Rapperszell
Schon lange kein "Huscherl" mehr

Roswitha Hüttinger wandelte den Milchviehbetrieb in eine Geflügelproduktion um und ist heute eine Unternehmerin

02.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:13 Uhr

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Rapperszell (EK) "Als ich mit 22 Jahren auf den Hof meines Mannes kam, war ich ein richtiges Huscherl", erinnert sich Roswitha Hüttinger und lacht. Das würde wohl niemand mehr über die 56-Jährige sagen: 2010 fing die rührige Landwirtin noch einmal von vorne an und wandelte den Milchvieh- in einen Geflügelbetrieb um.

Was als Ausbildungsprojekt 2010 begann, ist heute ein umfassendes Unternehmen: Auf dem Hof in Rapperszell werden die Tiere im Freien gehalten, mit Futter aus eigenem Anbau gemästet, selbst geschlachtet und im Hofladen verkauft.

Die Zeit zwischen Dezember und März ist für Roswitha Hüttinger "die ruhige Phase", nur die Hähnchen im Stall müssen versorgt werden. Das ändert sich im April: "Es werden die ersten Enten eingestallt, dann kommen Puten, Perlhühner und Wachteln dazu", da gebe es schon viel zu tun. Mehrmals am Tag muss sie nun nach dem Rechten sehen, die Tiere füttern und tränken.

Was es bedeutet, Bäuerin zu sein, hat Roswitha Hüttinger früh gelernt, sie ist in Raitenbuch auf einem Nebenerwerbsbetrieb aufgewachsen. Dennoch war es am Anfang auf dem Hof ihres Mannes nicht immer leicht. "Ich habe sofort meine Aufgaben zugeteilt bekommen, als ob ich schon immer da gewesen wäre", berichtet Roswitha Hüttinger, die sich vor allem mit ihren drei Schwägerinnen, die ebenfalls auf dem Hof lebten, gut verstand. Mit ihrem Schwiegervater habe es dagegen "auch mal Reibereien gegeben", sie sei aber schon immer eine gewesen, "die aus solchen Dingen lernt", und das hieß für Roswitha Hüttinger in erster Linie, dass sich die gelernte Schneiderin alle Aufgaben, die in der Landwirtschaft anfallen, beigebracht hat. Das habe ihr letztlich Selbstbewusstsein gegeben.

Fünf Kinder, die Kühe im Stall, der Haushalt - dabei hätte es die Landwirtin belassen können. Doch als ihre jüngste Tochter Kommunion feierte, beschloss Roswitha Hüttinger, etwas Neues auszuprobieren. Sie lernte Hauswirtschafterin und arbeitete anschließend nebenher beim hauswirtschaftlichen Fachservice. "Ich habe mir immer wieder überlegt, die Meisterprüfung zu machen", erinnert sich die 56-Jährige, schob es aber immer wieder auf. Denn neben der Arbeit zu Hause war sie ehrenamtlich engagiert, saß im Pfarrgemeinderat, war Ortsbäuerin, kümmerte sich um die pflegebedürftigen Schwiegereltern. Als "neue Herausforderung" übernahm sie zusätzlich den Posten der Zweiten Vorsitzenden im Verband für landwirtschaftliche Fachbildung (VlF). "Das hat mich zu Hause schon einen Kampf gekostet", lacht Roswitha Hüttinger, ihr Mann sei zwar auch im Gemeinderat und bei der Feuerwehr, aber damit nicht so viel unterwegs wie sie.

2010 machte sie die Meisterprüfung dann doch - und musste sich als Abschlussarbeit ein Projekt überlegen. Roswitha Hüttinger beschloss, in zwei ehemaligen Garagen einen Schlachtraum einzurichten und ihr Geflügel direkt zu vermarkten. Das Futter, mit dem die Tiere gemästet werden, pflanzt ihr ältester Sohn an, der den Ackerbau 2014 übernahm, den Milchviehbetrieb wollte er dagegen nicht weiterführen. Ihrem Mann sei es dagegen schwergefallen, sich von seinen Kühen und der Melkmaschine zu trennen. "Ich habe aber gesagt, ich mag nicht mehr", das Aufstehen um fünf Uhr, die Abhängigkeit von der Molkerei, davon wollte Roswitha Hüttinger nichts mehr wissen. 2015 gingen die letzten Kühe vom Hof.

Schlaflose Nächte bereitete ihr die Umstellung nicht, "vielleicht weil so viel Herzblut drinsteckt". Manchmal sehe man zwar aus dem Fenster und denke angesichts der rund 2500 Tiere, "hoffentlich bringst du die alle los", aber das gehöre in einem eigenen Unternehmen dazu, man müsse lernen, wie man kalkuliert. Gleichzeitig gelte es, sich ein Netzwerk aufzubauen.

So kommen Brot und Nudeln im Hofladen von Frauen, die mit Roswitha Hüttinger gemeinsam die Meisterprüfung abgelegt haben. Neben ihrem Mann ist außerdem ihre Schwiegertochter in das Unternehmen eingebunden, sie gestaltet die Geschenkkörbe und nimmt Bestellungen entgegen. "Denn letztlich kann es nur funktionieren, wenn alle zusammenhelfen."