Kipfenberg
"Prostitution ist immer Zwangsprostitution"

Schwester Lea Ackermann sprach in Kipfenberg über Menschenhandel in Deutschland

15.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:08 Uhr

Schwester Lea Ackermann sorgte mit ihrem Vortrag in Kipfenberg über den Handel mit Frauen und Kindern in Deutschland für eine außerordentlich bedrückte Stimmung und für Unverständnis bei den Besuchern darüber, dass die Politik hier nichts unternimmt. - Foto: Weiß

Kipfenberg (wch) "Prostitution ist keine Dienstleistung und kein Beruf wie jeder andere. Prostitution ist immer Zwangsprostitution!": So geißelte Schwester Dr. Lea Ackermann bei ihrem Vortrag in Kipfenberg das unter der Regierung Gerhard Schröder beschlossene Prostitutionsgesetz von 2002. Pfarrer Peter Mairhofer begrüßte im voll besetzten Pfarrsaal die bekannte Ordensfrau im Namen der Katholischen Erwachsenenbildung, des Pfarrgemeinderats und der Kolpingfamilie Kipfenberg. Eine weitreichende Frage- und Diskussionsrunde schloss sich dem Vortrag an.

Erst nach der Verabschiedung des Gesetzes von 2002 entstand nämlich in Deutschland "ein Riesenmarkt für Menschenhandel und Zwangsprostitution, der von der organisierten Kriminalität gespeist wird", so Lea Ackermann. Der ursprüngliche Plan des Gesetzes sei gewesen: Prostitution, ein Beruf wie jeder andere. Die Frauen sollten in der Folge krankenversichert, rentenversichert, abgesichert und anerkannt sein. "Doch der Plan ging nicht auf. Stattdessen duldet und fördert die Politik mit diesem Gesetz ein unsägliches Verbrechen: Seit 15 Jahren ist der Kauf von Körpern für das eigene sexuelle Verlangen rechtlich als legale Dienstleistung anerkannt. Mit dem Gesetz wurde zudem der Weg frei für €šWellnessoasen €˜, €šfreie Unternehmerinnen €˜ und für unbeschreibliches Leid, das unter dem Deckmantel dieser Legalisierung täglich weiter wächst", sagte Lea Ackermann. Sie widersprach auch dem Argument der Freiwilligkeit. "Jedes Jahr wenden sich mehrere Hundert Frauen an SOLWODI, die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution geworden sind oder aussteigen möchten. Nach über 30-jähriger Beratungspraxis und Tausenden Gesprächen kann ich versichern: Es gab bisher nicht eine einzige Frau, die gesagt hat, dass sie gerne oder freiwillig in der Prostitution gewesen ist", konstatierte die leidenschaftliche Ordensfrau.

Bereits 1987 entstand SOLWODI Deutschland, der Name steht für Solidarity with Women in Distress (Solidarität mit Frauen in Not). Der Verein ist weltweit unterwegs, hat aber auch in Deutschland inzwischen 18 Beratungsstellen, eine Kontaktstelle und acht Schutzwohnungen für ausländische Frauen und Mädchen, die hier in Not geraten sind: Es sind dies Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, Opfer von Beziehungsgewalt, von Zwangsheirat Bedrohte oder aus Zwangsehen Geflohene. Manche Migrantinnen wenden sich auch nur wegen aufenthaltsrechtlicher Probleme oder Integrationsschwierigkeiten an den Verein. 2010 eröffnete eine neue SOLWODI-Beratungsstelle in Rumänien, 2012 wurde SOLWODI in Österreich gegründet. Dabei ist die Zwangsprostitution keinesfalls nur unter Erwachsenen verbreitet: 20 Prozent der Opfer aus deutschen Ermittlungsverfahren waren im Jahr 2015 minderjährig, in Deutschland sind Berlin, Hamburg und Stuttgart die wichtigsten Ziele für Kinderhändler, so Ackermann weiter.

Erschwerend komme hinzu, dass der Frauen- und Kinderhandel neben Drogen- und Waffenhandel das lukrativste Geschäft der organisierten Kriminalität weltweit ist. Die internationale Arbeitsorganisation Ilo schätzt, dass jährlich 90 Milliarden Euro mit Zwangsprostitution erwirtschaftet werden. Das Finanzamt bekomme von einem einzigen deutschen Großbordell 720 000 Euro pro Jahr an Steuern, die die sogenannten "freien Unternehmerinnen" allein für Zimmermieten an den Bordellbetreiber zahlen.