Petersbuch
Petersbuch hat den Kanal voll

Gemeinderatsbeschluss treibt Kosten nach oben: Vorstand der Dorferneuerung zurückgetreten

29.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Seit Jahren plant der kleine Ort Petersbuch die Dorferneuerung. Die Teilnehmergemeinschaft hatte eine kostenerträgliche Lösung ausgearbeitet. Nun hat der Gemeinderat Titting entschieden außerdem den Kanal zu erneuern, was zusätzliche Belastungen für den Bürger mit sich bringt. Aus Protest trat der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft zurück. - Foto: Hager/Hoedt

Petersbuch (EK) Das dürfte es bei Dorferneuerungen in der Region noch nicht gegeben haben: Der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft in Petersbuch ist geschlossen zurückgetreten. Die Mitglieder protestieren damit gegen den Beschluss des Tittinger Gemeinderats, den Kanal zu sanieren.

Eigentlich haben beide Maßnahmen, Kanalerneuerung und Dorferneuerung, nichts miteinander zu tun. Für das eine ist die Kommune, für das andere das Amt für Ländliche Entwicklung in München zuständig. Tatsächlich aber sind beide Maßnahmen miteinander verquickt. Vor allem sind beide für die Bürger mit Kosten verbunden. Genau das scheint der Knackpunkt für die Verwerfungen zwischen Teilnehmergemeinschaft und Gemeinde zu sein.

Die Kanalsanierung sei weder notwendig noch von den Petersbuchern erwünscht, sagte Reinhold Gerner, einer der zurückgetretenen Vorstände. Zweieinhalb Jahre sei um die Ausgestaltung der Dorferneuerung gerungen worden, so Gerner, der wie seine Kollegen im Oktober 2013 in dieses Ehrenamt gewählt worden war.

"Wir haben uns bemüht, so zu planen, dass es auch beitragsmäßig eine erträgliche Geschichte wird", so Gerner weiter. Zum Tragen kommt das "Modell II". Es sieht eine Erneuerung der Asphaltdecke der Ortsdurchfahrt vor, wobei nur das Profil ausgefräst werden sollte. Gleichzeitig wird die Fahrbahn auf 4,50 Meter verkleinert, um auch optisch zu signalisieren, dass die Trasse als Hauptverkehrsstrecke ausgedient hat. Zusätzlich wird ein "Multifunktionsstreifen" errichtet, das Bushäuschen aufgehübscht und auch neue Straßenlaternen soll es geben.

In diese Pläne hinein funkte laut Ansicht der Teilnehmergemeinschaft recht unvermutet der Gemeinderat mit seinem Votum, nun auch den Kanal zu erneuern. Davon sei früher nie die Rede gewesen, wettert Gerner. Innerhalb von fünf Jahren sei der Kanal zweimal befahren worden. Ergebnis: Die Rohre seien durchaus in passablem Zustand, nur beim einen oder anderen Hausanschluss gebe es Handlungsbedarf. Nun also die "große Lösung": Statt einer einfachen Auskofferung müsste die Straße nun aufgerissen werden. Die Straßenausbausatzung sieht die entsprechende Umlegung der Kosten auf die Anwohner vor.

Neben der von ihnen gewünschten Straßensanierung und den neuen Laternen müssten die Bürger nun zusätzlich für den neuen Kanal und die damit verbundene Straßenöffnung tief in die Tasche greifen, unterstreicht Gerner. Was ihn zusätzlich ärgert: "Alternativen, zum Beispiel das Inlinerverfahren, sind gar nicht erst geprüft worden." Einen Kanal komplett herauszureißen und neu zu verlegen, sei mit heutiger Technik nicht mehr zeitgemäß. Und überdies habe es immer geheißen: "Was der Bürger nicht will, wird nicht gemacht." Das Gegenteil sei der Fall. Er jedenfalls fühle sich "überfahren".

Erhard Michalke, Sachgebietsleiter beim Amt für Ländliche Entwicklung, stellt zunächst heraus, dass sein Amt mit der Kanalerneuerung nichts zu tun habe. Das seien zwei getrennte Paar Stiefel, gibt er zu verstehen. Aber so recht glücklich scheint er nicht: Jedenfalls durchkreuzt der Gemeinderatsbeschluss den Zeitplan seines Amtes. Das wollte in Petersbuch nächstes Jahr loslegen - was im Fall einer Kanalsanierung nicht mehr funktioniert. "Das miteinander zu machen, haut nicht hin. Das muss gestuft ablaufen." Will heißen: erst der Kanal, dann die Dorferneuerung, die entsprechend zurückgestellt werden müsste. Überhaupt sei zu klären, welche Auswirkungen die Kanal-Sache auf die Dorferneuerung habe. "Wir hätten mit dem alten Kanal leben können", sagt Michalke.

Stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Da ist zunächst die rechtliche Lage. Die ist eindeutig. Laut Ausführungsgesetz zum Flurbereinigungsgesetz kann ein Vorstand nicht einfach geschlossen zurücktreten. Das geht nur im Einzelfall, wenn ein "wichtiger Grund" vorliegt, und letztlich entscheidet das Amt darüber. Zudem läge noch nichts Schriftliches vor, sagt Ingrid Treffer, die direkt mit der Dorferneuerung Petersbuch befasst ist; sie ist qua Amtes die Vorstandsvorsitzende der Teilnehmergemeinschaft. Andererseits: Wie will man Leute zur Mitarbeit bringen, die das nicht mehr wollen?

Treffer setzt und hofft auf Gespräche, um die Verwerfungen auszuräumen. Das ist auch im Sinn von Bürgermeister Andreas Brigl: "Wir haben immer so gut zusammengearbeitet. Wir müssen uns zusammensetzen." Den Rücktritt des Vorstands bedauert er; da sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, ist er sicher. Bei solchen Infrastrukturmaßnahmen gebe es halt immer Differenzen, bemerkt Brigl, der sich zu den Hintergründen des Gemeinderatsbeschlusses nicht näher äußern wollte. Nun setzt der Bürgermeister auf Dialog.

Und auch die Vorstandsmitglieder haben das Tischtuch nicht endgültig zerschnitten: Sie haben sich das Schlupfloch eines Rücktritts vom Rücktritt offengelassen.