Raitenbuch
Über den Wipfeln drehen sich Rotoren

Spatenstich für den größten Wald-Windpark Bayerns Zehn Anlagen im Raitenbucher Forst

27.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Windenergie und Wald passen ideal zusammen - so lautete der allgemeine Tenor gestern, als der offizielle Startschuss für Bayerns größtem Wald-Windpark fiel. Der obligatorische Spatenstich durfte natürlich nicht fehlen (Bild unten). - Fotos: Bartenschlager

Raitenbuch (EK) In den nächsten Wochen und Monaten wird im Raitenbucher Forst der größte Wald-Windpark Bayerns entstehen. Gestern war der offizielle Spatenstich für dieses Projekt an der Nahtstelle zwischen Oberbayern und Mittelfranken. Insgesamt elf Anlagen werden von hier aus Strom liefern.

Realisieren wird den Windpark im Waldgebiet "Reichertshüll" die Ostwind-Gruppe gemeinsam mit der Firmengruppe Max Bögl unter dem Dach der Max Bögl Ostwind GmbH. Diese Gesellschaft wird zehn Anlagen in dem Staatsforst errichten. Ein Windrad wollen die Stadtwerke Weißenburg hochziehen; dafür fehlt allerdings noch die Genehmigung.

Sieben Jahre haben Planung, Vorbereitung und Genehmigungsverfahren gedauert. Grund für Gerhard Wägemann, den Landrat von Weißburg-Gunzenhausen, um Position zu beziehen: Es sei ihm ein Anliegen, eine umweltfreundliche Stromversorgung sicherzustellen. Sein Landkreis gehöre in Mittelfranken zu den Spitzenreitern. Umso unverständlicher sei ihm das Verhalten von Umweltschutzverbänden, die einerseits vehement die Umsetzung der Energiewende einfordern, gleichzeitig bei jedem Vorhaben eine ablehnende Stellungnahme abgeben - teilweise mit identischen Textbausteinen. Laut Wägemann müsse abgewägt werden, ob die Bevölkerung stärker belastet werde oder ob solche Anlagen doch besser im Forst entstehen sollen. Sein eindeutiges Urteil: Menschen müssten Vorrang vor Pflanzen und Tieren haben.

Ähnlich äußerte sich Bundestagsabgeordneter Josef Göppel (CSU). Solche Projekte seien dringend nötig, um die Klimaschutzziele zu erreichen, mahnte der gelernte Förster. Kritikern von Windrädern empfahl der Politiker, sie sollten sich nur mal kurz mit der Endlagersuche für Atommüll befassen. Das würde ihre Perspektive ändern, soll dieser Satz wohl aussagen.

Wobei die Belange der Umwelt selbstverständlich berücksichtigt werden, wie Jörg Zinner, Geschäftsführer von Ostwind, versicherte. Er weist spontan auf einen Spechtbaum: "Um ihn zu erhalten, haben wir eigens die Planung um ihn herum gelegt und die Kranstellfläche von ihm wegverlegt." Rolf Bungart, ebenfalls Ostwind-Geschäftsführer und promovierter Forstwissenschaftler, betont die "sehr konsequente ökologische Baubegleitung". Sie umfasse Biotopgestaltungen, Artenschutzmaßnahmen sowie Wiederaufforstungen- und Ersatzmaßnahmen. Das sei eine Gelegenheit, den fichtendominierten Forst in einen stabilen, gemischten und gestuften Wald umzubauen. Für jede Windkraftanlage müssen 3000 Quadratmeter Fläche gerodet werden, was Fachleute als relativ gering erachten, zumal die Rodungen zu 100 Prozent ausgeglichen werden. Auch Reinhard Strobl von den Bayerischen Staatsforsten Regensburg findet, dass Windenergie und Wald gut zusammenpassen. Im Staatsforstengesetz sei die Energienutzung eigens postuliert. "Das ist nicht nur Holz." In der "Zweiten Etage", also über den Baumwipfeln, stehe eine weitere regenerative Ressource zur Verfügung: der Wind.

Der Raitenbucher Bürgermeister Josef Dengler erinnerte daran, dass seine Gemeinde gemeinsam mit Behörden schon 2008, lange vor dem Unglück im japanischen Fukushima, die Möglichkeiten einer Windnutzung ausgelotet habe. Die Gemeinde habe "Wildwuchs" - den Bau einzelner Anlagen auf jeder Anhöhe - vermeiden wollen. "Als der Forstbetrieb Kipfenberg und Ostwind auf die Kommune herangetreten sind, haben wir sofort ein Zeichen gesetzt und einen nur 800 Meter vom Ort geplanten Standort für einen Windpark aufgehoben", betonte Dengler. Das habe die Bürger ins Boot geholt und den Wald-Windpark zu Akzeptanz verholfen. Weiter hob der Bürgermeister das problemlose Zusammenwirken mit Schernfeld hervor, was sein Kollege Ludwig Mayinger bestätigte. Wirtschaftlich profitiert übrigens auch Titting. Dort kommt ein Umspannwerk hin.

Schon vor dem Spatenstich waren bestimmte Arbeiten im Gang. Wie Geschäftsführer Zinner unserer Zeitung mitteilte, laufe über den Sommer der erforderliche Wegebau. Ab Mitte Juli werden die Fundamente in Angriff genommen, anschließend die Betonfertigteile für die Masten aufeinandergetürmt. "Das Ziel ist, noch heuer im vierten Quartal die Anlagen fertigzustellen." Das aber hänge von der Lieferfähigkeit der Herstellerfirma Nordex ab. Spätestens Anfang 2017 sollen sich die Rotoren drehen.

Auch die Bürger haben Gelegenheit, sich zu beteiligen. Darüber werde gerade verhandelt, sagt Zinner. "Erst einmal werden und müssen wir den Tarif sichern und errichten daher die Anlagen auf eigene Rechnung." Der Vorteil: Wenn Bürger und Kommunen einsteigen wollen, hätten sie Sicherheit. "Dann sind alle Parameter klar." Und die Kleininvestoren müssen nicht die Katze im Sack kaufen.