärchenholz - ist gleichfalls ein dickes Plus, und zeigt, wie gut die Kooperation ist: "Eine so große Nähe zu den Jagdgenossen hatten wir als Jäger noch nie", sagt Eichenseer. Und das neue System kommt die Jäger finanziell deutlich günstiger als früher die Pacht. Kurzum: Eichenseer und Hufsky sparen vor allem Zeit und Geld. "Uns bleibt die Zeit wirklich zum Bejagen des Waldes."

Aber die Sache hat auch Schattenseiten für die Jäger: Der Erfolgsdruck und der Erwartungsdruck der Waldbesitzer - und des Wildbret-Verkäufers Breitenhuber (zum Beispiel kurz vor Weihnachten) - sei groß. Das größte Problem aber sieht Eichenseer im Selbstverständnis: "Man fühlt sich als Jäger nicht so frei. Das ist wie ein Angestelltenverhältnis, und diese Einschränkung ist nicht immer angenehm." Auch bei den anderen Jägern gibt es unübersehbare Vorbehalte gegenüber den beiden Kollegen, die sich da von den Bauern so deutlich in die Pflicht nehmen lassen. Und es kann sein, dass sogar das unfreundliche Wort "Knecht" fällt. "Die Akzeptanz bei anderen Jägern ist schwierig, das ist für uns zwei schon ein bisschen blöd", sagt Eichenseer. Eine Einladung von Kollegen zur Treibjagd - nach Seuversholz? Da muss er sich auf die ein oder andere höfliche Absage gefasst machen. Das muss man erst einmal aushalten können - zumal nicht zu übersehen ist, dass Jagdvorstand Konrad Breitenhuber eine sehr klare Vorstellung von Wald- und Wildmanagement hat. "Meine Vorstellung ist: Man soll eine Jagdgenossenschaft führen wie ein gutes Unternehmen."

Unter diesen Vorzeichen ist klar, dass die Eigenbewirtschaftung eine knifflige Sache ist - für Bauern wie für Jäger. "Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sind wichtig", sagt Eichenseer. Und Martin Pfaller von den Jagdgenossen betont: "Wenn jeder anerkennt, was der andere macht, und wenn jeder seinen Part erfüllt, dann ist das eine Win-win-Situation." Und wenn nicht? Die Jäger Hufsky und Eichenseer sind erst vor einem Jahr in Seuversholz angetreten. Für ihren Vorgänger im Dienste der Bauern, auch das gehört zu dieser Geschichte, war am Ende auf Dauer doch nicht alles "im grünen Bereich" gewesen.