Marienstein
Tödliches Treffen im Wald

Eine dramatische Geschichte aus der Zeit der Leuchtenberger Holzfrevler und Wilderer im Konflikt mit den Förstern

27.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:17 Uhr

Fälle von Wilderei und Holzdiebstahl waren im 19. Jahrhundert keine Seltenheit. Dabei ging es sowohl um das Wildbret als auch um die Trophäen. Das Bild zeigt einen gusseisernen Rehbockkopf, der im herzoglich leuchtenbergischen Hüttenwerk Obereichstätt gegossen wurde. - Fotos: Ettle

Marienstein (EK) Wellen bis nach Sankt Petersburg schlug ein dramatischer Vorfall im Jahr 1847: Der herzoglich leuchtenbergische Förster Heinrich Weyse (24) erschoss im Wald bei Marienstein den Taglöhner Michael Burger.

Der Inhaber der Forstdienststelle Rebdorf überraschte den 28-Jährigen vermutlich beim Holzdiebstahl oder beim Wildern. Der exakte Ablauf kann nicht mehr nachvollzogen werden, da in den einschlägigen Archiven die Protokolle der Gendarmerie fehlen.

Zahlreiche Dokumente und Briefe zu dem tödlichen Schusswaffengebrauch sind jedoch im Stadtarchiv Eichstätt, Abteilung Leuchtenbergsammlung, verwahrt.

Der Vorfall fiel in die revolutionäre Zeit, in der Jäger und Förster, insbesondere im Gebirge, ohne lang zu fackeln auf Wilderer und Holzfrevler schossen - aber auch umgekehrt. Weyse schrieb in einer Rechtfertigung an seine vorgesetzte Dienststelle, die Oberadministration des Hauses Leuchtenberg in München, wörtlich: "Mein eifriges Bestreben ist es, das ohnehin exponierte Waldeigentum vor dem bekannten liederlichen Gesindel aus Marienstein, Rebdorf und Eichstätt zu schützen." In seinem Dienstbereich lagen das Jagdrevier Rebdorf und der Distrikt Weinleite.

Heinrich Weyse hatte in Eichstätt die "oberen Klassen der Lateinschule" besucht, hatte 1838 und 1839 im württembergischen Hohenheim ein forstwissenschaftliches Studium mit gutem Erfolg absolviert, fand eine Anstellung als Forstgehilfe in Böhmfeld und wurde von Herzog Maximilian, Fürst von Eichstätt, am 1. Januar 1845 nach Rebdorf versetzt. Weyse verdiente im Jahr 250 Gulden und bekam 50 Gulden Holzgeld sowie zwei Eimer Bier (je Eimer etwa 64 Liter), zwei Scheffel Korn (ein Scheffel circa 222 Liter) und freie Wohnung. Strafgeld, das er beim Forstschutz Holzdieben abverlangte, durfte er behalten. Zudem wurde für erlegtes Wild Schussgeld bezahlt. Die Berechtigung, die Leuchtenberger Försteruniform zu tragen, war ihm erteilt worden.

Der Tod von Michael Burger aus Marienstein wurde im "Intelligenzblatt" gemeldet. In der Sterbematrikel der Pfarrei Sankt Walburg, wozu Marienstein gehörte, schrieb Kooperator Max Mayer: "Taglöhner Michael Burger ist an den Folgen eines Schusses am 1. Dezember 1847, abends, im Wald bei Marienstein gestorben." Beerdigt wurde er im Eichstätter Ostengottesacker.

Anno dazumal

In der Heiratsmatrikel, aufbewahrt im Diözesanarchiv, hatte der Pfarrer am 15. Juni 1847 die Hochzeit von Michael Burger, Taglöhner aus Marienstein, eingetragen. Die Braut war Maria Anna Regler aus Salach (Langensallach, Gemeinde Schernfeld). Der Vater des Bräutigams stammte aus Sappenfeld, seine Mutter aus Emsing. Die Ehe wurde ein paar Monate, ehe Burger erschossen wurde, geschlossen. Das Paar wohnte in Marienstein im Klosterhof 25, heute Hausnummer 4, und hatte dort ein halbes Haus gekauft.

Im Juni 1848 ging die junge Witwe ihre zweite Ehe ein, nämlich mit dem Mariensteiner Taglöhner Johann Lindner. Beide hatten ein hartes Los zu tragen: Ihre Kinder Walburga (viereinhalb Jahre alt) und Franz Xaver (etwas über ein Jahr alt) starben im Januar und Februar 1854 binnen weniger Wochen. So weit zur Taglöhner-Familiengeschichte.

Das Landgericht Eichstätt teilte am 9. Dezember 1847 der herzoglichen Verwaltung die Verhaftung des Revierjägers Heinrich Weyse mit. Auf ihm ruhe der dringende Verdacht, "einen am 4. Dezember tot aufgefundenen Taglöhner erschossen zu haben". Pikanterweise war der Vater des Todesschützen, Forstmeister Carl Weyse vom Jagdamt Eichstätt, dessen Vorgesetzter. Er schrieb nach der Entlassung seines Sohnes aus der Untersuchungshaft an die Oberadministration, dass er diesen nicht mehr in Rebdorf einsetzen könne, "da bei der Aufregung daselbst vonseiten der bösartigen Holzfrevler Gefahr für sein Leben zu befürchten ist".

Am 16. März 1848 kam Heinrich Weyse aus der Untersuchungshaft frei, das Verfahren wurde aber nicht eingestellt. Ein paar Tage später ging aus der Oberadministration ein Brief an das Jagdamt ein: "Hiermit ergeht der Befehl, den in herzoglichen Diensten angestellten Revierjäger Heinrich Weyse von Rebdorf vom heutigen Tag an aus den herzoglichen Diensten zu entlassen." Das Landgericht riet dazu, Heinrich Weyse solle "Eichstätt ungesäumt verlassen".

Im Wald oberhalb von Marienstein liegt ein rund zwei Meter großer Findlingsstein. Aus ihm ist eine etwa 25 Zentimeter große Nische herausgehauen. Möglichweise befand sich dort einst eine Gedenktafel für Michael Burger.

Im Namen Seiner Majestät des Königs wurde am 19. Mai 1848 im "Intelligenzblatt" Folgendes berichtet: "Der Waldfrevel hat in auffallender Weise überhand genommen. Die Bewohner einzelner Orte rotten sich zusammen, um Angriffe gegen das Forstpersonal und die Staatswaldungen zu unternehmen. Die Waldschutzorgane sind zur Wachsamkeit aufgefordert, zur Verhaftung der Frevler verpflichtet und bei Widerstand zur Anwendung ihrer Waffen berechtigt."

Herzog Maximilian (1817 bis 1852) war mit der russischen Zarentochter Nikolajewna verheiratet und weilte in Sankt Petersburg. An ihn wandte sich die Mutter des entlassenen Försters Heinrich Weyse im September 1848. Antoinette Weyse schrieb: "Im innigsten Vertrauen auf Eurer Exzellenz weise Beurteilung der Menschen-Schicksale sowie auf Hochdero Gnade wegen des unverschuldeten Schicksals meines geliebten einzigen Sohnes ... wage ich es, mich an Exzellenz zu wenden." Sie hoffe auf gnädige Verzeihung, strich die Verdienste ihres Sohnes als Förster heraus und verwies darauf, dass andernorts solche Vorkommnisse durch Versetzung des Beamten geregelt wurden. Ein Antwortschreiben findet sich im Archiv nicht!