Pollenfeld
Sturm über dem Jura

"Permanentes dumpfes Grollen": Pollenfelder wettern über die beiden neuen Windkraftanlagen

02.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:08 Uhr

Schon recht nah an den Ort Pollenfeld sind die Windkraftanlagen der Neuen Energie Dollnstein herangerückt. Mehrere Bürger beschweren sich über den Lärm, der ihrer Ansicht nach massiv zugenommen habe. - Foto: Bartenschlager

Pollenfeld (EK) Mit der Ruhe am Jura ist's vorbei. Seit sich die Rotoren der beiden neuen Windkraftanlagen bei Pollenfeld drehen, finden manche Bürger keinen Schlaf mehr und äußern deutlich ihren Zorn über den ihrer Meinung nach viel zu hohen Lärmpegel. Ein unabhängiger Gutachter soll Klarheit schaffen.

Dabei sah am Anfang alles nach einer perfekten Symbiose aus: Die Neue Energie Dollnstein eG, die auf heimatlicher Flur keinen geeigneten Platz findet, geht mit ihrem Projekt "Bürgerwindpark" nach Pollenfeld, das als affin für Windkraft gilt. Schließlich gibt es dort seit Jahr und Tag drei Windräder, die von der Bevölkerung akzeptiert sind.

Nur stehen die neuen Anlagen näher am Ort, sind höher und wesentlich leistungsstärker. Seit sie Ende vorigen Jahres in Betrieb gegangen sind, sei es nicht mehr auszuhalten, sagt Martin Kraus, Geschäftsführer von Solarbayer und Wortführer der betroffenen Einwohner. "Wenn der Wind auf den Ort hin bläst, trägt er ein permanentes dumpfes Grollen mit sich." Das sei keineswegs ein subjektiver Eindruck, betont Kraus. Er könne schwarz auf weiß nachweisen, dass die geltenden Grenzwerte nicht eingehalten würden. Er habe entsprechende Messungen vorgenommen und dazu modernstes und geeichtes Gerät verwendet, über das er berufsbedingt verfüge. Sein Fazit: "Die Lage ist dramatisch."

Die Messung zeigt folgendes Bild: Da gebe es zunächst den Infraschall, der mit dem Donner vergleichbar sei. "Der ist einmal da und dann wieder weg." Hier hat Kraus im Innenbereich 50 Dezibel (dB(A)) gemessen. Nachts dürften es aber laut TA Lärm in "betriebsfremden schutzbedürftigen Räumen" - und dazu zählen Wohnungen - nicht mehr als 25 dB(A) sein. Die übrigen Frequenzbänder zeigen durchgehende Linien. Mit anderen Worten: Es ist permanent laut. Und noch etwas ist Kraus aufgefallen: "Im 800- bis 8000-Hertz-Band gibt es extreme Ausschläge. Das pulst im Sekundentakt."

Er sei von Anfang an gegen dieses Projekt gewesen. Die beiden Anlagen mit einer Leistung von 2,5 Megawatt und einer Höhe von 200 Meter bis Rotorenspitze hätten seiner Meinung nach in mindestens drei Kilometer Entfernung vom nächsten Ort aufgestellt werden müssen. Das gebe das Gesetz aber nicht her. Jetzt steht die nächste in 1300 Metern Abstand zu Pollenfeld und in 1500 Metern Abstand zu Wachenzell.

Zum anderen wurden die beiden Windräder neben die drei ursprünglichen und völlig anders gearteten Anlagen gesetzt. Damit würden sich zwei verschiedene Frequenzen überschneiden und für zusätzliche Kakophonie sorgen. "Das Schallbild hat sich komplett geändert. Mit der Ruhe am Jura ist es vorbei."

Kraus selbst ist davon betroffen, allerdings steht ein Haus noch vor seinem. Ein weiterer Nachbar mit freier Sicht auf die beiden Anlagen habe permanent 30 dB(A) in der Nacht. "Das ist Terror und lebensfeindlich, ein Verbrechen gegen die Menschen, die dort wohnen", greift Kraus nicht gerade zu leisen Tönen.

Bürgermeister Wolfgang Wechsler bestätigt die Aussage von Kraus. "Wenn ich nachts durch die Straßen gehe, und der Wind von Südwest weht, höre ich die Schläge vom Windrad deutlich." Bürger aus Pollenfeld, Wachenzell und jüngst einer aus Seuversholz hätten sich schon bei ihm beschwert. Offenbar ist eine Belastungsgrenze für die Einwohner erreicht.

So ganz kann Anton Risch, einer der beiden Vorstandsmitglieder von Neue Energie Dollnstein, die Vorwürfe nicht nachvollziehen. "Wir haben das Genehmigungsverfahren durchlaufen. Laut Schallgutachten ist alles weit unter den Grenzwerten." Michael Schmelz, im Landratsamt stellvertretender Sachgebietsleiter für den Technischen Umweltschutz, sei an der Anlage gewesen und habe nichts feststellen können. Zu Kraus' Messungen könne er nichts sagen. "Er ist kein vereidigter Gutachter." An Verwerfungen ist Risch jedoch nicht gelegen.

Deshalb wird ein externer Gutachter Klarheit schaffen. Beauftragen wird ihn das Landratsamt als Genehmigungsbehörde der Anlage. Bezahlen wird ihn die Neue Energie Dollnstein. Wie Manfred Schmidmeier, der Sprecher des Landratsamtes, mitteilte, sei der Bescheid zum Bau der Windräder zwar rechtskräftig, aber die Anlagen noch nicht abgenommen. Normalerweise gehören Emissionsmessungen nicht zum Abnahmeverfahren; dort wird die Anlagenidentität geprüft. Also, ob so gebaut wurde wie erlaubt. Aber wegen der Beschwerden sei das hier anders, zumal die vorliegenden Messwerte auch dem Landratsamt Rätsel aufgeben. "Die sind atypisch", sagt Manfred Schmidmeier. "Wir müssen schauen, was das sein könnte."

Beschwerdeführer Martin Kraus indes hat sich ein Ziel gesteckt und ist sicher, es erreichen zu können: "Nachts und bei bestimmten Windrichtungen müssen die Anlagen gedrosselt werden."